Kaum zu glauben: Ein zu gutes Arbeitszeugnis kann eine Diskriminierung begründen!

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Vor dem Arbeitsgericht wegen (vermuteter) Diskriminierung auf Schadensersatz zu klagen, kommt zunehmend in Mode. Aber damit nicht genug: Zusätzlich offenbart die Rechtsprechung in den letzten Monaten immer neue Gefährdungspotentiale. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) zeigte nun mit einem neuen Urteil vom 21.6.2012 (Az. 8 AZR 364/11), dass Arbeitgeber sogar in die Entschädigungsfalle tappen können, nur weil sie ein zu gutes Arbeitszeugnis ausstellen. Wie das?

Der Arbeitgeber einer türkischstämmigen Arbeitnehmerin, die seit Februar 2008 befristet als Sachbearbeiterin angestellt war, hatte den Arbeitsvertrag nicht wie von ihr gewünscht verlängert und entfristet, so dass sie am 31.1.2010 aus dem Arbeitsverhältnis ausschied. Am letzten Tag wurde ihr ein Arbeitszeugnis erteilt, in dem ihr Leistungen zur „vollsten Zufriedenheit“ bescheinigt wurden.

Die Arbeitnehmerin klagte. Aber sie griff nicht etwa die Befristung selbst an und klagte auf Weiterbeschäftigung, wie man meinen könnte. Denn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses war offenbar von den Befristungsvorschriften gedeckt.

Stattdessen machte die Klägerin eine Entschädigung wegen Diskriminierung auf Grund ihrer ethnischen Herkunft geltend. Sie behauptete, der wahre Grund für die Nichtverlängerung ihres Arbeitsvertrages sei ihre ethnische Herkunft gewesen. Dabei wies sie darauf hin, dass der beklagte Arbeitgeber, ein Rentenversicherungsträger, nur einen geringen Anteil von Arbeitnehmern mit nichtdeutscher Herkunft beschäftige.

Der Arbeitgeber konterte, Grund für die Nichtverlängerung seien ungenügende Arbeitsleistungen gewesen. Immerhin hatte im November 2008 ein Personalgespräch stattgefunden, in dem es auch um Arbeitsfehler der Klägerin gegangen war.

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz sah die Sache wie die Klägerin und verurteilte den Arbeitgeber zu einer Entschädigung von 2.500 Euro. Auf die Revision des Arbeitgebers entschied nun das BAG, dass falsche oder widersprüchliche Auskünfte des Arbeitgebers über die Gründe der Nichtverlängerung „Indizwirkung“ für eine Diskriminierung haben können. Das BAG entschied den konkreten Fall aber nicht selbst, sondern wies die Klage nun zur Entscheidung an das LAG zurück. Denn hier müsse entweder das erteilte Zeugnis oder aber die Begründung mit Leistungsmängeln falsch sein. Das LAG hat nun aufzuklären, welche der beiden Varianten tatsächlich zutrifft. Ist die vom Arbeitgeber gelieferte Begründung falsch, wofür die im Zeugnis enthaltene gute Leistungsbeurteilung spricht, so würde dies als Indiz dafür wirken, dass die Klägerin diskriminiert wurde, so dass ein Entschädigungsanspruch bestünde.

Diese Indizwirkung bewirkt nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) eine Beweislastumkehr. Sie löst die Vermutung aus, dass eine unsachgerechte Ungleichbehandlung wegen eines geschützten Merkmals, hier die ethnische Herkunft, also eine Diskriminierung, vorliegt. Der Arbeitgeber muss dann nachweisen, dass entgegen dieser Vermutung keine Diskriminierung vorgelegen hat. Dieser Beweis ist allerdings in den meisten Fällen äußerst schwer zu führen, im konkreten Fall insbesondere ohne sorgfältige Dokumentation der Fehlleistungen. Im Zweifel bleibt es bei der Vermutung.

Im geschilderten Fall bleibt dem beklagten Arbeitgeber nur noch der Ausweg, die behaupteten ungenügenden Leistungen überzeugend zu beweisen und sich damit selbst der Ausstellung eines zu wohlwollenden (also letztlich) falschen Zeugnisses zu bezichtigen. Ob dies gelingen wird, bleibt abzuwarten.

Der Schutz vor Diskriminierung ist ein wichtiges und richtiges Anliegen. Befremdlich an der Entscheidung erscheint, dass ein Arbeitgeber, der mit einem gut gemeinten Zeugnis helfen will, nicht etwa Dankbarkeit, sondern Entschädigungsforderungen ernten kann. Konsequenz hieraus ist, dass von reinen Gefälligkeitszeugnissen künftig erst recht abzuraten ist. Dem einzelnen Arbeitnehmer wird dies kaum helfen, dafür aber die Aussagekraft von Zeugnissen vielleicht verbessern.

Insbesondere aber zeigt sich, dass selbst bei rechtssicherer Beendigung eines Arbeitsverhältnisses sachliche Gründe vorgehalten werden und dokumentiert bleiben sollten, um sich gegen Diskriminierungsvorwürfe zur Wehr setzen zu können.

Ansprechpartner: Dr. Jost Eder

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