„Workation“: Dauerhaftes Homeoffice im Ausland als arbeitsrechtliche Utopie?

Eine Arbeitnehmerin zieht nach Spanien, wo sie von nun an ihren festen Wohnsitz hat. Das Unternehmen mit Sitz in Deutschland möchte sie gerne halten und bietet ihr an, sie im Homeoffice aus dem Ausland weiterhin zu beschäftigen. Was im globalisierten und digitalisierten Zeitalter einfach und machbar klingt, ist im aktuell geltenden Recht kaum auflösbar.

Die Dauer des Aufenthalts als ausschlaggebendes Kriterium

Maßgeblich ist die Dauer des Auslandaufenthalts. Beträgt er weniger als vier Wochen, besteht kein arbeitsrechtlicher Handlungsbedarf. Dennoch sollte geprüft werden, ob es für die Arbeit in dem jeweiligen Land eines Aufenthaltstitels und/oder einer Arbeitserlaubnis bedarf.

Arbeitet der Mitarbeitende zeitlich begrenzt innerhalb Europas, ist deutsches Recht auf das Arbeitsverhältnis nur dann anwendbar, wenn es sich um eine „Entsendung“ handelt oder der Schwerpunkt der Arbeitstätigkeit in Deutschland liegt. Für den Schwerpunkt der Arbeitstätigkeit wird auf den Arbeitsmittelpunkt abgestellt, d.h. auf den Ort, wo der Arbeitnehmer mehr als die Hälfte seiner Tätigkeit wahrnimmt (Art. 8 II 1, III, IV Rom I-VO). Als „Entsendung“ gelten im arbeitsrechtlichen Sinne kurz- oder mittelfristige Arbeitseinsätze im Ausland mit einer festen Rückkehrperspektive und einer engen Anbindung an den Betrieb im Inland. Für das Arbeitsrecht ist als Zeitgrenze die normierte Dauer der Langzeitentsendung im AEntG maßgeblich. Eine Langzeitentsendung ist gegeben, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bis zu zwölf Monate im Ausland beschäftigt. In Übereinstimmung mit Art. 3 Abs. 1a UAbs. 3 Richtlinie 96/71/EG kann der ausländische Arbeitgeber die Zwölf-Monats-Frist gemäß § 13b Abs. 2 AEntG auf 18 Monate verlängern. Das AEntG enthält darüber hinaus keine weiteren Verlängerungsoptionen. Es werden lediglich besondere Regelungen für die Unterbrechung oder Beendigung sowie die Anschlussbeschäftigung normiert.

Wird ein Arbeitnehmer länger als die zulässige Entsendezeit im Ausland beschäftigt, liegen der gewöhnliche Arbeitsort i.S.d. Art. 8 II 1 Rom I-V sowie der Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses im Ausland. Gem. § 13b AEntG finden nach Ablauf dieses Zeitraums alle Arbeitsbedingungen Anwendung, die am Beschäftigungsort in Rechts- und Verwaltungsvorschriften und in allgemeinverbindlichen Tarifverträgen vorgeschrieben sind. Ausgenommen sind lediglich die Verfahrens- und Formvorschriften und Bedingungen für den Abschluss oder die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Abweichend von dem Grundsatz der Privatautonomie in Art. 8 I Rom I-VO besteht nach Ablauf des Entsendungszeitraums kein Wahlrecht hinsichtlich des anzuwendenden Arbeitsrechts (Art. 13b AentG).

Sozialversicherungsrechtliche Schwierigkeiten

Von dem arbeitsrechtlichen Zeitraum einer Entsendung zu unterscheiden ist die zeitliche Grenze für das Sozialversicherungsrecht nach der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4,2004. Danach darf die sozialversicherungsrechtliche Entsendung 24 Monate nicht überschreiten, andernfalls unterliegt der Arbeitnehmer den jeweiligen Sozialversicherungsrechtsvorschriften im Ausland. Unter besonderen Gegebenheiten kann allerdings von diesem Grundsatz abgewichen werden (Art. 16 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004). Kann der entsandte Arbeitnehmer seine Tätigkeit aufgrund unvorhergesehener Umstände nicht abschließen, kann er oder der Arbeitgeber eine Verlängerung des ursprünglich vorgesehenen Entsendezeitraums bis zu insgesamt weiteren 24 Monaten ohne Berücksichtigung der notwendigen Unterbrechung von mindestens zwei Monaten beantragen. Ein solcher Antrag muss vor Ende des vorherigen Entsendezeitraums eingereicht und mit den notwendigen Nachweisen belegt werden. Nach Sinn und Zweck des Art. 16 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004 ist jedoch eine dauerhafte bzw. unbefristete Entsendung nicht möglich.

Fazit

Soweit die Arbeit auf Dauer angelegt ist, muss also das volle Arbeitsrecht des Einsatzlandes nach 12 Monaten, in Ausnahmefällen ab 18 Monaten, angewendet werden. Das deutsche Sozialversicherungsrecht kann ebenfalls nur 24 Monate nach Entsendung Anwendung finden. Es besteht allein die Option, den Mitarbeiter mithilfe der Vereinbarung einer freien Mitarbeiterschaft zu binden. Der Mitarbeitende ist dann jedoch Freelancer und gerade nicht mehr Angestellter. Damit hätten die ehemaligen Arbeitgeber kein Weisungsrecht mehr und es besteht das Risiko einer Scheinselbstständigkeit. Hierfür kommt es auf die Bestimmungen des Beschäftigungsstaates zur Scheinselbstständigkeit an.

Ansprechpartner*innen: Dr. Jost Eder/Wolfram von Blumenthal/Julia Scheidt

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