Was Sie schon immer über Compliance wissen wollten (und sollten) – Teil 3: Konzernhaftung

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Kommt es in einem Unternehmen zu einem Compliance-Verstoß, trifft das nicht nur das Unternehmen selbst, sondern oft auch andere Gesellschaften innerhalb des Konzerns. Frei nach dem Prinzip: „mitgehangen, mitgefangen“. Das mag nicht immer fair sein, aber ein Blick auf die Grundsätze der Konzernhaftung zeigt, dass dieser Schluss vom Apfel auf den Stamm nicht von ungefähr kommt. Denn Compliance ist ein Thema, das rechtlich tief im Konzernrecht verankert ist: So wird bei Kartellverstößen von Tochtergesellschaften ein Konzernbußgeld verhängt. Auch das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) und die neue Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO/VO (EU) 2016/679) richten ihre Bußgelder am Konzernumsatz aus. Um Konzernhaftung geht es deshalb im 3. Teil unserer Compliance-Blog-Reihe, nachdem wir uns bereits den Themen Mitarbeiterdarlehen und Aushangspflicht angenommen hatten.

In der Praxis stellt sich damit zunehmend die Frage, wie sich die Compliance-Pflichten zwischen der Muttergesellschaft und den einzelnen Tochtergesellschaften verhalten. Wer ist letztlich dafür verantwortlich, ein Compliance-Management-System zu erstellen, einzuführen und zu überwachen? Und welche Geschäftsführung bzw. welcher Vorstand haftet, wenn es zu einem Compliance-Verstoß kommt?

Eine eindeutige gesetzliche Regelung fehlt. § 130 OWiG spricht vom „Inhaber eines Betriebes oder Unternehmens“, was nicht wirklich weiterhilft. Die Regelung geht auf § 188 der Preußischen Gewerbeordnung aus dem Jahre 1845 zurück – über § 33 OWiG (1968), § 5 WiStG (1954), § 23 WiStG (1949) und § 151 GewO (1883)! – und hat über die Jahre bzw. Jahrhunderte leider nicht an Verständlichkeit hinzugewonnen. Auch die besagten Regelungen zu Konzernbußgeldern können lediglich als Indizien herangezogen werden, denn sie richten die Höhe der Geldbuße am Konzernumsatz aus, weisen aber der Konzernspitze damit nicht notwendigerweise Compliance-Pflichten zu.

Die unklare Rechtslage in Bezug auf das Compliance-Pflichtenverhältnis innerhalb eines Konzerns und insbesondere im Rahmen von § 130 OWiG wird bereits seit mehreren Jahren kritisiert. Getan hat sich bisher noch nichts. Auch die Rechtsprechung äußerte sich bisher eher verhalten.

So hatte sich im Jahre 2014 das OLG München (Beschl. v. 23.9.2014 – 3 Ws 599/14) mit der Frage beschäftigt, ob die Regeln über die Verletzung betriebsbezogener Aufsichtspflichten auf einen Konzern übertragen werden können. Und wie so oft in der Juristerei lautete die Antwort: „Es kommt darauf an“. Wörtlich hieß es, dass „stets die Umstände des Einzelfalls“ entscheidend seien. Eine typische Formulierung, wenn man sich nicht festlegen möchte (oder kann).

Zumindest gaben die Münchner Richter einige Kriterien zur Abgrenzung vor: Abzustellen sei zunächst auf die tatsächliche Einflussnahme der Konzernmutter auf die Tochtergesellschaft. Nur wenn der Tochtergesellschaft von der Konzernmutter Weisungen erteilt werde, die das Handeln der Tochtergesellschaft beeinflussen, und dadurch die Gefahr der Verletzung betriebsbezogener Pflichten begründet würde, sei insoweit die Konzernmutter gesellschaftsrechtlich zur Aufsicht verpflichtet (so der Orientierungssatz).

Praktisch beantwortet dies nicht alle Fragen. Gleichwohl kann das Merkmal der Einflussnahme und Weisungsgebundenheit als Auslegungskriterium herangezogen werden. Vor allem bei Konzerngesellschaften, deren 100prozentiger Gesellschafter das Mutterunternehmen ist, besteht bereits für GmbHs nach § 37 GmbHG ein Weisungsrecht der Gesellschafter. Je eigenständiger und weisungsungebundener eine Gesellschaft damit ist, desto eher liegen Compliance-Pflichten bei ihr. Je größer der Einfluss der Einfluss der Muttergesellschaft auf die Tochtergesellschaft ist, desto eher hat sie wiederum für die Einhaltung der Compliance zu sorgen. So lässt sich zumindest eine grobe Tendenz vorgeben.

In der Praxis blieb Unternehmen bisher nicht viel übrig, als sich auf die unklare Rechtslage einzustellen. Mittlerweile ist es üblich, dass die Muttergesellschaft grundlegende und die jeweilige Tochtergesellschaft eigene, ergänzende Compliance-Vorgaben für sich aufstellt. Damit wird einerseits dem Spannungsverhältnis zwischen Konzernspitze und den Tochtergesellschaften ausreichend Rechnung getragen. Andererseits ermöglicht es dieser Zwischenweg auf spezifische, durch die den jeweiligen Geschäftsbereich definierten Unternehmensmerkmale einzugehen.

Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Christian Dessau

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