Steuerstrafverfahren vermeiden mit Tax Compliance: Gesetzgeber macht Dampf

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Die Bedeutung von Tax Compliance Management Systemen (Tax CMS) nimmt stetig zu – nicht nur bei der Vermeidung von Steuerstrafverfahren, sondern auch bei der Beschleunigung der steuerlichen Betriebsprüfung in den Unternehmen. Nun findet es auch Eingang in die Steuergesetzgebung.

Tax CMS zur Vermeidung von Steuerstrafverfahren

Erstmals fiel der Begriff Tax Compliance Management System im Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 23.5.2016 zu § 153 AO. In § 153 AO geht es um die nachträgliche Korrektur von Steuererklärungen, die nur dann straffrei möglich ist, wenn der zu korrigierende Fehler weder vorsätzlich noch grob fahrlässig herbeigeführt worden ist. Der Vorteil eines Tax CMS besteht nach den Ausführungen im BMF–Schreiben darin, dass ein Tax CMS ein Indiz gegen vorsätzliche oder grob fahrlässige Herbeiführung des Fehlers ist. Anders ausgedrückt: Mit einem Tax CMS vermeidet der Steuerpflichtige, dass aus einem Fehler in der Steuererklärung ein Steuerstrafverfahren wird.

Pilot in Bayern: Tax CMS zur Beschleunigung der steuerlichen Betriebsprüfung

Anfang des Jahres 2022 ließ eine Pressemitteilung des Bayrischen Finanzministeriums aufhorchen, wonach Steuerkontrollsysteme künftig vertieft in die steuerliche Prüfung einbezogen werden sollen. Es soll der Umstand genutzt werden, dass Unternehmen dabei sind, interne Steuerkontrollsysteme aufzubauen, um sicherzustellen, dass steuerliche Pflichten im Unternehmen eingehalten werden. Mit den gewonnenen Erkenntnissen sollen Prüfungsmethoden der Finanzverwaltung weiterentwickelt werden, um Steuerprüfungen zukünftig effizienter und schneller zu machen. Es soll die Grundlage dafür gelegt werden, die unternehmensinternen Steuerkontrollsysteme zukünftig rechtssicher in Außenprüfungen einbeziehen zu können. Die Finanzverwaltung in Bayern hat ein entsprechendes Pilotprojekt aufgesetzt.

Und jetzt neu: Tax CMS wird in der Steuergesetzgebung verankert

Jetzt geht das Tax CMS erstmals in die Gesetzgebung ein: Der § 38 EGAO-E ist Teil des Gesetzgebungsverfahrens, in dem sich die Finanzverwaltung die Modernisierung der Außenprüfung auf die Fahnen geschrieben hat (BR-Drs. 409/22 (Beschluss) v. 7.10.2022). Das Gesetz wird voraussichtlich bis zum Ende dieses Jahres verabschiedet werden.

Der Titel von § 38 EGAO-E lautet „Erprobung alternativer Prüfungsmethoden“. Danach kann die Finanzbehörde auf Antrag des Steuerpflichtigen für die nächste steuerliche Betriebsprüfung angemessene „Beschränkungen von Art und Umfang der Ermittlungen“ verbindlich zusagen, wenn die „Wirksamkeit [des] eingesetzten Steuerkontrollsystems“ hinsichtlich der erfassten Sachverhalte vom Finanzamt überprüft wurde, kein oder nur ein unbeachtliches steuerliches Risiko für die erfassten Steuern besteht und seit der Prüfung keine Änderungen der Verhältnisse eingetreten sind. Der Steuerpflichtige wird verpflichtet, Veränderungen des Kontrollsystems zu dokumentieren und dem Finanzamt unverzüglich schriftlich bzw. elektronisch mitzuteilen. Die Definition für ein Steuerkontrollsystem ist im Gesetzentwurf weit gefasst: Es umfasst „alle innerbetrieblichen Maßnahmen, die gewährleisten, dass die Besteuerungsgrundlagen zutreffend aufgezeichnet und berücksichtigt werden sowie die hierauf entfallenden Steuern fristgerecht und vollständig abgeführt werden. Das steuerliche Kontrollsystem muss die steuerlichen Risiken laufend abbilden.“ Systemprüfungen von Steuerkontrollsystemen und die daraufhin zugesagten Erleichterungen sollen von den Landesfinanzbehörden bis zum 30.4.2027 evaluiert werden.

Einiges bleibt unklar

Der Gesetzentwurf lässt leider noch einiges im Unklaren: Wie weit kann die Finanzverwaltung gehen, die Ermittlungsmaßnahmen im Rahmen einer Außenprüfung angemessen zu beschränken? Und wie genau sehen die dem Steuerpflichtigen in Aussicht gestellten Erleichterungen aus? Und sollen diese Erleichterungen wirklich erst die nächste steuerliche Betriebsprüfung betreffen und auch nur dann greifen, wenn das Finanzamt die Wirksamkeit des Steuerkontrollsystems geprüft hat? Beide Seiten – Finanzverwaltung und die überwiegende Mehrheit der Steuerpflichtigen – haben gerade erst angefangen, sich mit den Einzelheiten eines Tax CMS zu beschäftigen. Damit die Finanzverwaltung und die Steuerpflichtigen gleichsam die Lernkurve durchlaufen können, die mit der Einführung eines Tax CMS einhergeht, sollte eine Angemessenheitsprüfung ausreichen, jedenfalls dann, wenn mit der Erprobung eine Vielzahl von Unternehmen unterschiedlicher Größe erreicht werden soll. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Tax Compliance Management Systeme nichts sind, was der Steuerpflichtige von der Stange kaufen kann. Ein Tax CMS ist immer individuell auf die Bedürfnisse des Steuerpflichtigen zugeschnitten. Die eine Musterlösung, die als Vorlage für alle anderen dient, wird es daher nicht geben. Auch nicht am Ende einer Erprobungsphase. Aber noch läuft das Gesetzgebungsverfahren und die Verbände sind dabei, in entsprechenden Stellungnahmen Verbesserungen einzubringen.

Tax CMS unverzichtbar in der Steuerpraxis der Unternehmen

Trotzdem zeichnet sich mit dem Gesetzentwurf der Trend ganz klar ab. Ein Tax CMS hilft nicht nur, ein Strafverfahren abzuwenden. Lassen die Steuerpflichtigen die Finanzverwaltung an der Lernkurve bei Implementierung eines Tax CMS teilhaben, verspricht die Finanzverwaltung im Gegenzug Erleichterungen bei der Außenprüfung. Erleichterungen bei der Außenprüfung sind für Unternehmen monetär messbare Vorteile. Langwierige Außenprüfungen binden in den Unternehmen erhebliche Kapazitäten. Aber das ist nicht der einzige Vorteil, der in Geld gemessen werden kann. Ein Tax CMS bildet die steuerlichen Prozesse im Unternehmen ab. Die Kernprozesse in der Steuerabteilung genauso wie Prozesse außerhalb der Steuerabteilung mit enormer steuerlicher Bedeutung: z.B. den Rechnungseingang, den Rechnungsausgang, die Kreditoren- und Debitorenstammdaten, die Anlagenbuchhaltung und viele mehr. Schnittstellen im Unternehmen werden auf diese Weise optimiert, das Bewusstsein der Mitarbeitenden über die steuerliche Bedeutung ihrer täglichen Arbeit wird geschärft. Ein Tax CMS verbessert die Organisation der Steuerfunktion in den Unternehmen und damit auch die Qualität der Daten, die am Ende Eingang in die Steuererklärung finden, was wiederum gut für die Geschäftsführung ist, welche die Steuererklärung unterzeichnet. Es lässt sie nämlich nachts ruhig schlafen.

Daher: An einem Tax CMS führt kein Weg mehr vorbei! Der Gesetzgeber ist dabei, dafür zu sorgen, dass das Tax CMS aus der Steuerpraxis der Unternehmen nicht mehr wegzudenken ist.

Ansprechpartner*innen: Rudolf Böck/Meike Weichel

PS: Sie interessieren sich für dieses Thema, dann schauen Sie gern auch hier und hier.

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