Interviewreihe: Ilse Henne, Vorstand, thyssenkrupp AG

Am 24.4.2024 findet die BBH-Jahreskonferenz in der Französischen Friedrichstadtkirche in Berlin statt. Im Mittelpunkt steht das Thema Energie in seiner Gesamtheit, seiner systemischen Verknüpfung und seiner Entwicklungsperspektive. „Energie heute & morgen“ ist daher auch der Titel der Veranstaltung. Zu den Teilnehmer:innen gehören Entscheider:innen aus Politik, Wirtschaft und Verbänden – und mit eben diesen Impulsgeber:innen haben wir im Vorfeld Interviews geführt, die wir an dieser Stelle veröffentlichen werden. Heute: Ilse Henne, Vorstand, thyssenkrupp AG.

BBH-Blog: Energie ist ein essenzieller Teil Ihres beruflichen Lebens. Welcher Aspekt genießt dabei bei Ihnen heute die höchste Priorität?

Ilse Henne: Zwei Aspekte sind für uns von hoher Bedeutung: Erstens die Verfügbarkeit von grüner Energie. Denn für die Umstellung auf eine klimaneutrale Industrie und insbesondere die Stahlproduktion werden enorme Mengen an Grünstrom benötigt. Zweitens sind die Kosten für diese Energie von großer Relevanz. Derzeit sehen sich europäische und insbesondere deutsche Stahl- und Industrieunternehmen mit hohen – international nicht wettbewerbsfähigen – Energiepreisen konfrontiert. Beide Themen müssen angepackt werden. Wir bei thyssenkrupp wollen Teil der Lösung sein. Deshalb richten wir unseren Konzern mit aller Kraft auf klimafreundliche Technologien aus. Wir machen thyssenkrupp zum Wegbereiter der grünen Transformation. Das heißt, wir dekarbonisieren unsere eigenen Geschäfte und wir unterstützen unsere Kunden mit innovativen, grünen Lösungen dabei, ihre Klimaziele zu erreichen. Dabei spielen die Dekarbonisierung von industriellen Produktionsprozessen, aber auch nachhaltige Wertstoffkreisläufe eine elementare Rolle. Unser Segment Materials Services agiert beispielsweise als intelligenter, nachhaltig ausgerichteter Lieferkettenmanager. Wir werden vom Werkstoffhändler zum Manager nachhaltiger Wertstoffkreisläufe.

BBH-Blog: Damit wir von der „Energie heute“ zur „Energie morgen“ kommen, brauchen wir einen Transformationsprozess. Welcher Baustein wird Ihrer Meinung nach dabei immer wieder unterschätzt? Und welcher überschätzt?

Henne: Unterschätzt wird die Wichtigkeit von Energiepartnerschaften. Wir sind überzeugt: Wenn Energieerzeuger und Energieabnehmer direkt zusammenarbeiten, können wir die Energiewende beschleunigen und entsprechende Transformationskosten langfristig auf ein wettbewerbsfähiges Kostenniveau bringen. Überschätzt werden dagegen häufig die technischen Hürden für die grüne Transformation. Bei thyssenkrupp setzen wir schon heute zahlreiche innovative Technologien und Lösungen ein, um unsere Kunden auf ihrem Weg zur Klimaneutralität zu unterstützen – sei es in den Bereichen Stahl, Kreislaufwirtschaft, Windenergie, Wasserstoffherstellung und -transport, Zementindustrie oder bei der Mobilitätswende.

BBH-Blog: Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass die ehrgeizigen Pläne für die Transformation des Energiesystems in Deutschland und Europa bis zur Mitte des Jahrhunderts nicht umgesetzt sind?

Henne: Die Welt hat den Klimawandel als zentrale Aufgabe identifiziert und sich auf den Weg zur Klimaneutralität gemacht. Ich bin zuversichtlich, dass wir diesen ambitionierten Weg weiter und schneller beschreiten werden. Zudem ist die Umsetzung bereits in vollem Gange: Großprojekte wie unsere erste wasserstofffähige Direktreduktionsanlage in Duisburg, aber auch die Auftragsentwicklung in unserem Segment Decarbon Technologies – unserem grünen Industrie-Powerhaus – zeigen das deutlich. Leicht wird das allerdings nicht. Wirtschaft, Politik und Gesellschaft: Alle sind gefordert, ihren Teil beizutragen.

BBH-Blog: Sehen Sie eine Wahrscheinlichkeit, dass das Projekt insgesamt scheitert?

Henne: Nein, weil wir keine andere Wahl haben. Würden wir die begonnene Transformation abbrechen, würden das Klima und unser Wohlstand großen Schaden davontragen. Das kann niemand, der das Beste für Menschen und Planeten im Blick hat, ernsthaft wollen. Bei allem, was uns der klimaneutrale Umbau abverlangt, er bietet auch große Chancen. Experten rechnen für den globalen Markt „Grüner Technologien“ mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate (CAGR) von mehr als 20 Prozent bis 2030.

BBH-Blog: Sehr geehrte Frau Henne, herzlichen Dank für das Gespräch. Wir freuen uns auf die weitere Diskussion im Rahmen unserer Jahreskonferenz am 24.4.2024.

Mehr Infos zu unserer Jahreskonferenz finden Sie hier.

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