Die EU-Methanstrategie und ihre Folgen

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Europa will der erste klimaneutrale Kontinent werden. Damit das bis 2050 gelingt, bedarf es nicht nur der Einsparung von Kohlenstoffdioxid (CO2), sondern auch einer Reduktion der Nummer zwei der Treibhausgase – Methan (CH4). Ein Sektor steht dabei besonders im Fokus der Kommission.

„Klimakiller“ Methan

Methan ist ein geruch- und farbloses, hoch entzündliches Treibhausgas. Zwar bleibt es mit im Schnitt 12,4 Jahren wesentlich kürzer in der Atmosphäre als CO2 (1.000 Jahre und länger), wirkt dafür allerdings auch mindestens 28 mal stärker. Es entsteht immer dort, wo organisches Material unter Luftausschluss abgebaut wird, also vor allem in der Land- und Forstwirtschaft, insbesondere bei der Massentierhaltung. Weitere Quellen sind z.B. Klärwerke und Mülldeponien. In der Energiewirtschaft entstehen Methanemissionen überall dort, wo Erdgas – chemisch nichts anderes als Methan – unverbrannt entweicht. Neben seiner ozonabbauenden Wirkung wandelt sich CH4 am Ende seines Lebenszyklus durch die Reaktion mit Sauerstoff (O2) in Kohlenstoffdioxid (CO2) und Wasserdampf (H2O) um und wirkt damit weiterhin klimaschädlich.

Die EU ist daher entschlossen, Methanemissionen zu reduzieren. Die Europäische Kommission hat im Oktober vergangenen Jahres die Strategie zur Minderung der Methanemissionen in den Bereichen Energie, Landwirtschaft und Abfall (EU-Methanstrategie) zur Konsultation gestellt. Diese visiert statt der bisher geplanten Reduktion der Methanemissionen bis 2030 um 29 Prozent gegenüber 2005 eine Reduktion um 35-37 Prozent an.

Die EU-Methanstrategie

Die EU-Methanstrategie adressiert grundsätzlich alle drei relevanten Sektoren Energie, Landwirtschaft und Abfall, die zusammen rund 95 Prozent der Methanemissionen ausmachen. Dabei gehen in Europa rund 19 Prozent der Methanemissionen auf den Energiesektor zurück, 53 Prozent auf die Landwirtschaft und rund 26 Prozent auf die Abfallwirtschaft.

Im Mittelpunkt der EU-Methanstrategie steht dennoch vor allem die Energiewirtschaft, für die die Regelungsvorschläge am konkretesten ausfallen. Hier sieht die Kommission vor allem folgende Ansatzpunkte:

  • Allgemein will die Kommission für genauere Mess- und Berichterstattungsmethoden sorgen. Das soll zunächst zu einem besseren Verständnis der Emissionen innerhalb der Wertschöpfungsketten führen. Für den gesamten Energiebereich plant die EU den dreistufigen Berichterstattungsrahmen aus dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC) zu implementieren und auf den umfangreichsten Ansatz der Stufe 3 zu setzen. Hier soll umfassend der Messungs- und Berichterstattungsrahmen der Methanpartnerschaft für den Öl- und Gassektor (OGMP0) adaptiert und legislativ darauf aufgebaut werden.
  • Eingeführt werden sollen Vorschriften zur Verbesserung der Erkennung und Reparatur von Leckagen (LDAR) in der gesamten Erdgasinfrastruktur sowie jeder anderen Infrastruktur, in der fossiles Gas – auch als Einsatzstoff – erzeugt, befördert oder genutzt wird. Zur Überwachung und Ermittlung von Leckagen ist geplant, Satellitenprogramme wie das „Copernicus“-Programm, Helikopter, Flugzeuge und Drohnen einzusetzen.
  • Für Betreiber von Fernleitungsnetzen, Speicheranlagen und Verteilernetzen sollen finanzielle Anreize für Investitionen in die technische Aufrüstung ihrer Infrastruktur zur Vermeidung von Leckage geschaffen werden.
  • Die Kommission will Optionen prüfen, um das routinemäßige Ablassen und Abfackeln von Methan abzuschaffen. Hierbei soll auf die Initiative Zero Routine Flaring der Weltbank aufgebaut werden. Auch soll die Effizienz des Abfackelns unter die Lupe genommen werden, wenn das Abfackeln z.B. aus Sicherheitsgründen unvermeidlich ist.
  • Als weitere Methanemittenten hat die Kommission Kohlebergwerke und stillgelegte Erzeugungsstandorte identifiziert. Hier sollen erstmals Regelungen vorgeschlagen werden, wie mit Leckagen in solchen Anlagen umgegangen wird.

Grundsätzlich geht es der Kommission darum, dass Messungen, Berichterstattung und Verifizierung zur Methanüberwachung flächendeckender und international einheitlicher stattfinden. Sie wird deswegen auch auf diplomatischer Ebene auf internationale Akteure einwirken. Dies umfasst die Einrichtung einer Beobachtungsstelle für Methanemissionen, die einen Methanemissionsindex (MSI) erstellen soll. Bei der Bewertung der Methanemissionen soll möglichst die gesamte Liefer- und Wertschöpfungskette in den Blick genommen werden.

Gleichzeitig sollen alle relevanten Klimagesetze wie die Emissionshandelsrichtlinie oder die Richtlinie über Industrieemissionen auch daraufhin überprüft werden, wie sie in Bezug auf Methan mehr zum Erreichen der EU-Klimaschutzziele beitragen können. Außerdem will die Kommission eine Partnerschaft mit den Umweltprogrammen der Vereinten Nationen, der Koalition Klima und saubere Luft sowie der Internationalen Energieagentur eingehen und mit diesen internationale Beobachtungsstellen einrichten. Daneben ist Ziel der EU-Methanstrategie eine beschleunigte Marktentwicklung für Biogas bzw. Biomethan aus nachhaltigen Rohstoffen im Rahmen der in 2021 geplanten Anpassung der Gasbinnenmarktregeln und der Erneuerbare-Energien-Richtlinie zu unterstützen.

Auch für die Land- und Abfallwirtschaft werden in der EU-Methanstrategie Maßnahmen vorgeschlagen. Diese richten sich aber noch vorwiegend auf die allgemeine Verbesserung der Datenerfassung und Entwicklung von Standards für die besten verfügbaren Techniken. Um die Sektoren konkreter in die Strategie mit einzubeziehen, fehlt es aus Sicht der Kommission hingegen noch an Daten.

Was bedeutet die EU-Methanstrategie nun für die einzelnen Sektoren?

Aus diesen Eckpunkten der EU-Methanstrategie ergeben sich für die einzelnen betroffenen Sektoren vorerst noch sehr unterschiedliche Ableitungen.

Die Energiewirtschaft hat mit einiger Sicherheit davon auszugehen, dass die Kommission in ihren Regelungsvorschlägen mindestens die dargestellten Maßnahmen betreffend die Leckagen in der Gasinfrastruktur adressieren wird. Was dies für die deutsche Gasnetzwirtschaft praktisch bedeutet, bleibt abzuwarten. Schließlich wurden durch den Austausch von veralteten Graugussleitungen, den Einsatz von mobilen Verdichtern und Fackeln sowie den Verzicht auf pneumatische Ventile schon einige Erfolge im Bereich der Methanreduktion erzielt. Zusätzlich sind deutsche Netzbetreiber ohnehin verpflichtet, nach sehr konkret festgelegten Zyklen ihre Netze auf Leckagen zu untersuchen und diese gegebenenfalls zu melden. Abzuwarten bleibt aber auch, welche Konsequenzen sich aus der angekündigten besonderen Berücksichtigung der Methanemissionen im Rahmen der Revision der EU-Klimagesetzgebung („Fit-for-55“-Paket) ergeben werden. Regelungsvorschläge hierzu sind von der Kommission für den 14.7.2021 angekündigt. Gut möglich, dass das Thema Methan auch bei der geplanten Reform des EU-Emissionshandels eine bedeutende Rolle spielen wird.

Noch etwas schwieriger gestaltet sich die Prognose für die Sektoren Landwirtschaft und Abfall. Es dürfte fraglich sein, ob es für diese Sektoren bei den angekündigten allgemeinen Maßnahmen bleiben wird. Das EU-Parlament hat schon kritisiert, dass die Strategie für den Agrar- und Abfallsektor nicht warten kann, bis ein System zur Messung der Methanemissionen in diesen Bereichen verfügbar ist, und jedenfalls ein Verzeichnis verfügbarer Verfahren und Technologien zur Emissionsminderung in diesen Bereichen gefordert. So schlägt das EU-Parlament u.a. vor, die Umwandlung von biologisch abbaubaren Bioabfällen in Biogas verpflichtend zu machen, was zu der von der EU-Kommission in 2021 geplanten Anpassung der Gasbinnenmarktregeln und der Erneuerbare-Energien-Richtlinie passen könnte. Mit den Änderungen ist geplant, eine beschleunigte Marktentwicklung für Biogas bzw. Biomethan aus nachhaltigen Rohstoffen zu unterstützen. Die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur EU-Methanstrategie weist einerseits auf die Schwierigkeiten hin, die mit der Erfassung der meist diffusen Methanemissionen verbunden sind. Wenn der Ausschuss aber gleichzeitig u.a. darauf verweist, dass es in einigen EU-Ländern noch keine flächendeckenden Vorkehrungen zum Auffangen und zur energetischen Nutzung von Methan aus Abfalldeponien, Kläranlagen und stillgelegten Kohlegruben gebe, dürfte dies wohl als Aufforderung zu verstehen sein, eben hierfür mit entsprechend verschärften Regeln zu sorgen.

Wie geht es weiter?

Wie es mit der EU-Methanstrategie weitergeht, wird sich spätestens im Dezember zeigen. Die Kommission hat die Regelungsentwürfe zur Umsetzung der Strategie für das vierte Quartal 2021 angekündigt. Spätestens dann wird sich also erweisen, ob es dabei bleibt, dass die Aufgabe, die europäischen Methanemissionen zu mindern, im Wesentlichen auf den Schultern der Energiewirtschaft lasten wird, oder ob die Kommission die Dynamik der jüngsten Diskussion aufnehmen und auch die anderen Sektoren schon früher in die Verantwortung nehmen wird.

Ansprechpartner*innen: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr.  Tigran Heymann/Carsten Telschow

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