Bewertung von Arzt-, Zahnarzt- und Steuerberatungspraxen

In vielen Arzt-, Zahnarzt und Steuerberatungspraxen steht der Generationenwechsel an. Für mögliche Nachfolger und die bisherigen Praxisinhaber stellt sich die Frage, was ein fairer Preis zur Übernahme der Praxis sein könnte. Häufig werden ungenügende Verfahren angewendet, um den Wert zu ermitteln – doch es gibt auch eine gerichtsfeste Methode.

Steigende Notwendigkeit professioneller Unternehmensbewertungen

Immer mehr junge Ärzte und Steuerberater scheuen das wirtschaftliche Risiko einer Selbständigkeit. Sie fürchten die schwierigere Vereinbarkeit von Beruf und Familie und möchten daher weiter als Angestellte tätig sein. Für Ärzte wird es daher immer attraktiver, die Praxis an ein indirekt über ein Krankenhaus gemäß § 95 Abs. 1 Satz 2 SGB V von Finanzinvestoren gehaltenes Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) zu verkaufen. So sparen sie sich nicht nur die langwierige Suche nach einem Nachfolger, sondern können wegen möglicher Synergieeffekte häufig auch höhere Preise erzielen. Seit der Zulassung fachgleicher MVZ durch das GKV-Versorgungstärkungsgesetz 2015 stieg die Gesamtzahl von 2.156 Ende 2015 auf 3.846 Ende 2020. Auch für Ärzte, die weiterhin selbständig tätig sein möchten, erscheint es immer attraktiver, ihre Praxis mit anderen Berufskollegen zusammenzulegen. So können sie die immer aufwendigeren Abrechnungen und Regulierungsanforderungen zentralisieren, sich auf ihre ärztliche Tätigkeit konzentrieren und Fixkosten sparen.

Auch im Bereich der Steuerberatungspraxen ist eine Tendenz zur Fusion kleiner Praxen zu erkennen. Neben der klassischen Steuerdeklaration wünschen Mandanten von ihrer Steuerberatungspraxis zunehmend die Weiterentwicklung hin zu einem Partner für unternehmerische Initiativen mit Spezialkenntnissen in vielen Gebieten. Die Zusammenlegung mehrerer Praxen ermöglicht das. Doch wie kann ein fairer Preis für die Übernahme der Praxis sichergestellt werden?

Ungenügende Verfahren in der Praxis

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass bei der Ermittlung des Praxiswerts das Verfahren anzuwenden ist, das für die Wertermittlung geeignet scheint.

Faustformeln, zumeist auf Basis von Umsatzgrößen, sind eher ungeeignet, denn die Bewertungsobjekte sind hinsichtlich unterschiedlicher Kostenstrukturen (Stadt- oder Landpraxen, Geräteintensivität, Prozessoptimierung) zu heterogen.

Die Bundesärztekammer entwickelte ein zuletzt 2008 überarbeitetes Kombinationsverfahren. Es leitet den Praxisgesamtwert aus dem Substanzwert des Praxisinventars zzgl. eines ideellen Werts her. Der Wert soll den individuellen Gegebenheiten der zu bewertenden Arztpraxis und insbesondere der personengebundenen Vertrauensbeziehung zwischen Arzt und Patient Rechnung tragen. Dieses Verfahren würde allerdings dazu führen, dass eine psychotherapeutische Gemeinschaftspraxis mit zwei Partnern, die sich trennen wollen, genauso behandelt wird wie eine radiologische Praxis mit acht Partnern, die einen weiteren Partner aufnehmen wollen. Einflüsse des Bewertungsanlasses und Synergieeffekte würden vernachlässigt, weil nur Vergangenheitswerte angesetzt würden.

Ertragswertverfahren für individuelle Bewertungsanlässe und Bewertungsobjekte

Für eine höhere Objektivierung und um die Heterogenität der Bewertungsobjekte und der Bewertungsanlässe zu berücksichtigen, ist die gerichtsfeste Ertragswertmethode zu empfehlen. Hier werden die um Sondereffekte bereinigten Vergangenheitswerte der Arzt-, Zahnarzt- oder Steuerberatungspraxis nur als Basis zur Prognose der zukünftigen Entwicklung herangezogen und dabei auch künftige planbare und wahrscheinliche Änderungen berücksichtigt. Das in Abzug zu bringende Gehalt des Arztes bzw. Steuerberaters wird nach Einzelfall sowie die Länge des Kapitalisierungszeitraums und ein eventueller zusätzlicher Terminal Value je nach Personengebundenheit des Geschäftsmodells der Praxis individuell angesetzt. Unbedingt erforderlich hierzu sind Kenntnisse des Bewerters in der jeweiligen Branche und insbesondere des praxisindividuellen Mandantenstammes und Prozessablaufs, der Abrechnungssystematik und vorliegenden Honorarbudgetierungssysteme sowie des Berufsrechts.

Daher empfiehlt es sich, frühzeitig einen qualifizierten Berater mit Erfahrung in der Bewertung von Arzt-, Zahnarzt- bzw. Steuerberatungspraxen in den Prozess einzubeziehen. Er kann je nach Bewertungsanlass einen fairen subjektiven Unternehmenswert bestimmen bzw. einen objektivierten Unternehmenswert nachvollziehbar ermittelten.

Ansprechpartner*innen: Thomas Straßer/Tobias Sengenberger/David Klee

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