Jetzt auch in NRW: Genehmigung individueller Netzentgelte rückwirkend zum Jahresbeginn

Bislang war es in Nordrhein-Westfalen Usus, dass für  Stromverbraucher, die wegen atypischer Netznutzung individuelle Netzentgelte mit dem Netzbetreiber vereinbarten, diese Entgelte erst ab dem Zeitpunkt der Antragstellung galten. Die Landesregulierungsbehörde lehnte es ab, die günstigeren individuellen Entgelte rückwirkend ab dem 1.1. des laufenden Jahres der Antragstellung zu genehmigen. Diese Genehmigungspraxis hat das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf mit Beschluss vom 18.7.2012 nunmehr zurückgewiesen (Az. VI-3 Kart 111/11 (V)). Sind die Voraussetzungen für die Genehmigung eines individuellen Netzentgelts nach § 19 Abs. 2 Satz 1 StromNEV für das gesamte Kalenderjahr erfüllt, so ist demnach die Genehmigung auf Antrag rückwirkend für das gesamte Kalenderjahr zu erteilen.

Die Argumentation des Gerichts

Die Voraussetzungen für individuelle Netzentgelte nach § 19 Abs. 2 Satz 1 StromNEV beziehen sich auf das gesamte Kalenderjahr. Die Behörde, so das OLG Düsseldorf, könne daher ohne Weiteres prüfen, ob die Voraussetzungen auch in dem Zeitraum vor der Antragstellung erfüllt waren. Genauso hatte das Thüringer OLG bereits mit einem im einstweiligen Rechtsschutz ergangenen Beschluss vom 23.4.2012, dort in Bezug auf eine Netzentgeltbefreiung nach § 19 Abs. 2 Satz 2 StromNEV, entschieden (Az. 2 Kart 1/12). Dagegen spreche auch nicht, dass der Letztverbraucher die Genehmigung selbständig beantragt. Denn diese setze voraus, dass  Letztverbraucher und Netzbetreiber sich auf ein individuelles Netzentgelt einigen. Wenn es dabei Streit gibt, könne dies die Antragstellung hinauszögern; und damit nach der bisherigen Praxis der Landesregulierungsbehörde auch die Reduzierung des Netzentgelts. Für diese Folge einer möglicherweise unverschuldet verzögerten Antragstellung sieht das OLG Düsseldorf keine gesetzliche Grundlage.

Übertragbar auf Entgeltbefreiung nach § 19 Abs. 2 Satz 2 StromNEV?

Die Entscheidung des OLG Düsseldorf befasst sich ausschließlich mit der rückwirkenden Genehmigung individueller Netzentgeltvereinbarungen nach § 19 Abs. 2 Satz 1 StromNEV. Nicht Gegenstand der richterlichen Prüfung waren somit Genehmigungen von Netzentgeltbefreiungen nach § 19 Abs. 2 Satz 2 StromNEV. Ab 2012 dürfte die Entscheidung wohl auf diese Fälle übertragbar sein. Für das Jahr 2011 ist die Rechtslage hingegen offen. Da die vollumfängliche Netzentgeltbefreiung erst mit der zum 4.8.2011 in Kraft getretenen Änderung der StromNEV eingeführt wurde, ist noch ungeklärt, ob eine Befreiung für das gesamte Jahr 2011 zulässig ist. Zwar ist die Bundesnetzagentur (BNetzA) in ihrem aktuellen Leitfaden zu § 19 Abs. 2 StromNEV der Ansicht, eine Genehmigung sei für das gesamte Jahr 2011 möglich. Eine gerichtliche Klärung steht aber noch aus.

Ansprechpartner: Dr. Thies Christian Hartmann

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