Die CO2-Bepreisung für die Abfallwirtschaft kommt

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Das Ende 2020 verabschiedete Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) unterwirft verschiedene Brennstoffe – darunter seit dem 1.1.2021 u.a. Benzin, Erdgas und Heizöl – der CO2-Bepreisung. Ab dem 1.1.2023 ist grundsätzlich über alle in Anlage 1 des BEHG aufgeführten Brennstoffe zu berichten und sind dementsprechend Emissionszertifikate abzugeben, was auch Abfälle umfasst. Bereits seit langem wird diskutiert, ob es abfall- und klimapolitisch richtig ist, ab diesem Zeitpunkt den CO2-Preis unter dem BEHG tatsächlich auch auf die Abfallverbrennung zu veranschlagen. Das jedenfalls sieht bislang das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) so, trotz aller Vorbehalte aus der Abfallwirtschaft. Aus Anlass einer Studie über mögliche Auswirkungen eines solchen Schritts wurde der Streit aber erneut angefacht.

Folgenabschätzung einer CO2-Bepreisung für die Abfallwirtschaft

Bei der Verabschiedung des BEHG Ende 2020 hatte der Bundestag in einem Entschließungsantrag die Bundesregierung aufgefordert, die Folgen einer Erstreckung der CO2-Bepreisung auf die Abfallwirtschaft zu untersuchen. Konkret wurde von der Bundesregierung gefordert, „für den Bereich der kommunalen und privatwirtschaftlichen Abfallverbrennung zunächst mögliche Auswirkungen auf Abfallverbringungen ins Ausland zu untersuchen und im Rahmen der BEHG-Evaluierung im Jahr 2022 in Abstimmung mit den betroffenen Verbänden und Unternehmen sachgerechte Durchführungsregelungen […] festzulegen sowie auf Grundlage der Evaluierung im Jahr 2022 ggf. eine Verschiebung des Beginns der CO2-Bepreisung für den Abfallbereich auf das Jahr 2024 zu prüfen.“

Auf dieser Grundlage wurde nun unlängst die hierzu im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) verfasste Studie veröffentlicht.

Was sind die Ergebnisse der Studie zu den Auswirkungen des nationalen Brennstoffemissionshandels auf die Abfallwirtschaft?

Entsprechend dem legislativen Auftrag wurde in der Studie untersucht, wie sich eine CO2-Bepreisung auf Kosten und Gebühren sowie auf die Abfallverbringung ins Ausland auswirken würde. Zudem wurden mögliche regulatorische Ausgestaltungen des BEHG begutachtet.

Auswirkungen auf Kosten und Gebühren

Die Studie hat ergeben, dass die Netto-Kosten für den Siedlungsabfall um 9,75 Euro pro Tonne Abfall im Jahr 2023 und bis auf 18 Euro pro Tonne Abfall im Jahr 2026 steigen würden, wenn eine CO2-Bepreisung für die Abfallverbrennung eingeführt würde.

Die CO2-Bepreisung würde sich demnach auch auf die Gebühren für Haushalte auswirken. Bei durchschnittlichen Gebühren würden sich diese dadurch in den Szenarien bei einem mittleren Abfallaufkommen und einem CO2-Preis von 65 Euro/t CO2 rechnerisch um mindestens 3 bis 8 Prozent erhöhen. Im Einzelfall könnten sich geringere und auch deutlich höhere Gebührenerhöhungen ergeben.

Auch weitere gebührenrelevante Stoffströme, soweit sie fossile C-Anteile enthalten und energetisch verwertet werden, wären von einer Kostensteigerung betroffen. Daher seien die Angaben bezüglich der Steigerung als Mindestwerte zu verstehen. Zudem würden weitere Kosten entstehen, die im Rahmen der Studie noch nicht berücksichtigt wurden (z.B. Monitoring, Abfallanalysen etc.).

Mit Erhöhung der Kosten für die Zertifikate würden dementsprechend auch die Kosten und Gebühren steigen.

Auswirkungen der CO2-Bepreisung auf die Abfallverbringung ins Ausland

Grundsätzlich unterliegen Abfallexporte den rechtlichen Regelungen der EU-Abfallverordnung (VO EG 1013/2006) und des bundesrechtlichen Abfallverbringungsgesetzes (AbfVerbrG). Jedoch könnten nach den Erkenntnissen der Studie Lücken für Scheinverwertungen genutzt werden, da aufbereitete Abfälle nicht explizit in die EU-Abfallverordnung zu Verbrennung wie auch zur Deponierung aufgenommen wurden.

Auch illegale Abfallverbringungen seien laut Studie nicht auszuschließen. Um dem entgegenzutreten, werden jedoch Maßnahmen zur Stärkung des Vollzugs diskutiert und teilweise schon umgesetzt.

Weiterhin sei bei den Auswirkungen auf die Abfallverbringung ins Ausland zu beachten, dass Lieferverpflichtungen zur Bereitstellung von Energie in Form von Strom, Dampf und Fernwärme bestünden. Zum kontinuierlichen Betreiben dieser Anlagen würden die Abfälle benötigt und könnten diese nicht ins Ausland verlagert werden. Auch die Transportkapazitäten und die steigenden Transportkosten könnten die Abfallverbringung ins Ausland zumindest reduzieren.

Regulatorische Ausgestaltung des BEHG

Grundsätzlich ist nach dem BEHG der „Inverkehrbringer“ der Brennstoffe verantwortlich. Die Studie schlägt hierzu vor, die Anlieferer des Abfalls oder den Anlagenbetreiber als Verantwortlichen zu qualifizieren. Bei der Option „Anlagenbetreiber“ bestehe die Notwendigkeit einer Anpassung des BEHG sowie eine gewisse Abweichung zum sonstigen Ansatz des BEHG, indem für die Entstehung der Berichtspflicht auf die Verwendung des Brennstoffs anstelle des Inverkehrbringens des Brennstoffs abgestellt wird. Diese Herangehensweise entspreche den Grundsätzen des europäischen Emissionshandelssystems.

Des Weiteren müssten auch der Anwendungsbereich und etwaige Ausnahmen noch genau definiert werden. Die Studie empfiehlt, sich dabei an den Konzepten des Immissionsschutzrechts zu orientieren.

Zudem müssten die verschiedenen Möglichkeiten betrachtet werden, CO2-Emissionen zu ermitteln. Die Studie unterscheidet bei ihrer Darlegung zwischen Ansätzen, die auf Messungen oder Berechnungen beruhen. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass beide Methoden eine emissionsspezifische abfallstrombezogene Kostenermittlung und entsprechende Gebührenumlegung erlauben.

Stellungnahmen zum Brennstoffemissionshandel für die Abfallwirtschaft

Die vom BMWK befürwortete CO2-Bepreisung für die Abfallverbrennung und die Ergebnisse der Studie sorgen erwartungsgemäß für kontroverse Meinungen.

Der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e.V. (BDE), die Deutsche Gesellschaft für Abfallwirtschaft e.V. (DGAW), die ITAD – Interessengemeinschaft der Thermischen Abfallbehandlungsanlagen in Deutschland e.V. und der Verband kommunaler Unternehmen e.V. (VKU) haben Anfang Mai eine gemeinsame Erklärung an Bundesumweltministerin Lemke und Bundwirtschaftsminister Habeck adressiert. Demnach stifte der Brennstoffemissionshandel für die Abfallwirtschaft mehr Schaden als Nutzen. Die Einbeziehung der Müllverbrennung sei nicht auf nationaler, sondern auf europäischer Ebene umzusetzen. Ein nationaler Alleingang könne dazu führen, dass mehr Abfall auf den viel klimaschädlichen Deponien oder in der Scheinverwertung lande.

Demgegenüber befürwortet der Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung e.V. (bvse) in einer Pressemitteilung die Aufnahme der Abfallverbrennung in den Geltungsbereich des BEHG. Dies könne zu einer Steigerung des Recyclings und einer höherwertigen energetischen Verwertung beitragen. Zudem würde eine Bepreisung wieder gleiche wettbewerbspolitische Rahmenbedingungen herstellen, da die klassische Abfallverbrennung gegenüber der Verbrennung von Ersatzstoffen, beispielsweise in Zementwerken, aktuell bevorzugt sei.

Wie geht es weiter?

Mit der Studie sind die empirischen Grundlagen vorhanden, die Folgen einer CO2-Bepreisung auf die Abfallverbrennung zu beurteilen. Jetzt ist der Streit über die Deutungshoheit ausgebrochen. Letztendlich müssen nun die Bundesregierung und der Gesetzgeber entscheiden, ob überhaupt bzw. wann die Abfallverbrennung in das BEHG sinnvollerweise einbezogen werden soll. Lange Zeit dafür bleibt nicht mehr. Bereits zum Jahreswechsel in knapp sieben Monaten würde der CO2-Preis auch in diesem Bereich greifen und zu Kostensteigerungen führen. Wie die Politik damit angesichts der zuletzt unter den geopolitischen Entwicklungen ohnehin stark gestiegenen Belastung von Haushalten umgeht, bleibt abzuwarten.

Ansprechpartner*innen: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Tigran Heymann/Carsten Telschow/Jonas Finkbeiner

PS: Die Auswirkungen der CO2-Bepreisung für die Abfallverbrennung sowie etwaige gesetzliche Anpassungen werden auch auf der diesjährigen Weltleitmesse für Wasser-, Abwasser-, Abfall- und Rohstoffwirtschaft (IFAT) in München vom 30.5 bis 3.6 auf der Agenda von vielen Teilnehmer*innen stehen. BBH wird über die gesamte Zeit der Messe mit einem eigenen Stand vertreten sein. Wir freuen uns auf Ihren Besuch in Halle B2. Stand 118!

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