Zweiter Anlauf: Der neue Entwurf eines Hinweisgeberschutzgesetzes ist da

Kurz vor den Osterfeiertagen hat das Bundesjustizministerium (BMJV) einen neuen Entwurf für das „Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen“ – kurz: Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) – vorgestellt. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass der Entwurf im Juni vom Kabinett beschlossen und im Herbst 2022 in Kraft treten wird. Auch Unternehmen, die sich bereits mit dem Thema beschäftigt haben, sollten noch einmal genauer hinschauen, denn der Entwurf hat im Vergleich zum vorherigen einige Änderungen erfahren.

Die Whistleblowing-Richtlinie – was bisher geschah

Im Oktober 2019 haben das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union die sogenannte Whistleblowing-Richtlinie (RL EU 2019/1937) erlassen (wir berichteten). Sie soll einen EU-weit einheitlichen Schutz von Hinweisgebern schaffen und hätte zum 17.12.2021 in deutsches Recht überführt werden müssen. Das Hinweisgeberschutzgesetz, das die Richtlinie für Deutschland umsetzen sollte, hat es jedoch vor der Bundestagswahl nicht mehr durch das Parlament geschafft. Zu Beginn des Jahres 2022 hatte die EU-Kommission dann ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet, auf das das BMJV mit dem neuen Entwurf reagierte.

Ausgestaltung der Meldestellen in Unternehmen

Beschäftigen Sie mindestens 250 Mitarbeiter? Dann sind Sie nach dem Gesetzesentwurf verpflichtet, eine interne Meldestelle einzurichten, an die sich Ihre Beschäftigten wenden können. Ab dem 17.12.2023 soll diese Verpflichtung auch kleinere Unternehmen mit einer Beschäftigungszahl von mindestens 50 Mitarbeitern treffen. Hinsichtlich der Ausgestaltung sind die Unternehmen jedoch frei. Der Gesetzesentwurf schreibt nur vor, dass interne Meldekanäle Meldungen in mündlicher oder in Textform ermöglichen müssen. Insofern können Sie selbst entscheiden, ob Sie künftig Ihr Meldesystem in Form eines Online-Systems, als sogenannten „Beschwerdebriefkasten“ oder als Telefon-Hotline ausgestalten. Verlangt der Hinweisgeber allerdings eine persönliche Zusammenkunft, müssen Sie diese Möglichkeit mit Ihrer Meldestelle gewährleisten. Hinsichtlich der Beschaffenheit interner Meldestellen regelt der Entwurf klar den Verfahrensablauf bei Eingang von Hinweisen inklusive der Bearbeitungsfristen. Auch Dokumentations- und Informationspflichten werden vorgegeben. So müssen Unternehmen nach Abschluss eines Hinweisgeberfalls die Dokumentation für die Dauer von zwei Jahren aufbewahren. Diese Zeitspanne sah der vorherige Entwurf nicht vor.

Welche Verstöße Hinweisgeber melden können

Melden können Beschäftigte Informationen über Verstöße gegen EU-Recht. Daneben sieht der Gesetzesentwurf auch Verstöße über Straftaten vor. Verstöße über Ordnungswidrigkeiten werden erfasst, soweit die verletzte Vorschrift dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dienen. Darüber hinaus umfasst der Gesetzesentwurf auch gemeldete Informationen über Verstöße gegen Vorschriften in bestimmten Bereichen, wie Geldwäsche, Umweltschutz und zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen und der Energieeffizienz.

Was Unternehmen noch im Blick haben sollten

Kommt es tatsächlich zu einem Hinweisgeberfall, ist der Whistleblower zu schützen. Der Gesetzesentwurf sieht hierzu vor, dass der Meldende weder für die Beschaffung oder den Zugriff auf und von Informationen noch für die Weitergabe von Informationen verantwortlich gemacht werden kann. Zudem ist der Hinweisgeber vor jeglichen Repressalien zu schützen. Hierzu zählen zum Beispiel die Kündigung, Rufschädigung, Herabstufung oder Versagung einer Beförderung sowie die Ausgrenzung und Mobbing.

Es ist ratsam, sich im eigenen Unternehmen mit den im Entwurf angelegten Sanktionen zu beschäftigen. Auch diejenigen Unternehmen, die bereits über eine „Whistleblowing-Hotline“ oder vergleichbare Meldesysteme verfügen, sollten überprüfen, ob und wo Anpassungsbedarf besteht. Schließlich beträgt das Bußgeld für die Nichteinrichtung einer Meldestelle bis zu 20.000 Euro. Wer Repressalien gegen Hinweisgeber ergreift, riskiert ein Bußgeld von bis zu 1 Mio. Euro.

Aber es ist auch klar, dass die Hinweisgebersysteme nicht mutwillig ausgenutzt werden dürfen. Deshalb schafft der neue Entwurf erstmals ein ausdrückliches Sanktionsrisiko für Hinweisgeber. Der Hinweisgeber, der vorsätzlich oder grob fahrlässig Falschmeldungen abgibt, macht sich nach dem Entwurf nämlich schadensersatzpflichtig.

Ansprechpartner*innen: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Christian Dessau

PS: Sie interessieren sich für dieses Thema, dann schauen Sie gern in unserem Webinar: Hinweisgeberschutzgesetz und Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz vorbei.

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