Interesse am Klimaschutz: Carbon Contracts for Difference

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Nicht erst seit dem Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts ist klar, dass der breiten Diskussion um Klimaschutz Taten folgen müssen, um nachfolgenden Generationen einen (über)lebensfähigen Planeten zu überlassen. Der  Koalitionsvertrag der Regierungsparteien enthält ein eigenes Kapitel zum Klimaschutz und nennt als eine der Maßnahmen die Implementierung sog. Carbon Contracts for Difference (CCfD). Unter Federführung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) unternimmt die Bundesregierung nun erste Schritte zur Einführung solcher Klimaschutzverträge: Am 4.5.2022 hat es ein Interessenbekundungsverfahren initiiert, das noch bis zum 25.5.2022 läuft.

Was sind Carbon Contracts for Difference?

Um die Emissionsminderungsziele unter dem Pariser Klimaabkommen zu erreichen, müssen unter anderem bei der emissions- und energieintensiven Grundstoffindustrie (Stahl, Chemie und Zement) Anreize für den Einsatz neuer, klimaneutraler Technologien gesetzt und Angebote für noch zu schaffende „grüne Leitmärkte“ für grün hergestellte Grundstoffe kreiert werden. Weil sich die Einführung eines CO2-Grenzausgleichsmechanismus für den europäischen Binnenmarkt weiter hinzieht, sieht die Bundesregierung in Carbon Contracts for Difference, sog. Klimaschutzverträgen, eine Möglichkeit, Lücken im klimaschutzpolitischen Instrumentenmix zu schließen.

Klimaschutzverträge haben ihren Ursprung in der Finanzwelt. Sie tragen dem Umstand Rechnung, dass Unternehmen nur dann in neue Technologien investieren, wenn die Betriebskosten – sog. Opex (operational expenditure) – der neuen Technologie gleich oder nicht wesentlich höher sind als die Betriebskosten der vorhandenen, „konventionellen“ Technologie (sog. Referenztechnologie). Hier setzen Carbon Contracts for Difference an: Sie kompensieren die Mehrkosten für den Betrieb einer innovativen, emissionsarmen Technologie und verschaffen Unternehmen so Planungssicherheit bei der Umstellung ihrer Produktion. Hierfür wird ein fester CO2-Vertragspreis vereinbart, der sich nach der CO2-Einsparung richtet, welche die eingesetzte Technologie bewirken soll. Der demnach zu zahlende Förderbetrag ist die Differenz zwischen dem CO2-Vertragspreis und dem effektiven CO2-Preis. Letzterer ergibt sich aus dem CO2-Preis des Europäischen Emissionshandels (EU-ETS) und der CO2-Kostenersparnis aus der kostenlosen Zuteilung von Emissionszertifikaten. Da der effektive CO2-Preis den jeweiligen CO2-Preis des EU-ETS beinhaltet, kann es im Zeitverlauf der Förderung vorkommen, dass die Differenz negativ ausfällt. In diesen Fällen ist die Förderung an den Staat zurückzuzahlen, da keine förderwürdige Kostenmehrbelastung mehr besteht.

Für wen sind Carbon Contracts for Difference gedacht?

Klimaschutzverträge sollen insbesondere für in Deutschland niedergelassene Industrieunternehmen aus der Stahl-, Chemie-, Kalk- und Ammoniakbranche zugänglich sein, die dem EU-ETS unterfallen und eine direkte Emissionsintensität von 1 kg CO2/Euro Bruttowertschöpfung aufweisen. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass Pilotprojekte aus anderen besonders energieintensiven Sektoren gefördert werden, sofern sie hohe und kosteneffiziente Emissionsminderungen erbringen. Das BMWK verfolgt dabei grundsätzlich einen technologieoffenen Ansatz. Wichtig ist, dass die Investition zum nationalen Ziel der Treibhausgasneutralität bis zum Jahr 2045 beiträgt.

Die Vergabe von Klimaschutzverträgen soll über ein Ausschreibungsverfahren erfolgen. Bei der Vergabeentscheidung wird es darauf ankommen, dass die neue Technologie im Vergleich zur Referenztechnologie zu einer Emissionsreduktion von möglichst über 50 Prozent führt. Grundsätzlich sollen auch Brückentechnologien gefördert werden, wie etwa der Einsatz von Erdgas und Wasserstoff in Direktreduktions- oder Ammoniakanlagen. Auch Projekte zur Abscheidung, Speicherung und Nutzung von CO2 sowie zur stärkeren Nutzung von grünem Wasserstoff sollen gefördert werden.

Aus welchen „Töpfen“ die Differenzverträge finanziert werden sollen, ist der Bekanntmachung nicht zu entnehmen. Denkbar ist aber eine Finanzierung aus dem Energie- und Klimafonds oder dem Innovationsfonds der EU, der nach den Reformplänen der EU-Kommission zum EU-ETS im Rahmen des „Fit for 55“-Pakets (wir berichteten) ebenfalls die Förderung von Differenzverträgen vorsieht.

Wie geht es weiter mit den Klimaschutzverträgen?

Das BMWK möchte noch in diesem Jahr Carbon Contracts for Difference einführen. In dem Interessenbekundungsverfahren, das noch bis 25.5.2022 läuft, möchte das Ministerium mithilfe der eingehenden Projektdarstellungen seine Annahmen plausibilisieren, bevor es auf dieser Grundlage über die endgültige Ausgestaltung der CCfD und des Förderverfahrens entscheidet. Nach Angaben des BMWK hat die Beteiligung am Interessenbekundungsverfahren aber nur informatorischen Charakter und ist nicht als Teilnahme am etwaigen Förderungsverfahren zu verstehen.

Die anstehende Einführung von Klimaschutzverträgen ist ein wichtiger Schritt, aber sicherlich nicht das Ende der notwendigen politischen Bemühungen, Klimaschutz in der deutschen Industrie umzusetzen. Vielmehr besteht angesichts der immensen Aufgaben auf dem Weg zu einer treibhausgasneutralen (Industrie)Gesellschaft weiterer Taten- und Förderbedarf. Auch andere als die für Klimaschutzverträge infrage kommenden Industrien, bei denen grün erzeugte Einsatzstoffe fossil erzeugte ersetzen sollen, haben das Potenzial zur Treibhausgasminderung – man denke nur an die Nichteisenmetallbranche, die für einen beachtlichen Teil des Strombedarfs in Deutschland steht. Es gilt, auch hier auf angemessene Rahmen-, Wettbewerbs- und Förderbedingungen hinzuwirken, um die Industrien für die notwendige Transformation in ein grünes Zeitalter zu ertüchtigen und nicht auf dem Weg dorthin zu verlieren.

Ansprechpartner*innen: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Tigran Heymann/Carsten Telschow/Vera Grebe

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