Neufassung des IDW S 1: Weiterentwicklung der Grundsätze der Unternehmensbewertungen

Am 7.11.2024 hat der Fachausschuss für Unternehmensbewertung und Betriebswirtschaft (FAUB) des IDW den Entwurf einer Neufassung des IDW Standards „Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen“ (IDW ES 1 n. F.) verabschiedet. Dieser würde die bisherige Fassung aus dem Jahr 2008 grundlegend verändern. Mit dieser Reform will der FAUB den Standard an die Entwicklungen im Bewertungsumfeld sowie an neue regulatorische und methodische Anforderungen anpassen.

Gegenüber dem IDW S 1 i. d. F. 2008 enthält der IDW ES 1 n. F. vor allem folgende Änderungen:

Stärkung der Eigenverantwortung des Gutachters

Der Entwurf betont die Eigenverantwortlichkeit des Wirtschaftsprüfers. Dafür soll klar zwischen der Managementplanung als Ausgangsbasis und der Zukunftsplanung als Bewertungsgrundlage unterschieden werden.

Weiterentwicklung des objektivierten Unternehmenswerts

Das Konzept des objektivierten Unternehmenswerts wurde überarbeitet, um aktuelle nationale und internationale Entwicklungen im Bewertungsumfeld stärker einzubeziehen. Ein zentrales Instrument soll dabei die plausible Ermittlung der Zukunftserfolge anhand interner und externer Daten sein. Ermittelt werden sollen diese Daten aus Perspektive eines umfassend informierten Eigenkapitalgebers mit ausschließlich finanzieller Zielsetzung ohne Einfluss auf die Geschäftspolitik.

Neues Wertkonzept: Plausibilisierter Entscheidungswert

Neben dem objektivierten Wert wird der plausibilisierte Entscheidungswert eingeführt. Mit diesem Konzept sollen die Erwartungen und Möglichkeiten der spezifischen Entscheidungsträger nachvollziehbar und konsistent werden. Deren Plausibilität soll intern und extern geprüft werden – insbesondere, wenn die Entscheidung gegenüber Dritten als Rechtfertigung dient. Dies kann bspw. die Rechtfertigung gegenüber den Kapitalgebern im Hinblick auf eine finanzielle Entscheidung oder die Rechtfertigung einer Bilanzierungsentscheidung gegenüber dem Abschlussprüfer sein. Welches Wertkonzept der Wirtschaftsprüfer zur Unternehmensbewertung nutzt, entscheidet sich danach, aus welcher Perspektive die Plausibilität beurteilt wird. Wird diese beurteilt aus der Perspektive des oben erwähnten umfassend informierten Eigenkapitalgebers, ermittelt der Wirtschaftsprüfer einen objektivierten Unternehmenswert. Andernfalls – wenn aus der Perspektive eines spezifischen Entscheidungsträgers beurteilt wird – ermittelt der Wirtschaftsprüfer einen plausibilisierten Entscheidungswert.

Erweiterte Funktionen des Wirtschaftsprüfers

Neben der Rolle des neutralen Gutachters werden neue Funktionen eingeführt, so sollen die Wirtschaftsprüfer auch neutrale Sachverständige und Berater sein, damit sie die unterschiedlichen Detaillierungsgrade bei der Plausibilitätsbeurteilung (vollumfänglich/ausreichend/ohne) abbilden können. In der Funktion eines Beraters wird auftragsbedingt weder ein objektivierter Unternehmenswert noch ein plausibilisierter Entscheidungswert ermittelt.

Flexibilität bei zukünftigen Maßnahmen

Nach der Neufassung gilt zudem bei zukünftigen Maßnahmen das Stichtagsprinzip. Die Bewertung soll künftig nicht nur die bereits eingeleiteten und rein dokumentierten Maßnahmen berücksichtigen, sondern auch plausibilitätsgeprüfte, künftig erwartete Maßnahmen. Diese können somit verstärkt in die Zukunftserfolgsplanung einfließen.

Der Entwurf hebt die Bedeutung von Transformationsprozessen und langfristige Entwicklungen hervor. Dies betrifft vor allem die nachhaltige Ertragskraft und Lebensdauer von Unternehmen, die nun umfassend miteinbezogen werden.

Öffnungsklausel zur Berücksichtigung persönlicher Ertragsteuern

In Bewertungsfällen, bei denen das Interesse auf der Ebene von Kapitalgesellschaften liegt, ermöglicht eine Öffnungsklausel eine sachgerechte Bewertung, ohne dass die persönliche Ertragssteuern der Anteilseigner berücksichtigt wird.

Umfangreichere Verknüpfungen zu bestehenden Praxishinweisen des IDW

Der Entwurf verknüpft den Standard stärker mit anderen IDW-Praxishinweisen, wie dem Standard zur Bewertung von KMU (IDW Praxishinweis 1/2014), zur Beurteilung von Unternehmensplanungen (IDW Praxishinweis 2/2017) oder zur Berücksichtigung des Verschuldungsgrads (IDW Bewertungshinweis 5.011). Zudem werden marktpreisorientierte Bewertungsverfahren ausführlicher behandelt.

Das IDW gibt die Möglichkeit, Änderungs- und Ergänzungsvorschläge bis zum 31.5.2025 einzureichen. Der Entwurf des neuen Standards wird dann voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte 2025 endgültig verabschiedet und in Kraft treten.

Ansprechpartner:innen: Thomas Straßer, Tobias Sengenberger, Andreas Fimpel, David Klee, Carina Bönisch

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