Automatische Letztmaßnahmen: Die Umsetzung des UFLA rückt näher

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Die Frist zur endgültigen Umsetzung des Unterfrequenzabhängigen Lastabwurfs scheint noch weit weg. Doch es gibt einige Maßnahmen, die Betroffene zeitnah ergreifen sollten – nicht zuletzt, um bei Bedarf nachsteuern zu können.

Hintergrund

Der sogenannte Unterfrequenzabhängige Lastabwurf (kurz: UFLA) beschreibt einen 10-Stufen-Plan, der Systemzusammenbrüche bei Unterfrequenz verhindern soll. Er löst das bisher implementierte 5-stufige Konzept der automatischen Frequenzentlastung (kurz: AFE) ab. Netzbetreiber waren bereits Anfang des Jahres aufgerufen, sich am Monitoring zur Umsetzung des UFLA zu beteiligen (wir berichteten).

Anlass für die Überarbeitung der automatischen Letztmaßnahmen bei Unterfrequenz  waren europarechtliche Vorgaben. Der europäische Netzkodex über den Notzustand und den Netzwiederaufbau des Übertragungsnetzes (NC ER) legt unter anderem europaweit verbindliche Anforderungen an automatische Letztmaßnahmen fest. National umgesetzt bzw. konkretisiert wurden die Vorgaben durch die VDE-Anwendungsregel „Automatische Letztmaßnahmen zur Vermeidung von Systemzusammenbrüchen“ (VDE-AR-N 4142). Vor dem Hintergrund des Ausbaus fluktuierender Erzeugung passt die VDE-AR-N 4142 das Konzept an die gestiegenen Anforderungen der Erhaltung der Systemsicherheit durch die präzisere Reaktion der Systeme an. Die hinterlegten Abschaltfrequenzen in der Mittelspannungseinspeisung ermöglichen im Ernstfall einen differenzierten Lastabwurf.

Die Umsetzungsfrist zum 18.12.2022 scheint noch in weiter Ferne zu liegen. Allerdings gibt es – auch abseits des bereits laufenden Monitorings – einige Maßnahmen, die von Betroffenen zeitnah zu ergreifen sind, um eine fristgerechte Umsetzung des UFLA sicherzustellen.

Verpflichtete und Regelungsgehalt

Der VDE richtet sich mit seiner Anwendungsregel an alle Betreiber von Elektrizitätsversorgungsnetzen und daran angeschlossene Netznutzer. Von den Regelungen des UFLA konkret betroffen sind alle Netzbetreiber und Netznutzer, deren Stromverteilernetze mit Lastverhalten an HS-/MS-Trafos oder an MS-Abgängen betrieben werden.

Ziel des nunmehr in 10 (statt bisher 5) Frequenzstufen aufgegliederten Abwurfkonzepts ist es, die Abwurfleistung über die einzelnen Stufen (auch räumlich) möglichst gleichmäßig zu verteilen. Die Bestimmung der Abwurfpunkte und die Zuordnung zu den einzelnen Frequenzstufen obliegen dabei dem jeweiligen Netzbetreiber. Die Umsetzung der Einordnung der Abwurfpunkte soll durch die Netzbetreiber auf Grundlage der Kriterien der Wirksamkeit, Wirtschaftlichkeit und Effizienz erfolgen. Außerdem ist der Grundsatz der Diskriminierungsfreiheit zu beachten, auch wenn er in der VDE-AR-N 4142 nicht ausdrücklich genannt ist. Bei der Auswahl der Abwurfpunkte sind zudem die technischen Vorgaben der VDE-AR-N 4142 zu berücksichtigen. Nachdem die Abwurfpunkte unter Einhaltung der vorgegebenen Intervalle der Abwurfleistung in Bezug zur Gesamtlast festgelegt sind, ist die Schutz- und Steuertechnik an den HS-/MS-Transformatoren bzw. der MS-Abgängen umzurüsten. Dabei sollten Priorisierung der Abwurfpunkte und das Zusammenwirken mit den manuellen Letztmaßnahmen mitgedacht werden.

Ist es für betroffene Netzbetreiber nicht möglich, den UFLA eigenständig umzusetzen, müssen sie sich mit der Option des Gruppenabwurfkonzepts auseinandersetzen. Hierfür schließen sich nachgelagerte Netzbetreiber bzw. Netznutzer mit einem vorgelagerten Netzbetreiber zusammen, um eine gemeinsame Datenbasis zu erheben und die Abwurfgruppen festzulegen. Der Ein- bzw. Austritt in bzw. aus einem Gruppenabwurfkonzept ist jedoch nur zum Jahreswechsel möglich, sodass die Entscheidung über die Teilnahme (aufgrund der Umsetzungsfrist zum 18.12.2022) bereits bis Ende 2021 gefallen sein muss.

Ebenfalls 2021 steht das erste Reporting im Rahmen des UFLA an. Im Unterschied zum umfangreicheren Monitoring, das bereits in diesem Jahr durchgeführt wird, müssen beim Reporting die Jahresmittelwerte der Abwurfleistung aller Stufen des UFLA-Konzepts ermittelt und an den vorgelagerten Netzbetreiber übertragen werden.

Handlungsbedarf

Es ist Betroffenen anzuraten, die noch vorhandene Zeit intensiv zu nutzen, um sich auf die endgültige Umsetzung des UFLA bestmöglich vorzubereiten. So können sie Haftungsrisiken minimieren und möglicherweise entstehende Differenzen in der Zusammenarbeit mit anderen Akteuren (insbesondere im Rahmen eines Gruppenabwurfkonzepts) frühzeitig erkennen und entsprechend nachsteuern. Auch die Frage danach, wie eine diskriminierungsfreie Auswahl der Abwurfpunkte erfolgen soll, muss frühzeitig geklärt werden.

Ansprechpartner BBH: Dr. Michael Weise/Roman Schüttke
Ansprechpartner BBHC: Dr. Peter Bergmann/Christopher Hahne

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