Das Schufa-Scoring vor dem Europäischen Gerichtshof: Steht eine Revolution in der Kreditvergabe an?

„Stellt die Erstellung eines Wertes, der die Wahrscheinlichkeit beschreibt, dass ein Kredit bedient wird, eine unzulässige automatisierte Entscheidung dar?“ Über diese Frage wird der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Hinblick auf die Scoring-Praxis der Schufa entscheiden.

Die Schufa und ihr Score-Wert

So gut wie jeder Deutsche, der einen Kredit, staatliche Förderungen oder auch nur einen Mietvertrag beanspruchen bzw. abschließen möchte, kommt in der einen oder anderen Form mit dem Angebot der Schufa Holding AG in Kontakt. Diese sammelt wirtschaftsrelevante Daten über Privatpersonen und Unternehmen, um sie an ihre vielfältigen Auftraggeber weiterzugeben.

Die Schufa verspricht, dass ihre Auftraggeber mit diesen Daten ein besseres Bild über die Bonität ihrer Kunden gewinnen und ihr eigenes Risiko präziser einschätzen können. Für eine Bank, die Kredite vergeben möchte, klingt das gut, für diejenigen, die Kredite aufnehmen wollen, kann das Probleme mit sich bringen. Die Frage, ob sie einen Kredit erhalten und wenn ja, wie hoch die Zinsen sein werden, hängt von einem Score-Wert ab, den die Schufa aufgrund der gesammelten Daten ermittelt hat. Damit werden unter Umständen für die Kreditnehmer essenzielle Entscheidungen von den Informationen eines privatwirtschaftlichen Unternehmens – entgegen weitläufiger Meinung ist die Schufa kein staatliches Unternehmen – zumindest mitbeeinflusst.

Die Verweigerung eines Kredits – Geht das auch automatisch?

In dem Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH geht es nun um die Frage, ob der Score-Wert mit der Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) vereinbar ist. Ein wesentlicher Punkt ist dabei, wie maßgeblich der Score-Wert für die Entscheidung ist, ob überhaupt ein Vertrag zustande kommt oder nicht. Die Schufa stellt sich auf den Standpunkt, dass sie selbst keine Entscheidungen trifft, sondern lediglich angeschlossene Unternehmen mit ihren Auskünften und Score-Werten bei deren Entscheidungsfindung unterstützt. Um ihre Argumentation zu stützen, bat die Schufa im Laufe des Verfahrens ihre Geschäftskunden darum, ein Schreiben zu unterzeichnen, in dem diese versichern sollten, dass der Schufa-Score eine Entscheidung über einen Vertragsschluss nicht vorwegnehme. Dieses Schreiben stieß teilweise auf Verwunderung bei den angesprochenen Unternehmen. Diese Verwunderung kommt nicht von ungefähr, da sich die Schufa derzeit gezwungen sieht, einen äußerst kniffligen Spagat hinzulegen. Auf der einen Seite darf der Schufa-Score nicht so bedeutsam sein, dass dessen Zusammenstellung ein unzulässiges Profiling darstellt. Auf der anderen Seite bemisst sich gerade der Wert des Produktes „Schufa-Score“ danach, dass er eine wesentliche Hilfestellung für Unternehmen bedeutet. Wäre dem nicht so, bräuchte es die Schufa nicht. Zumindest muss dann die Frage gestattet sein, warum Unternehmen gutes Geld für ein Produkt ausgeben sollten, das nicht für ihre Entscheidung maßgeblich wäre.

Die Vereinbarkeit mit der Datenschutz-Grundverordnung – Was sagt der Generalanwalt dazu?

Im Rahmen von Vorabentscheidungsverfahren endet die Verhandlung üblicherweise mit den Schlussanträgen des Generalanwalts. Dabei ist es so, dass in den weit überwiegenden Fällen die Richter am EuGH am Ende der Rechtsauffassung des Generalanwalts folgen.

Nach dessen Meinung darf der Schufa-Score nicht maßgeblich sein, wenn Unternehmen über Vertragsbeziehungen entscheiden. Die Frage, ob ein Kredit gewährt wird oder nicht, dürfe demnach nicht durch den Score-Wert vorweggenommen werden. Sollten die EuGH-Richter dieser Ansicht folgen, wäre bei jedem Vertragsschluss zu prüfen, wie schwer der Score-Wert des abgelehnten „Kunden“ bei der Entscheidung gewogen hat. Gerade Branchen, die zu einem wesentlichen Teil die Leistungen der Schufa in Anspruch genommen haben, könnten sich gezwungen sehen, ihre Bewertungspraxis zu ändern und dem Score-Wert der Schufa nur noch wenig oder womöglich keine Bedeutung beizumessen.

Der EuGH wird seine Entscheidung am 7.12.2023 treffen. Egal in welche Richtung diese gehen wird, es ist zu erwarten, dass sie große Wellen schlägt.

Ansprechpartner: Markus Ladenburger, Maximilian Festl-Wietek, Sascha Vogel

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