Aus Fehlern gelernt: John Kerrys Vorschlag zu internationalen Emissionsgutschriften stößt auf Ablehnung

Wie man es dreht und wendet: der Vorschlag, Emissionsreduktionen in einem Entwicklungs- oder Schwellenland auf die Reduktionspflichten im Inland anzurechnen, riecht stets nach Greenwashing. So auch der jüngst von John Kerry vorgeschlagene „Energy Transition Accelerator. Die USA hatten bereits mit dem Inflation Reduction Act (IRA) die Bereitschaft dokumentiert, für Emissionsminderungen massiv Haushaltsmittel bereit zu stellen und auch verstärkt in Wasserstoff zu investieren. Jetzt folgte die Ankündigung, für die eigene Wirtschaft Anreize zu setzen, in Emissionsminderungsprojekte in Drittstaaten zu investieren und die erzielten Emissionseinsparungen für sich selbst zu reklamieren. Der Vorschlag wirkt insofern etwas aus der Zeit gefallen, als bereits auf der COP 26 ein Rechtsrahmen für internationale Marktmechanismen zur Anrechnung von Emissionssenkungen abgesteckt wurde. Dass Staaten damit vornehmlich die eigene Wirtschaft begünstigen können, ist an sich nicht verwerflich und auch unter dem Pariser Übereinkommen nicht verboten, weil es eben internationale Marktmechanismen sind. Doch ist die Diskussion hier bereits auf einem anderen Stand. Denn man hat aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt.

Grundlagen und Schwäche des globalen Kohlenstoffhandels nach Kyoto

Erste Grundlagen für einen globalen Handel mit CO2-Emissionen hatte bereits 1997 Art. 12 des Kyoto-Protokolls gelegt. Dieser Clean Development Mechanism (CDM) beruht auf der Idee, dass Emissionsminderungen in weniger entwickelten Volkswirtschaften kosteneffizienter erzielt werden können als in Industriestaaten. Und weil es für die Erderwärmung gleichgültig ist, wo die Emissionsminderung erfolgt, würde man mit dem günstigsten Minderungspfad den größten Klimanutzen erzielen. Die Funktionsweise des CDM ist denkbar einfach. Industrieländer können ihre Pflicht dadurch erfüllen, dass sie Emissionsminderungen in sog. Schwellen- und Entwicklungsländern erwirken. Diese Emissionsminderung wird durch Gutschriften angerechnet, die das Executive Board des Klimasekretariats der Vereinten Nationen ausstellt. Eine sogenannte Certified Emission Reduction (CER) entspricht einer vermiedenen Tonne CO2-Äquivalent. Diese CER-Gutschriften können gehandelt werden und auch vom Privatsektor erworben werden. Dadurch können sowohl (Industrie-)Länder Emissionsminderungen erwerben und für ihre eigenen Klimaziele nutzen als auch Unternehmen bilanziell klimaneutral werden. Der Umfang der Emissionseinsparung ergibt sich aus einem Vergleich zwischen der Emissionssituation mit dem jeweiligen Projekt oder ohne dieses (z.B. Bau eines Windparks). Wobei das hypothetische Szenario vom Projektierer selbst ermittelt wird, auch wenn es durch das Executive Board genehmigt werden muss. Deutschland hatte für Projekte, bei denen es selbst als Investor- oder Gastgeberstaat fungiert, das Projekt-Mechanismen-Gesetz (ProMechG) geschaffen. Die Gutschriften konnten bis 2020 auch im europäischen Emissionshandel teilweise zur Erfüllung von Abgabepflichten verwendet werden.

So jedenfalls die Theorie. In der Praxis stand der Mechanismus aber vielfach in der Kritik. Tatsächlich war das finanziell angereizte Kreativitätspotenzial vieler Projektträger unterschätzt worden. Diese ließen sich zum Beispiel Projekte kreditieren, die sowieso erfolgt wären oder aber solche, die letztlich noch mehr Umweltschaden angerichtet haben, wie etwa die Aufforstung, die indirekt zu mehr Abholzung geführt hat.

Kritisiert wurde der CDM auch dafür, dass die Projekte vornehmlich in Indien und China verwirklicht wurden, während die tatsächlich unter dem Aspekt des Klimaschutzes kosteneffizientesten Staaten südlich der Sahara gar nicht oder kaum davon profitierten.

Stand nach COP 21 in Paris und nach COP 26 in Glasgow

Da man jedoch weiterhin an einem marktbasierten Ansatz festhalten wollte, beschloss die Staatengemeinschaft auf der Conference of the Parties (COP) in Paris einen neuen Anlauf. In Art. 6 Abs. 4 des Pariser Klimaschutzabkommens wurden die Grundlagen gelegt, die auf der COP 26 in Glasgow inhaltlich ausgestaltet wurden. Ausgehend von den Lehren des Clean Development Mechanism wurden strengere Maßgaben festgelegt, um Doppelzählungen zu vermeiden. Zudem dürfen an dem Mechanismus nur solche Länder teilnehmen, die ihren nationalen Klimaschutzbeitrag (National Determined Contribution (NDC)) konkretisiert haben, sodass sie Projekte verweigern werden, die im Ergebnis zu höheren Emissionen führen könnten.

Wie geht es weiter?

Die weitere Ausgestaltung des Mechanismus, insbesondere die Frage, wie mit den Projekten umzugehen ist, die noch unter dem Kyoto-CDM verwirklicht wurden, ist Gegenstand von Diskussionen auf der COP 27. Dass der Vorschlag der Amerikaner aber auf breite Ablehnung gestoßen ist, zeigt, dass man lieber weiter gemeinsam an Detailfragen zur Neugestaltung des Clean Development Mechanism arbeitet als die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen.

Ansprechpartner*innen: Dr. Tigran Heymann/Carsten Telschow/Vera Grebe

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