Textform für langfristige Gewerbemiet- und Pachtverträge: Weniger Papier, mehr Effizienz?

Das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) wurde am 29.10.2024 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Die geplanten Gesetzesänderungen werden zum 1.1.2025 in Kraft treten und sollen die Wirtschaft um bis zu 3,5 Milliarden Euro entlasten. Vorgesehen ist unter anderem eine Erleichterung bei dem in den §§ 550126578 Abs. 1, 581 Abs. 2 BGB normierten Schriftformerfordernis für langfristige Pacht- und Mietverträge über Grundstücke und Gewerberäume. Neben dem klassischen Gewerberaummietvertrag sind davon auch Nutzungsverträge für Windenergieanlagen und Solaranlagen betroffen. Die Änderung betrifft zunächst nur Miet- und Pachtverträge, die ab dem 1.1.2025 abgeschlossen werden. Für bestehende Verträge gilt die neue Rechtslage erst ab dem Zeitpunkt, zu dem sie das erste Mal geändert werden, spätestens jedoch zum 1.1.2026.

Bisherige Rechtslage: eigenhändige Unterschrift beider Vertragsparteien

Nach bisheriger Rechtslage bedürfen Pacht- und Mietverträge über Grundstücke und Geschäftsräume, die für eine längere Zeit als ein Jahr abgeschlossen werden, der Schriftform. Die Schriftform setzt voraus, dass beide Vertragsparteien dieselbe Urkunde unterschreiben. Alternativ können über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen werden und jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnen (§ 126 Abs. 2 S. 1 BGB). Ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, gilt der Vertrag gemäß § 550 BGB als auf unbestimmte Zeit geschlossen und kann ordentlich gekündigt werden.

Ferner sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs alle wesentlichen Vertragsbedingungen in einer einheitlichen Urkunde niederzulegen (sog. „Gebot der einheitlichen Urkunde“). Soweit wesentliche Fragen des Mietvertrages in Anlagen geregelt sind, muss sich der Vertrag eindeutig auf die jeweilige Anlage beziehen. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, ist die Schriftform nicht eingehalten.

Praktisch wirkt sich das vor allem beim Abschluss von Nachträgen aus. In einem Nachtrag müssen der Vertrag selbst und alle bisherigen Nachträge eindeutig bezeichnet werden. Ein anderer wichtiger Anwendungsfall ist die Miete oder Pacht nur eines Teils eines Grundstücks. Dann muss dem Vertrag zwingend ein Lageplan beigefügt werden, aus dem sich der vermietete Grundstücksteil eindeutig entnehmen lässt. Wenn dabei Fehler passieren, geht die beabsichtigte langfristige Bindung an den Vertrag verloren.

Rechtslage ab dem 1.1.2025: Unterschrift auf dem Tablet genügt

Im neuen § 578 Abs. 1 S. 2 BGB n. F. wird bestimmt, dass ein Mietvertrag über Grundstücke und Gewerberäume, der für einen längeren Zeitraum als ein Jahr nicht in Textform geschlossen wird, als auf unbestimmte Zeit geschlossen gilt und damit ordentlich gekündigt werden kann. Über die in § 581 Abs. 2 BGB enthaltene Verweisung wird dies auch für Pachtverträge gelten. Für Landpachtverträge wird die Erleichterung in § 585a BGB geregelt.

Im Unterschied zur Schriftform verlangt die Textform nach § 126b BGB eine lesbare Erklärung, die auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben wird und die Person des Erklärenden bezeichnet. Die Textform ist nur gewahrt, wenn die Erklärung auf einem dauerhaften Datenträger (z. B. Festplatte, USB-Stick oder E-Mail) elektronisch gespeichert und wieder abrufbar ist. So lassen sich langfristige Pacht- und Mietverträgen über Grundstücke und Geschäftsräume zukünftig wirksam abschließen, indem beispielsweise beide Vertragspartner ihre Namen elektronisch in das jeweilige PDF-Dokument einfügen.

Darüber hinaus fehlt in § 126b BGB eine dem § 126 Abs. 2 S. 1 BGB vergleichbare Voraussetzung, wonach grundsätzlich beide Vertragsparteien dieselbe Urkunde unterzeichnen müssen. Für das Zustandekommen eines Vertrages mit gesetzlichem Textformerfordernis reicht es grundsätzlich aus, wenn die Erklärungen der Vertragsparteien in Textform erfolgen, ohne dass beide körperlich (oder elektronisch) miteinander verbunden sind. Die Textform im Sinne des § 126b BGB wird also eingehalten, wenn eine Partei einen Vertragsentwurf per E-Mail übermittelt und die andere Partei eine E-Mail mit „Einverstanden“ zurückschickt. Ob das auch für Miet- oder Pachtverträge über Grundstücke und Geschäftsräume so einfach ist, wird mit dem BEG IV nicht ausdrücklich geregelt. Es ist daher denkbar, dass die Rechtsprechung das Gebot der „einheitlichen Urkunde“ auch für die Textform anwenden wird. Es empfiehlt sich daher, bei Miet- und Pachtverträgen bis zur Klärung durch die Rechtsprechung elektronische Unterschriften beider Parteien auf demselben elektronischen Dokument anzubringen.

Auswirkung auf die Praxis

Der neue § 578 Abs. 1 BGB n. F. begründet insoweit ein Risiko für den Rechtsverkehr, als bereits zwischen den Vertragsparteien ausgetauschte E-Mails den Vertragsschluss begründen können. Schon für Beweis- und Dokumentationszwecke wird sich ein lockerer Umgang mit der Dokumentation des Vertragsinhalts verbieten. Es empfiehlt sich daher, die vertraglichen Regelungen weiterhin vollständig in einem sorgfältig ausgearbeiteten Vertragstext (Dokument nebst Anlagen) zu erfassen. Auf die eigenhändige Unterschrift könnten die Parteien grundsätzlich verzichten. Die Praxis ist jedoch gut beraten, hier Vorsicht walten zu lassen. Die Schriftform bleibt weiterhin zulässig und ist mit keinerlei Rechtsnachteilen verbunden.

Ansprechpartner:innen: Wolfram von Blumenthal/Micha Klewar/Anja Straßer/Dimitar Asenov

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