Bewegung in der EU-Taxonomie: Was müssen Unternehmen künftig beachten?
Die Ausgestaltung der EU-Taxonomie schreitet weiter voran. Mitte 2021 veröffentlichte die Europäische Kommission die delegierten Rechtsakte zu den ersten beiden Umweltzielen der Taxonomie-Verordnung. Zuletzt hat sie die Entwürfe der ausstehenden delegierten Rechtsakte zu den weiteren Umweltzielen vorgelegt, die die Berichterstattungsinhalte weiter konkretisieren. Doch was bedeutet dies für die betroffenen Unternehmen?
Was bisher geschah
Aufgrund der Vielzahl der bislang ergangenen Einzelrechtsakte lohnt ein Blick auf die bisherige europäische Gesetzgebungshistorie. Die EU-Taxonomie-Verordnung trat Mitte 2020 in Kraft und soll verschiedene Wirtschaftstätigkeiten am Grad der ökologischen Nachhaltigkeit einer Investition klassifizieren. Durch Transparenz in Form von Berichterstattungspflichten verfolgt die Taxonomie-Verordnung das primäre Ziel, Kapitalflüsse hin zu mehr nachhaltigen Investitionen zu lenken. Die Taxonomie-Verordnung definiert dafür sechs Umweltziele, deren technische Bewertungskriterien in delegierten Rechtsakten näher konkretisiert werden. Für die ersten beiden Umweltziele, auch Klimataxonomie genannt, wurden die oben genannten delegierten Rechtsakte Mitte 2021 veröffentlicht. Die delegierte Verordnung (EU) 2021/2139 wurde im weiteren Verlauf durch die delegierte Verordnung (EU) 2021/2178 und anschließend durch die delegierte Verordnung (EU) 2022/1214 um verschiedene Inhalte ergänzt. Insbesondere die letzte Anpassung führte auch zu einem breiten öffentlichen Diskurs, da mit ihr die Nutzung von Kernenergie und Erdgas unter gewissen Voraussetzungen als nachhaltig im Sinne der Taxonomie-Verordnung eingestuft wurde.
Davon streng zu unterscheiden ist die Richtlinie (EU) 2013/34 (CSR), die durch die Richtlinie (EU) 2014/95 (NFRD) und Richtlinie (EU) 2022/2464 (CSRD) ergänzt worden ist. Diese ist jedoch auch im Rahmen der Taxonomie-Berichterstattung zu berücksichtigen, da die Verordnung ausdrücklich hierauf verweist.
Welche Unternehmen sind betroffen?
Die Taxonomie-Verordnung richtet sich – neben den Mitgliedstaaten und der EU als solche – an Finanzmarktteilnehmer, die Finanzprodukte bereitstellen, aber auch an Unternehmen außerhalb des Finanzsektors. Hierzu verweist Art. 1 Abs. 2 lit. c) bzw. Art. 8 Abs. 1 der Taxonomie-Verordnung auf den Adressatenkreis der CSR. Das waren zunächst – vereinfacht ausgedrückt – Unternehmen bzw. Mutterunternehmen einer Gruppe, die mehr als 500 Mitarbeitende beschäftigen und eine Bilanzsumme von 20 Mio. Euro bzw. Nettoumsatzerlöse von 40 Mio. Euro überschreiten. Über die CSRD ist der Anwendungsbereich der CSR zuletzt jedoch erheblich erweitert worden, nämlich unter Umständen bis zu Unternehmen mit 50 Beschäftigten bzw. einer Bilanzsumme von 4 Mio. Euro oder Nettoumsatzerlösen von 8 Mio. Euro. Damit dürften zahlreiche Unternehmen der Energiewirtschaft unmittelbar von der Taxonomie-Verordnung erfasst werden; noch viel mehr werden mittelbar erfasst, indem sie im „Innenverhältnis“ zu taxonomiepflichtigen Unternehmen berichtspflichtig sind oder werden.
Ergänzende Ausführungen zum Inhalt und Darstellung der Berichterstattungspflicht nach Art. 8 der Taxonomie-Verordnung ergeben sich aus der delegierten Verordnung (EU) C(2021) 4987.
Was gibt es inhaltlich Neues?
In Bezug auf die klimabezogenen Umweltziele (vgl. Art. 9 lit. a) und b) der Taxonomie-Verordnung) muss die Berichterstattung 2023 über das Geschäftsjahr 2022 die sogenannte Taxonomiefähigkeit und erstmalig die sogenannte Taxonomiekonformität beinhalten. Durch die Veröffentlichung der weiteren delegierten Rechtsakte zu den umweltbezogenen Umweltzielen (vgl. Art. 9 lit. c) bis f) der Taxonomie-Verordnung) wird sich die Berichterstattungspflicht für das aktuelle Geschäftsjahr 2023 mit der Berichterstattung 2024 erheblich erweitern (vgl. Art. 5 Abs. 1 und Art. 6 des Entwurfs der delegierten Verordnung der umweltbezogenen Umweltziele). Der damit verbundene Aufwand sollte angesichts des erheblichen Detailgrades der delegierten Rechtsakte nicht unterschätzt werden.
Wie bereits bei den klimabezogenen Umweltzielen verweisen die technischen Bewertungskriterien der umweltbezogenen Umweltziele auf die NACE-Codes (Verordnung (EG) Nr. 1893/2006). Die Europäische Kommission stellt in ihrem Entwurf des neuen delegierten Rechtsakts jedoch eingangs klar, dass die Verweise auf die NACE-Codes lediglich als Richtwerte zu verstehen sind.
Daneben legte die EU-Kommission Entwürfe zur Anpassung der delegierten Verordnung (EU) 2021/2139 vor, die insbesondere Ergänzungen zu den technischen Bewertungskriterien der klimabezogenen Umweltziele enthalten.
Die neuen delegierten Rechtsakte wurden am 13.6.2023 im Grundsatz gebilligt und werden förmlich angenommen, sobald die Übersetzungen in alle EU-Amtssprachen vorliegen.
Als Hilfestellung für die Anwendung der Taxonomie-Verordnung hat die Europäische Kommission schließlich verschiedene FAQs veröffentlicht. Die letzten umfänglichen Dokumente stammen aus Dezember 2022 und beinhalten, wie auch die weiteren sieben Zusammenstellungen häufig gestellter Fragen, keine zusätzlichen Anforderungen an die Berichterstattung, sondern sollen diese lediglich erleichtern.
Ausblick: Was ist in absehbarer Zeit zu erwarten?
Die betroffenen Unternehmen sollten sich frühzeitig mit den weiteren delegierten Rechtsakten auseinandersetzen. Die Erfahrung im Umgang mit den bisherigen Umweltzielen zeigt nämlich, dass die Umsetzung der Vorgaben in der Praxis mit nicht unerheblichem Aufwand verbunden ist. Zudem sollten sich auch (noch) nicht betroffene Akteure zeitnah mit Regelungen auseinandersetzen, da mit dem Anwendungsbereich der Taxonomie-Verordnung vermutlich auch der Druck auf die übrigen Unternehmen wachsen wird, freiwillig Informationen über nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten zu veröffentlichen (siehe Erwägungsgrund 15 der Taxonomie-Verordnung).
Gleichzeitig arbeitet der europäische Gesetzgeber an weiteren Regulierungen im Bereich der Nachhaltigkeit, wie unter anderem der im Februar veröffentlichte Entwurf einer EU-Lieferketten-Richtlinie zeigt. Es liegt folglich nicht fern, dass auf eine Vielzahl an Unternehmen und sonstigen Wirtschaftsakteuren noch weitere Regelungen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, auch speziell zur EU-Taxonomie, zukommen werden.
Ansprechpartner: Tobias Sengenberger/Christoph Lamy/Fabian Kleene
PS: Sie interessieren sich für das Thema? Dann besuchen Sie gerne unser Webinar „Berichterstattungspflichten nach der Taxonomie-Verordnung im Überblick“ am 29. Juni 2023 um 14 Uhr und am 5. Juli 2023 um 10 Uhr.