Intelligente Netze – intelligent geplant?!

(c) BBH
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Nimmt man den Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD ernst, will der Gesetzgeber bereits in diesem Jahr verlässliche Rahmenbedingungen für den Ausbau intelligenter Netze schaffen. Wünschenswert wäre es. Solange die Netzinfrastruktur bleibt, wie sie ist, kann der weitere Ausbau der Erneuerbaren Energien kaum gelingen. Dezentrale Erzeugungsanlagen stellen den bislang üblichen Lastfluss von „oben nach unten“ auf den Kopf und die schwankende Erzeugung führt zu kurzfristigen Spannungsüberhöhungen oder
-einbrüchen.

Dabei ist der Gesetzgeber jedoch gut beraten, den Verteilnetzbetreibern beim Aufbau eines intelligenten Last- und Erzeugungsmanagements eine aktivere Rolle zukommen zu lassen und diese schon frühzeitig mit einzubinden. Denn schließlich spielen sich im Stromnetz der Verteilernetzbetreiber die wesentlichen Herausforderungen ab, die bei der Energiewende bewältigt werden müssen. Auf der einen Seite speisen Blockheizkraftwerke, dezentrale Solaranlagen oder Windparks Energie in die Verteilnetzebene ein, so dass der Anteil des Stroms, der in Großkraftwerken erzeugt und damit in Höchstspannung eingespeist wird, stetig sinkt. Dies gilt zumindest dann, wenn der Wind weht und die Sonne scheint. Tatsächlich werden über 97 Prozent des aus Erneuerbaren-Energien-Anlagen erzeugten Stroms in der Verteilnetzebene eingespeist. Auf der anderen Seite versorgt die Verteilernetzebene Haushalte und Industrie mit Energie, deren Abnahmeverhalten sie aufgrund der steigenden Eigenversorgung immer schwieriger prognostizieren können.

Zwar kommt ein Großteil der Verantwortung zur Wahrung der Systemsicherheit nach § 12 ff. EnWG den Übertragungsnetzbetreibern (ÜNB) zu. So haben die ÜNB, wenn die Netzsicherheit oder die Netzzuverlässigkeit gefährdet oder gestört ist, bestimmte Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Diese Regelung gilt jedoch nach § 14 EnWG ebenfalls für die Weiterverteiler, soweit sie für die Sicherheit und Zuverlässigkeit in ihrem Netz verantwortlich sind. Das damit verbundene Potential liegt noch brach, der Blick geht eigentlich immer zuerst zur ÜNB-Ebene. Typisches Beispiel ist das Festlegungsverfahren der Bundesnetzagentur (BNetzA), mit dem Mitte Oktober letzten Jahres die Grundlagen gelegt werden soll, einen einheitlichen Informations- und Datenaustausch zwischen ÜNB und großen Kraftwerken und Speichern zu schaffen. So richtig und wichtig Regelungen zum Datenaustausch zwischen den ÜNB und großen Kraftwerken ist, ist es gleichwohl unerlässlich, die Verteilernetzbetreiber in diesen Informationsaustausch ebenfalls mit einzubinden. Anderenfalls können diese ihren ebenfalls erforderlichen Beitrag zur Wahrung der Netzsicherheit nicht erbringen. Nur wer alle Informationen besitzt, die nötig sind, um die Versorgungssicherheit in dem jeweiligen Verantwortungsbereich zu gewährleisten, kann auch im Fall von lokalen Gefährdungen oder Störungen auf vorhandene Flexibilitäten zugreifen.

Die Möglichkeiten, Verteilnetze intelligent zu steuern, sind vielfältig: Über blindleistungsfähige Wechselrichter, intelligente Ortsnetzstationen und dezentralen Netzleittechniken zur Steuerung der Netze, sind bis zum Einsatz von Wärmepumpen-Anlagen zur Speicherung lokaler Einspeise-Überschüsse verschiedene Maßnahmen denkbar.

Wie gesagt: Damit diese Steuerungsmaßnahmen auch effektiv sind, müssen die Verteilernetzbetreiber über eine ausreichende Informationsbasis verfügen. Es bleibt abzuwarten, ob der dringende Handlungsbedarf vom Gesetzgeber erkannt und umgesetzt wird.

Ansprechpartner: Dr. Jost Eder/Jan-Hendrik vom Wege/Dr. Christian Dessau

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