Liebling, ich habe den Nikolaus geklont!

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Weihnachten – das Fest der Nächstenliebe, Besinnlichkeit und Reflexion. Christen feiern die Geburt Jesu Christi, für die Kinder steht Weihnachten vor allem wegen des gemütlichen Beisammenseins, den Familienspielen und der schönen Kekse ganz hoch im Kurs. Nun haben jahrhundertealte Traditionen in der Regel zwei Merkmale:

  1. Man denkt über die Details des Brauchtums nicht mehr groß nach.
  2. Und wenn man anfängt darüber nachzudenken, ist man schnell verwirrt.

Als der Sohn Gottes zur Welt kam, pilgerten die Menschen nach Bethlehem, um ihn zu beschenken. Das heute nun das „Christkind“ der Geschenke-Bringer ist – nun gut, so entstehen eben Bräuche. Aber wie passt hier der Weihnachtsmann ins Bild? Und sieht der Weihnachtsmann dem Nikolaus nicht verdächtig ähnlich?

Tatsächlich geht die Tradition des Beschenkens auf die Legende von Bischof Nikolaus von Myra zurück. Da der Protestantismus mit der Heiligenverehrung so seine Probleme hatte, verschob man im 16. Jahrhundert das Beschenken vom 6. Dezember auf Weihnachten und machte Jesus Christus zum Protagonisten. Über die Jahre hat sich das „Christkind“ dann wiederum verselbständigt, das man sich heute eher als engelsgleiches Wesen und weniger als Sohn Gottes vorstellt. Auch wenn das Christkind seinen Ursprung im Protestantismus hat, sind es heute vor allem die katholischen Regionen, in denen an Weihnachten das Christkind die Geschenke bringt. Ab dem 19. Jahrhundert verdrängte der Weihnachtsmann in protestantischen Gegenden das Christkind.

Die optische Ähnlichkeit von Nikolaus und Weihnachtsmann ist natürlich kein Zufall. Wenn man so will, ist der Weihnachtsmann ein Klon des Nikolaus, dem man um seine religiösen und historischen Bezüge erleichtert hat. Walt Disney und Coca Cola haben im 20. Jahrhundert schließlich ihr Übriges getan, um den Weihnachtsmann zu promoten.

Nun gibt es solche Legenden nicht nur in der christlichen Tradition, sondern auch in anderen Bereichen. Selbst die Energiewirtschaft ist nicht frei davon…

Anfang der 1990er Jahre, in prä-EEG-Zeiten, gab es noch keine nennenswerte Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien neben der Wasserkraft. 1990 stammten nur 0,04 Prozent der Erzeugung aus Wind und Sonne. In der Energiewirtschaft war herrschende Meinung, dass unser Energiesystem nicht mehr als maximal 5 Prozent Strom aus Erneuerbaren Energien vertragen würde: viel zu unvorhersehbar und volatil, höchstens „additiv“ seien Erneuerbare brauchbar. Als dann das EEG als „Energiewendegesetz“ das Stromeinspeisegesetz im Jahr 2000 ablöste, stellte sich schnell heraus, dass die 5-Prozent-Grenze Unsinn ist. 2002 war bereits über 8 Prozent der Erzeugung regenerativ. Heute sind wir bei ca. 35 Prozent.

Während sich manche Auffassungen relativ schnell als Irrtum herausstellen, dauert es bei anderen auch mal länger. Wer trägt denn Ihrer Meinung nach die Systemverantwortung für unser Stromnetz? Wenn Ihnen jetzt allein die Übertragungsnetzbetreiber in den Sinn kommen, haben wir Sie ertappt. Sowohl im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) als auch in der wirtschaftlich-technischen Praxis wird die Systemverantwortung von Übertragungs- und Verteilnetzbetreibern gleichermaßen wahrgenommen. Nachlesen können Sie das z.B. hier.

Eine andere Legende wird sich mancherorts über die vermeintlich üppigen Renditen in der Netzwirtschaft erzählt. Sie erinnern sich: Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hatte die Eigenkapitalzinssätze für die 3. Regulierungsperiode drastisch gesenkt: von 9,05 auf 6,91 Prozent für Neuanlagen und von 7,14 auf 5,12 Prozent für Altanlagen. Daraufhin gingen etwa 1.100 Beschwerden von Netzbetreibern gegen die Festlegung der BNetzA beim Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf ein. Das OLG Düsseldorf bemängelt, dass die aktuelle Situation an den Finanzmärkten und die sich dadurch ergebenden Verzerrungen bei der Ermittlung des EK-Zinssatzes gerade nicht berücksichtigt wurden. Nun wird sich zeigen, ob der Bundesgerichtshof (BGH) die Entscheidung des OLG Düsseldorf bestätigt und so die Mär von zu hohen Renditen im Netzbereich endgültig widerlegt.

Ganz gleich ob mit Christkind oder Weihnachtsmann: Wir wünschen Ihnen eine besinnliche Weihnachtszeit. Wie jedes Jahr, nimmt sich unser Blog eine kleine Auszeit. Wir freuen uns schon darauf, wenn wir 2019 mit Ihnen zusammen noch weitere Legenden auflösen dürfen.

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