Endlich Klarheit: BMF-Schreiben zur Rückwirkung der Rechnungsberichtigung

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Spätestens seit dem Senatex-Urteil (Rs. C-518/1) vom 15.9.2016 setzte sich zunächst der Europäische Gerichtshof (EuGH) und in der Folge auch der Bundesfinanzhof (BFH) zunehmend kritisch mit den formellen nationalen Anforderungen an den Vorsteuerabzug auseinander. Nach nunmehr vier Jahren und zahlreichen Urteilen, die zu Gunsten der Steuerpflichtigen entschieden wurden, konnte die Finanzverwaltung die eindeutigen Tendenzen in der Rechtsprechung nicht länger ignorieren: In einem Schreiben (GZ. III C 2 – S 7286-a/19/10001 :001) vom 18.9.2020 hat sie zur Rechtsprechung Stellung genommen und den Umsatzsteueranwendungserlass geändert.

Materielle und formelle Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs

Die materiellen Voraussetzungen für das Entstehen des Vorsteuerabzugsrechts ist der Bezug der umsatzsteuerpflichtigen Lieferung oder Leistung. Formelle Voraussetzung ist der Besitz einer ordnungsgemäßen Rechnung. Insbesondere der Inhalt der ordnungsgemäßen Rechnung und die zeitliche Wirkung der Berichtigung einer unvollständigen Rechnung waren in der Vergangenheit strittig.

Rückwirkung einer Rechnungsberichtigung – auch Storno wird anerkannt

Die Finanzverwaltung akzeptiert nunmehr die Rückwirkung einer Rechnungsberichtigung auf den Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungsausstellung. Der Vorsteuerabzug wird damit im Zeitpunkt des Leistungsbezugs gewährt, die „Zinsstrafe“ entfällt. Die Finanzverwaltung folgt somit der Sichtweise des EuGH über die sog. Neutralität der Umsatzsteuer.

Die Rechnung kann mit einem zusätzlichen Dokument unter eindeutiger Bezugnahme auf das Ursprungsdokument berichtigt werden. Es ist aber auch möglich, dass der Rechnungsaussteller die Ursprungsrechnung storniert und eine Neuausstellung der Rechnung vornimmt. Auch dieser Form der Berichtigung kann Rückwirkung zukommen, wenn die weiteren Voraussetzungen vorliegen.

Rechnung bleibt erforderlich

Grundsätzlich setzt der Vorsteuerabzug den Besitz einer nach den Vorgaben des § 14 UStG ausgestellten Rechnung voraus. Hieran ändert sich zunächst auch nichts! Die Rechnung hat eine Kontrollfunktion und ist der objektive Nachweis der Steuerbelastung des Unternehmers auf der vorausgegangenen Umsatzstufe. Einem Vorsteuerabzug ohne Rechnung steht die Finanzverwaltung – insofern noch abweichend vom EuGH – ablehnend gegenüber. Der Besitz einer Rechnung ist daher nach Auffassung der Finanzverwaltung ebenfalls eine materielle Voraussetzung des Vorsteuerabzugs.

Mindestanforderungen einer berichtigungsfähigen Rechnung

Damit eine Rechnung rückwirkend berichtigt werden kann, muss die Rechnung mindestens die nachfolgenden Kernangaben enthalten:

  1. Angaben zum leistenden Unternehmer
  2. Angaben zum Leistungsempfänger
  3. Leistungsbeschreibung
  4. Entgelt
  5. gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer.

Es steht dem Steuerpflichtigen frei, die Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs durch ergänzende Dokumente zu belegen. Da keine Ermittlungspflicht seitens der Finanzverwaltung besteht, wirken Zweifel und Unklarheiten zu Lasten des Unternehmers.

Wird irrtümlich vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 13b Abs. 2 bzw. 5 UStG ausgegangen und dies mit einem Hinweis auf die Umkehr der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers auch dokumentiert, so liegen die Voraussetzungen für eine rückwirkende Rechnungsberichtigung ebenfalls vor.

Trotzdem aufmerksam bleiben

Endlich hat das Bundesfinanzministerium (BMF) für die Unternehmen auch im Verwaltungsverfahren Klarheit geschaffen. Die Heilung von handwerklichen Fehlern der Rechnungserstellung und Nachlässigkeiten im Rahmen der Prüfung von Eingangsrechnungen sind nun in den weit überwiegenden Fällen möglich. Das ändert jedoch nichts an der Verpflichtung zur Rechnungserteilung und an der Empfehlung, Eingangsrechnungen gemäß den Anforderungen des § 14 UStG auch auf ihre formelle Vollständigkeit hin zu überprüfen.

Ansprechpartner: Rudolf Böck/Björn Jeske

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