Zu Ehren des Welt-Anti-Korruptions-Tages: Der Compliance-Verantwortliche
Am heutigen Welt-Anti-Korruptions-Tag (ja, den gibt es wirklich) möchten wir nicht nur an jene denken, die charakterfest genug sind, den Verführungen der Korruption zu widerstehen. Sondern auch an jene, die in Unternehmen dafür zuständig sind, den Kampf gegen die Korruption zu führen: die Compliance-Verantwortlichen.
Das hat auch der Gesetzgeber getan: Im Entwurf des Gesetzes zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität (wir berichteten) wertet er die Rolle des Compliance-Verantwortlichen deutlich auf. Aber vielleicht nicht so, wie sich das die Betroffenen selbst gewünscht hätten.
Worum geht es? Gehen wir kurz einen Schritt zurück.
Nach dem Gesetzentwurf macht sich ein Unternehmen als solches „strafbar“, wenn es eine sog. Verbandsstraftat begangen hat. Eine Verbandsstraftat ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 des Entwurfs eine Straftat, durch die Pflichten, die den Verband treffen, verletzt worden sind oder durch die der Verband bereichert worden ist oder werden sollte. Damit sie aber dem Unternehmen zugerechnet werden kann, muss sie entweder von einer Leitungsperson begangen worden sein oder von einem sonstigen Mitarbeiter – aber nur, wenn kein angemessenes Compliance-System installiert war.
Angenommen, Sie sind in einem Unternehmen als sog. Compliance-Verantwortlicher tätig. Ihre Aufgabe ist es also, vom Unternehmen ausgehende Rechtsverstöße zu beanstanden und zu unterbinden. Würden Sie sich in dieser Funktion als Leitungsperson des Unternehmens bezeichnen? Wohl eher nicht.
Anders sieht das ganz offensichtlich der Gesetzgeber. Denn laut der Definition in § 2 Abs. 1 Nr. 2 e) des Gesetzesentwurfs gilt jede Person als Leitungsperson, die für die Leitung des Betriebs oder Unternehmens eines Verbandes verantwortlich handelt, wozu auch die Überwachung der Geschäftsführung oder die sonstige Ausübung von Kontrollbefugnissen in leitender Stellung gehört. Hierunter können unzweifelhaft auch Compliance-Verantwortliche fallen. Das wird umso deutlicher, wenn man die Gesetzesbegründung betrachtet. Dort ist der Compliance-Beauftragte ausdrücklich als Leitungsperson im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 e) aufgeführt, ebenso wie eine bemerkenswerte Entscheidung (Beschl. v. 9.6.2009, Az. 5 StR 394/08), des Bundesgerichtshofs (BGH) wonach „Beauftragte, denen die Corporate Compliance anvertraut ist, regelmäßig strafrechtlich eine Garantenpflicht im Sinne des § 13 Abs. 1 StGB trifft, solche im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Unternehmens stehende Straftaten von Unternehmensangehörigen zu unterbinden“.
In dem BGH-Fall hatte der Leiter der Rechtsabteilung der Berliner Stadtreinigung es nicht unterbunden, dass diese den Bürgern der Stadt Berlin zu hohe Kosten in Rechnung stellte. Der BGH hat das Urteil des Landgerichts, das den Angeklagten wegen Betruges durch Unterlassen verurteilt hat, bestätigt. Diese sehr weitgehende Interpretation der Garantenstellung hat nun offenbar auch den Gesetzgeber inspiriert, was sich im Gesetzesentwurf zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität widerspiegelt.
Faktisch bedeutet das, dass zukünftig ein Fehlverhalten des Compliance-Verantwortlichen in ganz empfindlichen Strafen für das Unternehmen resultieren kann. So kann das Sanktionsgericht bei kleineren Unternehmen Sanktionen von bis zu 10 Mio. Euro und bei großen Unternehmen (durchschnittlicher Jahresumsatz über 100 Mio. Euro) bis zu 10 Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes verhängen.
Fazit: ein Compliance-Verantwortlicher sollte besser charakterfest sein. Denn von dieser Person kann ganz viel abhängen …
Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Christian Dessau