Kooperation statt Überbau, Fördermittel und Mitverlegung: Sind die Weichen für den flächendeckenden Glasfaserausbau gestellt?

Der Glasfaserausbau in Deutschland schreitet voran, maßgeblich beteiligt: kommunale Telekommunikationsunternehmen, Landkreise, Kommunen und Stadtwerke. Sei es über Kooperationen, durch eigenwirtschaftlichen Ausbau oder mithilfe von Fördermitteln – Investitionen gibt es vielerorts. Auch wenn es zuletzt erste Insolvenzen am Markt gab, der Trend Gigabit-Infrastrukturausbau geht weiter. Auf den diesjährigen Fiberdays in Wiesbaden, einem der größten Branchentreffs, wurden mehrere Themen heiß diskutiert.

Braucht Deutschland ein gesetzliches Überbauverbot?

In den letzten Monaten wurden einige Fälle bekannt, bei denen eigenwirtschaftlich ausgebaute oder bereits verbindlich geplante Glasfasernetze durch Wettbewerber überbaut wurden oder werden sollen. Dies führt, insbesondere bei kleineren Telekommunikationsunternehmen, zu Verunsicherung bis hin zur vorzeitigen Beendigung der Erschließung von vermeintlich vielversprechenden Clustern. Hier sind oftmals schon erhebliche Investitionen und Versprechen gegenüber der Bürgerschaft getätigt worden. Dass darin ein großes Problem gesehen werden kann, zeigt die Reaktion der CSU-Fraktion im Bundestag, die eine gesetzliche Beschränkung des Glasfaser-Überbaus durch Novellierung des Telekommunikationsgesetzes (TKG) forderte.

Auf den Fiberdays positionierten sich einige regionale Telekommunikationsunternehmen geschlossen gegen einen Eingriff durch den Gesetzgeber. Stattdessen seien Kooperationen das Mittel, um einen Überbau in der Praxis zu vermeiden. Das ist jedenfalls dort richtig, wo Ausbauprojekte bereits in Gang gesetzt sind. Für kleinere Ausbauvorhaben könnte der Überbau aber ein Sargnagel sein.

Es dürfte nicht unumstritten sein, ob ein gesetzliches Überbauverbot nicht ohnehin schon erheblichen systematischen und verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet. Ziel der bisherigen Gesetzgebung ist gem. § 1 TKG die Förderung eines sektorspezifischen Wettbewerbs auf allen Wertschöpfungsstufen. Zudem enthalten die Regelungen des sog. DigiNetzG bereits einen partiellen Überbauschutz, so etwa § 141 Abs. 2 TKG, der bei einem Leerrohr-Mitnutzungsantrag bei vorhandenen tragfähigen Alternativen (Bitstrom oder Dark-Fiber) einen Ablehnungsgrund regelt; oder § 143 Abs. 4 Nr. 3 TKG, der eine Baukoordinierung bei geförderten Netzen unterbindet.

Daneben gibt es auch verfassungsrechtliche Bedenken, da ein Überbauverbot regelmäßig einen erheblichen Eingriff in die von Art. 12 Abs. 1 S. 1 Var. 1, S. 2 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit der Telekommunikationsunternehmen darstellen wird. Inwieweit ein solcher Eingriff verfassungsrechtlich gerechtfertigt wäre, müsste jedenfalls gut begründet werden. Der Umstand, dass die Möglichkeit zum Überbau auf der Infrastrukturebene zu mehr Wettbewerb führt und gleichzeitig den Marktakteuren in dieser Hinsicht ihre Handlungsfreiheit bewahrt, ist aus Sicht der Aufsichtsbehörden jedenfalls derzeit kaum von der Hand zu weisen. Im Ergebnis spricht also wenig dafür, dass der Gesetzgeber tatsächlich gegen den Überbau durchgreifen kann.

Die zunehmende Bedeutung von Kooperationsmodellen

Umso interessanter und wichtiger erscheint deswegen die Ausgestaltung von Kooperationsmodellen. Hierbei stehen sich regelmäßig reine Ausbaukooperationen, Netzbetriebskooperationen oder Bitstrom-Verträge gegenüber. Bislang gibt es aber noch kein „Schema F“: Die meisten Kooperationen sind wegen lokal unterschiedlicher Marktbedingungen häufig individuell zu verhandeln, wenngleich sich viele Themen wiederholen. Größtes Thema ist, welche Preise tatsächlich für Zugänge verlangt werden können. Für Bitstromprodukte wurden auf den Fiberdays Preise um die 25 Euro als marktüblich genannt. Ob die Preise aber tatsächlich realistisch sind und nicht ggf. sogar dazu führen, dass eigene Ausbauprojekte „kannibalisiert werden“ ist stets Frage des Einzelfalls.

Freilich gilt es im Rahmen des eigenwirtschaftlichen Ausbaus, weiterhin den „First-Mover-Vorteil“ zu nutzen. Jedoch sollte stets mittelfristig ein Kooperationsmodell und langfristig ein diskriminierungsfreier offener Netzzugang mitgedacht werden.

Es bleibt zudem auf der Wholesale-Ebene zu beobachten, ob sich ein Standard am Markt, wie bei den Kupferprodukten der Telekom entwickeln wird. Dies gilt sowohl für die technische als auch für die preisliche Umsetzung. Im Rahmen des geförderten Glasfaserausbaus, bei dem gemäß der Rechtsgrundlage der Förderprogramme Wettbewerbern ein diskriminierungsfreier Zugang (Open Access) gewährt werden muss, dürfte die Frage der Standardisierung des diskriminierungsfreien Zugangs ebenfalls eine wichtige Rolle einnehmen. Das Ergebnis könnte dann für die Öffnung der eigenwirtschaftlich ausgebauten Netze zumindest relevant sein.

Die neue Gigabit-Förderrichtlinie 2.0

In diesem Zusammenhang wurde am 3. April die neue Förderrichtlinie des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) veröffentlicht, nachdem die Fördermittel für den Glasfaserausbau im letzten Jahr restlos ausgeschöpft wurden. Unter anderem ist gemäß Nr. 5.4 der Gigabit-RL 2.0 ein Branchendialog vor dem Markterkundungsverfahren durchzuführen und Voraussetzung für die Beantragung eines Infrastrukturprojektes. Das Interesse an dem geförderten Ausbau ist nach wie vor groß und die Enttäuschung aus dem letzten Jahr sitzt tief, weshalb sich das BMDV entschloss, von dieser Regelung zumindest für das Jahr 2023 abzusehen. Im Fokus steht in jedem Falle das Thema „Förderwürdigkeit“. Es gibt feste Kriterien (Nachholbedarf, Synergien, Einwohnerdichte im ländlichen Raum und interkommunale Zusammenarbeit) sowie eine Punktematrix. Anträge mit weniger als 300 (von 500 möglichen) Punkten werden als nicht vorrangig förderwürdig beurteilt. Es wird also abermals eng im Rennen um die Fördermittel.

Neues aus Brüssel: Gigabit Infrastructure Act und Infrastrukturabgabe

Der deutsche Gesetzgeber und die BNetzA halten sich bislang zurück und überlassen es weitestgehend dem Markt, den Glasfaserausbau zu „ordnen“. Neues gibt es aus Brüssel zu berichten, wo der Kommissionsentwurf zum Gigabit Infrastructure Act (dt.: Gigabit-Infrastrukturverordnung) die Kostensenkungsrichtlinie 2014/61/EU (der europarechtlichen Grundlage für das DigiNetzG) ersetzen soll. Für viele Mitgliedstaaten stellt dies eine Schärfung von Mitnutzung und Mitverlegung dar, doch griff der deutsche Gesetzgeber dem bisherigen Entwurf in weiten Teilen bereits vor. Da der Gigabit Infrastructure Act als Verordnung verabschiedet werden soll, wird er unmittelbare Wirkung in den Mitgliedstaaten entfalten, eben um dort, wo die Umsetzung der Kostensenkungsrichtlinie hinkte, einen schnelleren und kostengünstigeren Ausbau zu fördern. Beachtlich ist, dass der bisherige Entwurf von dem technologieneutralen Ansatz des TKG abweicht und sich zumindest bezüglich der Inhouseverkabelung von Neubauten auf die Ausstattung mit Glasfasern festlegt. Aus deutscher Sicht bleibt abzuwarten, ob und inwieweit der Gesetzgeber den Gigabit Infrastructure Act als Anlass für neue Schärfungen des TKG nimmt.

Auch wird in Europa parallel das Thema einer Infrastrukturabgabe für große Digitalunternehmen diskutiert, da diese, ohne selbst den Glasfaserausbau mitzutragen, indirekt erheblich von den größeren Bandbreiten und schnelleren Netzen profitieren (sog. Fair Share). Ob solche Abgaben wesentliche Auswirkungen auf den Glasfaserausbau in Deutschland haben würden, ist offen, da dieser bereits in vollem Gange ist und nicht mit einer zeitnahen Umsetzung einer solchen Abgabe zu rechnen ist. Mittel- bis langfristig bleibt das Thema und dessen rechtliche Ausgestaltung gleichwohl spannend.

Ansprechpartner*innen: Axel Kafka/Julien Wilmes-Horváth/Agnes Eva Müller/Robert Grützner/Marco Metz

PS: Weitere Informationen bekommen Sie regelmäßig in unserer Webinarreihe „Telekommunikation und digitale Netzinfrastrukturen“.

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