Modernisierung der Funktionsverlagerung: Die Escape-Klauseln fallen teilweise weg

Die unmittelbaren und mittelbaren Direktinvestitionen im Ausland steigen stetig. Die Internationalisierung führt dazu, dass auch kleinere und mittelständische deutsche Unternehmen im Ausland agieren. Neben Steueranreizen und Standortvorteilen gibt es zahlreiche weitere Gründe für eine Funktionsverlagerung auf ausländische Tochtergesellschaften oder andere parallele Strukturen. Eine solche Verlagerung unterliegt ab dem 1.1.2022 jedoch „verschärften“ Regelungen.

Neue Regelungen

Am 28. Mai 2021 hat der Bundesrat dem Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz (AbzSTEntModG) zugestimmt, das neben dem ATAD-Umsetzungsgesetz (ATADUmsG) zusätzliche Verschärfungen der bisherigen steuerlichen Gesetzeslage enthält.

Im Zentrum des AbzSTEntModG stehen – neben der Neuordnung des Quellensteuer-Entlastungsverfahrens für ausländische Steuerpflichtige, Anpassungen an der Anti-Treaty-Shopping-Vorschrift des § 50d Abs. 3 EstG und der Umstellung und Erweiterung des Verfahrens zur Abführung von Kapitalertragsteuern – unter anderem auch Sachverhalte außerhalb der Quellen- bzw. Abzugsbesteuerung. Dazu gehören auch eine erste Legaldefinition des Transferpakets sowie Anpassungen bei der Funktionsverlagerungsbesteuerung.

Die Funktionsverlagerung

Die Funktionsverlagerung fällt in Abgrenzung zur Wegzugsbesteuerung auf Gesellschaftsebene unabhängig von der Rechtsform an. § 1 Abs. 3b AStG (neu) definiert eine Funktionsverlagerung als Verlagerung einer Funktion einschließlich der dazugehörigen Chancen und Risiken sowie den mitübertragenen und überlassenen Wirtschaftsgütern und sonstigen Vorteilen. § 1 Abs. 2 S. 1 der Funktionsverlagerungsverordnung (FverlV) fügt dieser Definition noch das Kriterium der Ausübungseinschränkung im Ursprung der verlagerten Funktion hinzu. Somit schließt die neue Definition jede Verlagerung eines deutschen Unternehmens auf eine ausländische Gesellschaft mit ein und führt folglich zu einer fiktiven Veräußerung. Mit einer Transferpaketbewertung wird der steuerlich anzusetzende Wert der verlagerten Funktion bestimmt.

Verschärfungen und der teilweise Wegfall der Escape-Klauseln

Bisher war es möglich, der Transferpaketbewertung unter gewissen Voraussetzungen durch sogenannte Escape-Klauseln auszuweichen. Das hatte den Vorteil, dass Einzelverrechnungspreise für die übertragenen Wirtschaftsgüter angesetzt werden konnten und folglich eine Entstrickung anstatt der Funktionsverlagerung besteuert wurde. Durch die Änderung der oben genannten Definition müsste ab 1. Januar 2022 jedoch in jedem Fall eine Transferpaketbewertung erstellt und eine Funktionsverlagerung besteuert werden. Die zweite und dritte Escape-Klausel fallen damit weg.

Die erste Escape-Klausel ist in § 1 Abs. 3b AStG (neu) geregelt und soll – angelehnt an den aktuell noch geltenden § 1 Abs. 3 AStG S. 10 – eine Alternative darstellen. Die steuerpflichtige Gesellschaft kann demnach von der Gesamtbewertung des Transferpakets absehen, wenn sie glaubhaft machen kann, dass weder wesentliche immaterielle Wirtschaftsgüter noch sonstige Vorteile Gegenstand der Funktionsverlagerung sind. Die Klausel greift jedoch ab 1. Januar 2022 nur dann, wenn das übernehmende Unternehmen die übergehende Funktion ausschließlich gegenüber dem verlagernden Unternehmen ausübt und das Entgelt, das damit einhergeht, nach der Kostenaufschlagsmethode zu ermitteln ist.

Gut planen mit Hilfe von Experten

Die Verschärfungen im kommenden Jahr sollten Anlass dazu geben, eine geplante Funktionsverlagerung noch in diesem Jahr vorzunehmen. Der Prozess sollte im Vorfeld strategisch geplant und die Komplexität der wichtigen Einflussfaktoren und Herausforderungen von Experten abgeschätzt werden. So lässt sich eine Verlagerung ins Ausland rechtssicher gestalten und mögliche finanzielle Beeinträchtigungen lassen sich vermeiden.

Ansprechpartner*innen: Thomas Straßer/Tobias Sengenberger/David Klee

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