Neue Anforderungen an Zählerplätze: Müssen die Netzbetreiber ihre technischen Anschlussbedingungen überarbeiten?

Boarding_Flying_modIntelligente Messsysteme und moderne Messeinrichtungen, auch „Smart Meter“ genannt, werden schon bald aus dem Netzbetrieb nicht mehr weg zu denken sein. Der Entwurf zum Messstellenbetriebsgesetz (wir berichteten) setzt fest, wie die Einbaupflichten und –fristen beschaffen sind. Die zukünftigen digitalen Zähler ermöglichen u.a. den Stromverbrauch in Echtzeit genau zu erfassen, was nicht zuletzt eine verbesserte Netzbetriebsführung möglich macht.

Die Installation neuer Mess- und Zählersysteme bedingt allerdings auch einige technische Änderungen. Der Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V. (VDE) hat vor diesem Hintergrund seine Anwendungsregeln betreffend Zählerplätze (VDE-AR-N 4101) den Anforderungen an intelligente Messsysteme bzw. Zähler entsprechend aktualisiert.

Wesentliche Neuerungen sind u.a. die Änderung der Bauhöhe, um Platz für die neuen Geräte zu schaffen sowie Obergrenzen für Dauerstrom, um die sichere Integration von Erzeugungsanlagen zu ermöglichen. Damit stellen sich unmittelbar wichtige Anschlussfragen: Was folgt aus den veränderten Anwendungsregeln für das Vertragsverhältnis zum Anschlussnehmer? Welche Vorgaben darf der Netzbetreiber dem Anschlussnehmer zukünftig überhaupt machen? Sind bestehende Technische Anschlussbedingungen (TAB) durch Netzbetreiber zwingend an die neuen Vorgaben anzupassen?

Einen ersten Ansatzpunkt im Bereich der Niederspannungsnetze bietet § 22 Niederspannungsanschlussverordnung (NAV). Der Anschlussnehmer hat danach Zählerplätze einzurichten, die den „technischen Anforderungen“ entsprechen. Diese kann der Netzbetreiber wiederum gem. § 20 NAV in  Technischen Anschlussbedingungen (TAB) festlegen. Diese sind Teil der Ergänzenden Bedingungen und damit des Netzanschluss- und Anschlussnutzungsverhältnisses zwischen Netzbetreiber und Anschlussnehmer bzw. –nutzer. Diese Regelungen müssen gem. § 20 NAV für die sichere und störungsfreie Versorgung notwendig sein und den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen.

Was das konkret bedeutet, hat der Bundesgerichtshof (BGH) in seiner Entscheidung vom 14.04.2015 (wir berichteten) klargestellt. Das Gericht hat darin umfassend geprüft, wie weit die Netzbetreiber-TAB mit höherrangigem Recht, insbesondere mit § 49 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) vereinbar sind. Dabei erkennt der BGH die Vermutungsregel des § 49 Abs. 2 Nr. 1 EnWG nicht nur ausdrücklich an, sondern sieht diese zugleich als Grenze des rechtlich Zulässigen. TAB erfüllen danach grundsätzlich den allgemein anerkannten Stand der Technik, wenn sie die entsprechenden VDE-Anwendungsregeln widerspiegeln. Legen die TAB dagegen – bspw. aus Praktikabilitätserwägungen –  technische Anforderungen fest, die inhaltlich über die VDE-Anwendungsregeln hinausgehen, sind diese vom Gesetz grundsätzlich nicht gedeckt und gegenüber dem Anschlussnehmer / -nutzer im Zweifel rechtlich nicht durchsetzbar.

Netzbetreiber sollten daher ihre aktuell verwendeten TAB daraufhin überprüfen, ob diese betreffend den Anforderungen an Zählerplätze der aktualisierten VDE-AR-N 4101 entsprechen. TAB mit entgegenstehendem Regelungsgehalt sind anzupassen, um gegenüber Anschlussnehmern und –nutzern die technischen Anforderungen, die sich insbesondere aus dem Rollout intelligenter Messsysteme bzw. Zähler ergeben, zukünftig effektiv durchsetzen zu können.

Ansprechpartner: Jan-Hendrik vom Wege/Alexander Bartsch

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