Interviewreihe: Torsten Maus, EWE NETZ GmbH

Am 18.3.2024 lädt die BBH-Gruppe zu ihrem Parlamentarischen Abend ein. Im Kaisersaal der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft diskutieren Mitglieder des Deutschen Bundestages, Entscheider:innen aus der Wirtschaft und Vertreter:innen von Verbänden zum Thema „Alles für die Netze“. Aus diesem Anlass haben wir mit Impulsgeber:innen der Veranstaltung Interviews geführt, die wir im wöchentlichen Turnus an dieser Stelle veröffentlichen werden. Den Anfang macht Torsten Maus, Vorsitzender der Geschäftsführung der EWE Netz GmbH.

BBH-Blog: Lieber Herr Maus, lassen Sie uns vielleicht gleich ganz provokant in das Interview einsteigen: Haben Sie das Gefühl, dass wir in Deutschland genug für unsere Energienetze tun?

Torsten Maus: Wir sind auf dem richtigen Weg. Die Herausforderung besteht in der Vielseitigkeit. Die Komplexität ist in diesem Bereich hoch, sodass der Blick auf einen Sektor gleichzeitig Auswirkung auf einen anderen Sektor hat. Daraus folgt, dass eine gemeinsame und ganzheitliche Energieplanung entscheidend ist. Mit diesem Gedanken stehe ich auch nicht allein, daher habe ich grundsätzlich ein gutes Gefühl, dass jeder einzelne das Beste für seinen Bereich unternimmt, wir aber immer die Energienetze als Ganzes betrachten müssen.

BBH-Blog: Wie müssen die Energienetze 2045 aussehen? Und was bedeutet das für Ihre tägliche Arbeit heute?

Maus: Die Energienetze 2045 sind optimal auf die Anforderungen der Nutzer ausgerichtet und können vollständig überwacht und gesteuert werden.
Dazu müssen wir heute schon Investitionen in den Netzausbau und -umbau sowie in die konsequente Digitalisierung tätigen.
Für unsere tägliche Arbeit bedeutet dies, dass wir bei unserer Netzplanung weiter in die Zukunft schauen und mutig investieren müssen. Dabei sei angemerkt, dass gerade diese vorausschauenden Netzinvestitionen, welche auf strategischen Annahmen beruhen, auch zu jederzeit Berücksichtigung in der Regulierung finden müssen.
Ebenso ist Technologieoffenheit wichtig, da verschiedene Lösungen, zum Beispiel im Wärme- oder Verkehrssektor, auf die Resilienz des Gesamtsystems einzahlen. Vorrangig wichtig ist aber die schnelle Erreichung der Klimaneutralität.

BBH-Blog: Energienetze sind Generationenaufgaben. Wenn Sie auf der grünen Wiese stehen und ganz voraussetzungslos überlegen können: Wie würden Sie die Energienetze aufstellen, um sie gegen kurzfristige Begehrlichkeiten ebenso wie gegen langfristiges Erstarren zu sichern?

Maus: Im ersten Schritt würde ich die klimatischen Auswirkungen jedes einzelnen Sektors bewerten und in den Vordergrund stellen. Was könnte wo und wie genutzt und gebraucht werden, wie würden wir dies prüfen können und anpassen?
Aber mal ehrlich: Wahrscheinlich würde das Energienetz auf einer grünen Wiese genauso aufgebaut, wie es nun ist. Die Energienetze erfüllten schon immer die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Anforderungen – dabei haben wir gelernt, dass diese aber flexibel angepasst werden müssen, um die Versorgungssicherheit immer und jederzeit zu gewährleisten. Dazu braucht es Flexibilität!
Wir müssen die Interessen der vielen Stakeholder abwägen und die Energienetze effizient und aus einer volkswirtschaftlich optimalen Perspektive planen.

BBH-Blog: Was erleben Sie in Ihrer konkreten Arbeit gerade als den größten Knackpunkt, als das Problem, mit dem Sie sich am meisten herumschlagen müssen?

Maus: Die größte Schwierigkeit ist die Ungewissheit. Die Vielzahl von Initiativen, Gesetzgebungen in der EU, beim Bund oder auf Landesebene und darüber hinaus die Ungewissheiten im Regulierungsumfeld machen mir Gedanken. Gleiches gilt auch für und mit den Kommunen. Beispielsweise bei der kommunalen Wärmeplanung. Die Kommunen sind angehalten, zeitnah eine Planung aufzusetzen und sollten wir nicht einbezogen werden, kann es passieren, dass verfügbare Ressourcen nicht effizient berücksichtigt und genutzt werden. Wir halten im Moment viele Bälle in der Luft; jeder einzelne ist gut zu balancieren, nur die Vielzahl und die Wechselwirkungen untereinander bringen eine enorme Komplexität mit sich!

BBH-Blog: Zum Abschluss würden wir gerne hören, was denn in Bezug auf die Energienetze Ihr „hidden champion“, Ihre „geheime Zutat“ ist, also der Aspekt, der nicht so in der öffentlichen Debatte steht, aber aus Ihrer Sicht überproportional relevant werden kann?

Maus: Mein persönlicher „hidden champion“ ist der partnerschaftliche Austausch mit den Kommunen. Wir engagieren uns alle meist gleichermaßen für die Entwicklung unserer Region und da ist die Zusammenarbeit und ein offener, transparenter Austausch ein wichtiger Erfolgsfaktor für beide Seiten.
Dabei spielt auch eine gemeinschaftliche Energieplanung eine zentrale Rolle. Diese gilt es, im Zusammenspiel mit diversen Akteuren zu meistern und zu orchestrieren. Und nochmals: Wir müssen das Energiesystem als Ganzes denken! Das passiert mir zu wenig und oft werden nur einzelne Komponenten betrachtet. Dies birgt die Gefahr, dass manche einzelne Entwicklungen am Ende nicht wirklich zusammenpassen.

BBH-Blog: Sehr geehrter Herr Maus, herzlichen Dank für das Gespräch. Wir freuen uns auf die weitere Diskussion im Rahmen unseres Parlamentarischen Abends am 18.3.2024.

Mehr Infos zum Parlamentarischen Abend, auch zur Anmeldung, finden Sie hier.

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