Ein Schnitt durch Abteilungen und Systeme: Die buchhalterische Entflechtung des grundzuständigen Messstellenbetriebs

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Bis zur Jahresmitte 2020 haben die meisten Energieversorgungsunternehmen die Jahresabschlüsse für das Jahr 2019 zu erstellen. Im Jahr 2016 ist das Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) in Kraft getreten, das eine Aufteilung der Kosten des grundzuständigen Messstellenbetreibers (gMSB) für moderne Messeinrichtungen (mME) und intelligente Messsysteme im Rahmen der buchhalterischen Entflechtung (§ 3 Abs. 4 MsbG) notwendig macht. Der Rollout hat im Jahr 2019 an Fahrt aufgenommen und viele gMSB haben bereits mit dem Einbau von mME begonnen. Aus diesem Grund wird das Thema zunehmend wichtiger. Hauptstreitpunkt zwischen Regulierungsbehörden und Netzbetreibern ist, ob für die Entflechtung eine Kontentrennung oder ein testierter Tätigkeitsabschluss erforderlich ist. Aber daneben gibt es eine Vielzahl an operativen Fragen zu beantworten, die eine Umsetzung der buchhalterischen Entflechtung zwar erschweren, aber auch für einen gewissen Gestaltungsspielraum sorgen.

Detailfragen bei der Zuordnung

In einem ersten Schritt ist zu prüfen, welche Kosten innerhalb der Organisationseinheit Stromnetz auf den Messstellenbetrieb Strom entfallen. In einem zweiten Schritt sind diese Kosten auf den konventionellen Messstellenbetrieb (kMSB) sowie den gMSB aufzuteilen. Hierbei ergeben sich zahlreiche Detailfragen. Die Zuordnung der Ausgaben für die Beschaffung der mME und der konventionellen Zähler als Kosten, die dem gMSB oder kMSB direkt zuzuordnen sind, mag noch vergleichsweise einfach sein. Wie sind jedoch die Kosten für die Anfahrt, den Ausbau der konventionellen Messtechnik und den Einbau der intelligenten Messtechnik aufzuteilen, wenn beispielsweise ein Dienstleister diese Tätigkeiten ausführt und dieser die Kosten hierfür nicht einzeln aufgliedert? Herausforderungen entstehen somit insbesondere, wenn ein einzelner Mitarbeiter oder ein Dienstleister Aufgaben für alle Bereiche, also Netzbetrieb, kMSB und gMSB, durchführt. Gleichermaßen schwierig gestaltet es sich, die Kosten für IT-Systeme zuzuordnen, die von allen drei Bereichen genutzt werden, wie es beispielsweise beim Energiedatenmanagement (EDM-System) der Fall sein kann. Erschwerend kommt hierbei noch die Einführung der Marktkommunikation 2020 (Mako 2020) hinzu. Lag die Verantwortung der Messwertaufbereitung und -verteilung bis 30.11.2019 in der Hand des Netzbetreibers, so ist seit dem 1.12.2019 der Messstellenbetreiber für die Aufgabe der Messwerterhebung, -aufbereitung und -verteilung – für jegliche Messtechnik im Strommarkt – umfassend verantwortlich.

Neben der Abgrenzung der Kosten der Organisationseinheit Stromnetz sind auch die Gemeinkosten, welche zentral für alle Bereiche des Energieversorgungsunternehmens gleichermaßen anfallen, sachgerecht zuzuordnen. Dazu zählen beispielsweise die Geschäftsführung, das Finanz- und Rechnungswesen oder die Archivierung. Da Gemeinkosten auf verschiedenen Ebenen entstehen, wird hier in den meisten Fällen eine mehrstufige Schlüsselung erforderlich sein.

Handlungsdruck, der Chancen birgt

Die Zeit drängt aber nicht nur, weil der Jahresabschluss für das Jahr 2019 fertiggestellt werden muss. Auch die Kostenprüfung der Stromnetzbetreiber auf Basis des Jahres 2021 steht bevor, und die Regulierungsbehörden werden einen kritischen Blick auf die Verursachungsgerechtigkeit der Kontentrennung werfen. Doch der Handlungsdruck birgt auch eine Chance: Eine zielgerichtete und sachgerechte Aufteilung der Kosten für den Netzbetrieb und den Messstellenbetrieb zu erarbeiten, bringt auch eine Kostentransparenz für den kMSB mit sich. Der Netzbetreiber hat so die Möglichkeit, der Erlösreduktion des konventionellen Messstellenbetriebs über das Regulierungskonto, die der Verordnungsgeber zwangsläufig vorsieht, durch einen Nachweis der (noch) vorhandenen Kosten des konventionellen Messstellenbetriebs argumentativ zu begegnen.

Ansprechpartner BBHC: Peter Bergmann/Magnus Thiemig/Dr. Karina Appelmann
Ansprechpartner BBH: Jürgen Gold

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