Ryanair gegen alle: Erste Bilanz der Klagewelle gegen Beihilfen für Fluggesellschaften im Zuge der Covid-19-Pandemie
Michael O´Leary, Chef der irischen Fluggesellschaft Ryanair, führt einen leidenschaftlichen Kampf gegen staatliche Beihilfen an seine Konkurrenten. Er äußert regelmäßig seine Meinung zu „illegalen Staatshilfen“ und bezeichnete die Lufthansa als „süchtig nach staatlichen Beihilfen“. Ryanair ging in den vergangenen Monaten gegen 16 Staatshilfen der Mitgliedstaaten für pandemiegeplagte Fluggesellschaften in Höhe von ca. 30 Milliarden Euro vor dem Gericht der Europäischen Union (EuG) und in zweiter Instanz vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor. Darunter befinden sich Klagen gegen die Genehmigungen von Beihilfen für die niederländische KLM, die schwedische SAS, die portugiesische TAP, die finnische Finnair und gegen die deutsche Condor.
Rynair greift mit seinen Klagen nicht direkt die nationalen Staatshilfen an, sondern die Genehmigungen der Beihilfen durch die EU-Kommission. Dadurch vermeidet Ryanair einen Zug durch die nationalen Gerichtsinstanzen und versucht auch auf diesem Weg zu erreichen, dass die Genehmigung für nichtig erklärt wird und damit im Endeffekt, dass die Beihilfeempfänger die empfangenen Leistungen zurückzahlen müssen.
Genehmigung der Beihilfen durch die EU-Kommission
Beihilfen im Sinne des Art. 107 Abs. 1 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verfälschen den Wettbewerb und sind grundsätzlich nicht mit dem Binnenmarkt vereinbar. Nicht unter den Beihilfebegriff fallen Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse nach Art. 106 Abs. 2 AEUV und Maßnahmen, die unterhalb einer „Spürbarkeitsschwelle“ (De-minimis-Verordnung) liegen. Bei den von Ryanair angegriffenen Hilfsmaßnahmen handelt es sich aber um klassische Beihilfen.
Eine Beihilfe kann ausnahmsweise mit dem Binnenmarkt vereinbar sein. Die Beihilfen für die nationalen Fluggesellschaften wurden von den Mitgliedstaaten auf Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV (außergewöhnliche Ereignisse) oder Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV (beträchtliche Störung im Wirtschaftsleben) gestützt. Das Vorliegen der Ausnahmetatbestände wird nach Anmeldung der Beihilfen von der EU-Kommission geprüft. Die Kommission kann die Beihilfe genehmigen oder bei Zweifeln an der Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt ein förmliches Prüfverfahren einleiten. Die von Ryanair angegriffenen Beihilfen hat die Kommission gem. Art. 15 und Art. 4 Abs. 3 VO (EU) Nr. 1589/2015 genehmigt, ohne ein förmliches Prüfverfahren einzuleiten, bei dem Ryanair als Wettbewerber hätte angehört werden müssen.
Entscheidungen des EuG und EuGH
Ryanair macht geltend, durch die staatlichen Hilfen der Mitgliedstaaten für deren nationale Fluggesellschaften diskriminiert zu werden.
Ryanairs Klagen wurden bisher größtenteils abgewiesen. Das EuG hält beispielsweise die finnischen Hilfen zur Abwendung einer Pleite von Finnair (67 Prozent aller Fluggäste Finnlands) aufgrund der drohenden beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben für gerechtfertigt sowie erforderlich, geeignet und angemessen. Ebenso urteilte das EuG im Fall des spanischen Sozialfonds, der unter anderem die Fluggesellschaft Iberia unterstützt. Das EuG und dann auch der EuGH sahen die Hilfen für die französische Air France und die schwedische SAS als angemessen an, um den wirtschaftlichen Schaden, den die Pandemie verursacht hat, auszugleichen.
Bei den Klagen gegen die portugiesische TAP und die deutsche Condor hatte Ryanair jedoch zunächst Erfolg. Das EuG gab den Klagen aufgrund mangelnder Begründung der Genehmigungen durch die Kommission statt. In Sachen Condor fehlte dem Gericht die Begründung, dass die Beihilfe tatsächlich nur Schäden durch die Covid-19-Pandemie ausgleichen sollte. Condor befand sich schon zuvor in finanziellen Schwierigkeiten. Bei der portugiesischen TAP fehlte dem Gericht der Nachweis, dass die pandemiebedingten Schwierigkeiten die TAP selbst und nicht nur ihre Unternehmensgruppe betreffen.
Ausblick
In den von Ryanair auf den ersten Blick gewonnenen Verfahren, wird die EU-Kommission ihre Genehmigung mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer rechtssicheren Begründung ausstatten. Dass die Ausnahmetatbestände des Art. 107 AEUV vor dem Hintergrund der Covid-19-Pandemie erfüllt sein können, haben das EuG und der EuGH bereits klargestellt. Es kommt daher auf die konkrete Umsetzung und Begründung der Beihilfen durch die Mitgliedstaaten und die darauf aufbauende Begründung der Genehmigung durch die EU-Kommission an.
Die rechtssichere Gestaltung macht den Unterschied. Dies gilt für Beihilferegelungen der Staaten, für die Genehmigung der EU-Kommission und auch für Maßnahmen der Länder und der Kommunen, die oft mit einem rechtssicher gestalteten Betrauungsakt den Beihilfetatbestand von vornherein vermeiden können.
Ansprechpartner*innen: Oliver Eifertinger/Dr. Dörte Fouquet/Dr. Sascha Michaels