Elektromobilität – Unterwegs auf einer Schnellstraße ohne Leitplanken?
Die Elektromobilität ist aus juristischer Sicht eine Querschnittsmaterie. Es gibt kein einheitliches Gesetz, das einen Rechtsrahmen für sämtliche Aspekte der Elektromobilität vorgibt. Vielmehr finden sich die anzuwendenden Maßgaben in der allgemeinen Rechtsordnung. Diese wurde für die Elektromobilität zwar zuletzt an einzelnen Punkten angepasst, wie zum Beispiel mit dem Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG). Hierdurch haben Mieter (§ 554 BGB) und Wohnungseigentümer (§§ 20 und 21 WEG) einen gesetzlichen Anspruch auf den Einbau von Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge erhalten. Im Folgenden sollen vier aktuelle Urteile vorgestellt und in den Gesamtkontext der Elektromobilität eingeordnet werden.
Streitpunkt: Ladestation hinter Wohnungsstromzähler
Ein Mieter wollte von § 554 BGB Gebrauch machen und auf eigene Kosten eine Ladestation für ein Hybridfahrzeug von einem Elektroinstallateur errichten lassen. Die Stromversorgung der Ladestation sollte direkt über den Wohnungsstromzähler erfolgen. Der Vermieter erteilte hierzu keine Erlaubnis und verwies den Mieter an seinen Kooperationspartner, der für die Liegenschaft im Ganzen beauftragt ist, Ladestationen für Mieter zur Verfügung zu stellen und zu betreiben. Der Vermieter argumentierte, dass der technische Anschluss einer Ladestation hinter dem Wohnungsstromzähler nicht zugelassen werden kann, da diese Möglichkeit nicht allen Mietern der Liegenschaft offen stehe. An die beiden Hausanschlüsse der Liegenschaft könnten jeweils nur fünf bis zehn Ladestationen angeschlossen werden. Die Liegenschaft verfüge aber insgesamt über 200 Wohneinheiten mit 200 dazugehörigen Tiefgaragenstellplätzen.
Das AG München bestätigte die Argumentation des Vermieters (AG München, Urt. v. 1.9.2021, Az. 416 C 6002/21) und wies die Klage des Mieters auf Erteilung der Erlaubnis ab. In der Urteilsbegründung führte das Gericht zudem aus, dass der Mieter (auch dauerhafte) Mehrkosten, die durch die Beauftragung des Kooperationspartners im Vergleich zur ursprünglich geplanten Selbsterrichtung der Ladestation entstehen, zu tragen hat und nicht vom Vermieter die technische Aufrüstung der Mietsache verlangen kann, damit für ihn die Errichtung einer Ladestation möglichst kostengünstig wird.
Das LG München I hob das erstinstanzliche Urteil in der Berufung auf (LG München I, Urt. v. 23.6.2022, Az. 31 S 12015/21) und legte fest, dass dem klagenden Mieter vorliegend die Erlaubnis nach § 554 BGB zu erteilen ist. Im Einzelnen führt es aus, dass die Verweigerung der Erlaubnis nicht darauf gestützt werden kann, dass rein abstrakt der technische Anschluss der Ladestation hinter dem jeweiligen Wohnungsstromzähler nicht jedem Mieter ermöglicht werden kann. Es ist vielmehr die aktuelle tatsächliche Situation entscheidend und in dieser ist der Anschluss der Ladestation des klagenden Mieters hinter dessen Wohnungsstromzähler möglich. Ferner erklärte das LG München I, dass es nicht als Willkür anzusehen ist, wenn der Vermieter nach dem Prioritätsprinzip vorgeht und erst weitere nachfolgende Mieter an seinen Kooperationspartner verweist.
Streitpunkt: Parkverbot für Elektrofahrzeuge in Tiefgarage
Eine Wohnungseigentümerin, die ihre Wohnung mit zugehörigem Stellplatz an einen Mieter mit Hybrid-Fahrzeug vermietet hatte, beantragte beim AG Wiesbaden, den von der Eigentümerversammlung gefassten Beschluss, das Abstellen von Elektrofahrzeugen in der Tiefgarage bis auf weiteres zu untersagen, für nichtig zu erklären. Er verstoße unter anderem gegen das gesetzgeberische Ziel der Förderung der Elektromobilität.
Das AG Wiesbaden sah ebenfalls einen Verstoß gegen die Ziele der Gesetzgebung und hob den Beschluss auf (AG Wiesbaden, Urt. v. 4.2.2022, Az. 92 C 2541/21). Im Einzelnen begründete es seine Entscheidung damit, dass sich aus § 20 Abs. 2 Nr. 2 WEG, das individuelle Recht eines Wohnungseigentümers (einschließlich dessen Mieters) auf Errichtung von Ladestationen an seinem Stellplatz ergibt. Dieses Recht darf nach Ansicht des AG Wiesbaden nicht durch einen Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft unterlaufen werden. Dementsprechend verstößt der Beschluss gegen das WEG, da ansonsten der Anspruch des Wohnungseigentümers leer laufen würde. Er könnte zwar eine Ladestation errichten, im Ergebnis aber nicht nutzen.
Streitpunkt: Anspruch auf straßenrechtliche Sondernutzungserlaubnis
Ein Grundstückseigentümer, dessen Grundstück über keinen Stellplatz verfügt, beantragte bei der zuständigen Stadt eine Sondernutzungserlaubnis dafür, von seinem Grundstück über den angrenzenden öffentlichen Gehweg ein Kabel zum Laden seines Plug-In-Hybridfahrzeuges legen zu dürfen.
Die zuständige Stadt wies den Antrag auf Sondernutzungserlaubnis ab und führt aus, dass durch das Kabel auch bei Nutzung einer Kabelbrücke auf dem Gehweg Unebenheiten und Stolperfallen entstünden. Dadurch sei der störungsfreie Gebrauch des Gehweges im Sinne der grundlegenden straßenrechtlichen Aspekte Sicherheit und Fluss des Verkehrs nicht mehr gegeben.
Das VG Frankfurt schloss sich der Argumentation der Stadt an und wies die Klage ab (VG Frankfurt, Urt. v. 18.2.2022, Az. 12 K 540/21.F). In diesem Zusammenhang führt es zudem aus, dass der Aspekt des Klimaschutzes im Kontext des Straßenrechts nicht per se dazu führt, dass aus Ermessensentscheidungen – wie hier bei der Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis – gebundene Entscheidungen werden, aus denen ein fester Anspruch für den Bürger entsteht. Dies wäre nur der Fall, wenn sich in der Rechtsgrundlage für die Sondernutzungserlaubnis Anhaltspunkte für die zwingende Berücksichtigung der Klimaschutzes fänden.
In der Gesamtschau ist also festzuhalten, dass viele Rechtsfragen in Bezug auf die Elektromobilität aktuell nicht (abschließend) geklärt sind. Dementsprechend sind Gerichtsurteile für die Rechtsanwender als Orientierungspunkte in den Weiten der Rechtsordnung umso wichtiger.
Ansprechpartner*innen: Dr. Christian de Wyl/Dr. Christian Gemmer/