(Nun auch) Post aus Berlin an den EuGH: Hat die EU-Kommission die Zuteilung von CO2-Zertifikaten rechtswidrig gekürzt?

(c) BBH
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Schon seit Längerem blickt die Industrie, die für ihre Treibhausgasemissionen im europäischen Emissionshandel CO2-Zertifikate abgeben muss, gespannt nach Luxemburg (wir berichteten). Der Grund: Die Europäische Kommission hatte die kostenlose Zuteilung von CO2-Zertifikaten für die Handelsperiode 2013 bis 2020 mit dem „sektorübergreifender Korrekturfaktor“ (Cross Sectoral Correction Factor – CSCF) um bis zu 17,56 Prozent gekürzt (wir berichteten). Diesen Kürzungsfaktor soll die Kommission – so die Vermutung – auf einer fehlerhaften Datenbasis, nach einer fehlerhaften Berechnungsmethodik und ohne Beachtung des vorgeschriebenen Verfahrens ermittelt haben. Außerdem wird kritisiert, dass sich der Rechenweg für die Unternehmen nicht nachvollziehen lässt und diesen die Datengrundlage der Berechnung nicht vollständig offengelegt wurde. 

Den Anlagenbetreibern war es aber verwehrt, direkt gegen den CSCF zu klagen. Denn auch wenn die Zuteilungsregeln inzwischen von Europa einheitlich vorgegeben werden, erlassen nach wie vor Behörden in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten die Zuteilungsbescheide. Gegen die muss denn auch zunächst vor den nationalen Gerichten geklagt werden. Diese können allerdings ebenso wenig wie die Zuteilungsbehörden eine Entscheidung der Europäischen Kommission für rechtswidrig erklären, sondern müssen ihre Bedenken im sog. Vorabentscheidungsverfahren dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg vorlegen. Die ersten Vorlagefragen eines österreichischen Gerichts haben die europäischen Richter bereits im April 2014 erreicht, also vor über einem Jahr. Seitdem sind mehrere weitere Vorlagen zum CSCF beim EuGH eingegangen, namentlich aus Holland, Italien und Finnland. Vom EuGH hört man zu den Vorlagen aber derzeit noch nichts. Möglicherweise will man dort zunächst abwarten, ob noch Gerichte aus den übrigen Mitgliedstaaten vorlegen.

Vorlagen aus Deutschland hatten hier aber bislang auf sich warten lassen. Dies beruhte nicht zuletzt darauf, dass die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) – die in Deutschland nicht nur Zuteilungsbehörde ist, sondern gleichzeitig für die Widersprüche gegen die Zuteilungsbescheide zuständig ist – offensiv darauf hingewirkt hatte, dass die deutschen Anlagenbetreiber ihre Widersprüche gegen den CSCF mit Blick auf die beim EuGH ja schon anhängigen Verfahren ruhend stellen lassen – ein nicht unbedingt der Sache förderliches Vorgehen, sollte der EuGH darauf warten, ob auch aus Deutschland Zweifel am CSCF angemeldet werden.

Nun hat es sich aber inzwischen der erste deutsche Anlagenbetreiber nicht nehmen lassen, auf der Entscheidung über seinen Widerspruch zu bestehen, und gegen den – unweigerlich ablehnenden – Widerspruchsbescheid der DEHSt Klage zum Verwaltungsgericht (VG) Berlin erhoben. Dieses hat nun am 21.5.2015 ebenfalls einen Vorlagebeschluss an den EuGH erlassen. Aus den gestellten Vorlagefragen wird deutlich, dass das VG Berlin ebenfalls die Rechtmäßigkeit des CSCF bezweifelt, wie andere Gerichte, die bereits vorgelegt haben. Diese Zweifel erhalten dadurch ein zusätzliches Gewicht.

Die betroffenen Unternehmen hoffen nun, dass es jetzt auch in Luxemburg bald vorangeht. Denn geht es nach der DEHSt, haben die Anlagenbetreiber nicht unbegrenzt Zeit, um ihre Zweifel an der Kürzung ihrer Zuteilung klären zu lassen: Die Behörde meint schließlich, dass nicht erfüllte Zuteilungsansprüche mit dem Ablauf der Handelsperiode erlöschen. Nun scheint das Ende der Handelsperiode zwar noch weit. Bedenkt man aber, dass der EuGH die Kommission womöglich auf eine Neuberechnung des CSCF verpflichtet, die bereist im ersten Durchgang nicht viel weniger als zwei Jahre in Anspruch genommen hat, könnte die Zeit dennoch knapp werden.

Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Tigran Heymann/Carsten Telschow

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