Whistleblowing – Die EU-Kommission verklagt Deutschland

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Mehr als drei Jahre ist es her, dass die sogenannte Whistleblowing-Richtlinie (RL EU 2019/1937) erlassen wurde. Sie soll einen EU-weit einheitlichen Schutz von Hinweisgebern schaffen und hätte zum 17.12.2021 in deutsches Recht überführt werden müssen. Über ein Jahr später gibt es das Hinweisgeberschutzgesetz, das die Richtlinie für Deutschland umsetzen sollte, immer noch nicht.

Das soll nicht heißen, dass nicht an dem Gesetz gearbeitet wurde. Der erste Entwurf zum Hinweisgeberschutzgesetz hat es vor der Bundestagswahl 2021 nicht mehr durch das Parlament geschafft. Daher hat Ende Juli 2022 das (neue) Bundeskabinett einen etwas veränderten Entwurf beschlossen. Nach weiterer Überarbeitung wurde der Entwurf zum Ende des vergangenen Jahres dann auch vom Bundestag verabschiedet. Jedoch verweigerte kürzlich am 10.2.2023 der Bundesrat seine Zustimmung. Unter anderen rügte die Länderkammer die (über die europäischen Vorgaben hinausgehenden) Belastungen für kleine und mittlere Unternehmen.

Zwei Wege führen noch zum Hinweisgeberschutzgesetz

Da die Ampel den Inhalt weiterhin für richtig und wichtig hält, gibt es nun im Wesentlichen zwei Wege. Der Bundestag kann den Vermittlungsausschuss anrufen, um dort einen inhaltlichen Kompromiss zu suchen. Sollte dies gelingen, wird das Gesetz anschließend durch entsprechende Änderungen angepasst und kann so den Bundesrat passieren. Alternativ könnte der Bundestag das Hinweisgeberschutzgesetz so ändern, dass die Zustimmungspflicht des Bundesrates entfällt.

Wichtig jedenfalls ist, dass ein nationales Hinweisgeberschutzgesetz zeitnah in Kraft tritt. Denn das Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission läuft bereits.

Vertragsverletzungsverfahren – nicht brisant, aber peinlich

Bereits zu Beginn des Jahres 2022 hatte die EU-Kommission aufgrund der Nichteinhaltung der Umsetzungsfrist zum 17.12.2021 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet.

Das Verfahren ist dabei in mehrere Schritte gegliedert:

Schritt 1: Die Kommission übermittelt dem Mitgliedsstaat ein Aufforderungsschreiben, auf welches innerhalb einer festgelegten Frist – in der Regel sind es zwei Monate – ausführlich zu antworten ist. Das geschah im Januar 2022 und erfolgte neben Deutschland an 23 weitere Mitgliedsstaaten.

Schritt 2: Gelangt die Kommission zu dem Schluss, dass ein Land seinen Verpflichtungen nach dem EU-Recht nicht nachkommt, gibt sie eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab. Dabei handelt es sich um eine förmliche Aufforderung, Übereinstimmung mit dem EU-Recht herzustellen. Ein solches Schreiben schickte die Kommission im Juni an 15 Mitgliedsstaaten und im September 2022 an vier weitere Mitgliedsstaaten.

Schritt 3: Sofern das EU-Land daraufhin immer noch keine Übereinstimmung mit dem EU-Recht herstellt, kann die Kommission den Gerichtshof mit dem Fall befassen. Acht Länder konnten mit ihren Antworten auf die Stellungnahme nicht überzeugen, darunter auch Deutschland.

Unmittelbare Folgen hat die Klage bisher nicht. Sollte der EuGH Deutschland aber verurteilen und die Bundesregierung dann nicht unmittelbar darauf reagieren, könnte die Kommission im nächsten Schritt 4 die Verhängung eines Zwangsgelds gegen Deutschland beantragen.

Vertragsverletzungsverfahren entwickeln nur selten echte politische Brisanz. Deutschland muss nicht wirklich Angst davor haben. Aber peinlich ist es schon – und sehr unbefriedigend für potenzielle Hinweisgeber, die nämlich wirklich Gründe haben, vor den Konsequenzen ihres Handelns Angst zu haben …

Ansprechpartner*innen: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Christian Dessau

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