Was ich nicht weiß… Zur Anfechtbarkeit von Zahlungen aufgrund eines Sanierungsplans

(c) BBH
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Was tut man nicht alles für seine Kunden. Man reibt sich auf für sie. Und im Normalfall kann man natürlich erwarten, von ihnen dafür bezahlt zu werden. Aber hin und wieder kommt es vor, dass man dem Geld hinterherlaufen muss. Das muss kein böser Wille sein: Der Kunde würde ja gern zahlen, aber er kann eben nicht – sicher nur vorübergehend. Liquiditätsengpässe, das kann ja mal passieren. Und weil man stets nett sein will zu seinem Kunden, kommt man ihm entgegen. Wenn nicht jetzt, dann halt später! Lieber geduldig sein als den Kunden in die Insolvenz schicken. Und wenn der Kunde dann doch noch in die Insolvenz geht, ist man wenigstens nicht schuld daran.

So viel vorab: Man wird es Ihnen regelmäßig nicht danken.

Der Grund dafür ist die so genannte Vorsatzanfechtung (§ 133 Abs. 1 InsO). Der Insolvenzverwalter kann geleistete Zahlungen an Dritte wieder zurückverlangen, wenn diese wussten oder jedenfalls erkennen mussten, dass sich der Geschäftspartner in einer wirtschaftlichen Krise befindet (wir berichteten). Ein Schuldner, der seine (zumindest drohende) Zahlungsunfähigkeit kennt, weiß regelmäßig auch, dass sein liquides Vermögen nicht mehr ausreicht, um sämtliche Gläubiger zu befriedigen. Leistet er dennoch an einzelne Gläubiger, wird er regelmäßig andere Gläubiger benachteiligen (wollen). Demjenigen, der in Kenntnis der wirtschaftlichen Krise seines Geschäftspartners von diesem noch Zahlungen erhält, wird unterstellt, dass er um diese Gläubigerbenachteiligung weiß.

Wann eine zumindest drohende Zahlungsunfähigkeit des Geschäftspartners bekannt war bzw. aufgrund welcher Umstände man hierauf schließen musste, ist Gegenstand zahlreicher gerichtlicher Entscheidungen. Immer wieder Thema sind in diesem Kontext die im Geschäftsverkehr üblichen Bitten eines Schuldners um Zahlungserleichterung, etwa Stundungs- und Ratenzahlungsbitten. Was aus solchen Bitten abgeleitet werden muss, lässt sich nicht pauschal beantworten. Die Rechtsprechung betont stets, es komme auf den konkreten Einzelfall an, insbesondere die Begleitumstände einer solchen Bitte um Zahlungserleichterung.

Was passiert aber, wenn Ihr Geschäftspartner Sie mit einem Sanierungskonzept konfrontiert und um Unterstützung bei dessen Realisierung bittet? Auf den ersten Blick hat Ihr Geschäftspartner damit die Karten, sprich seine zumindest drohende Zahlungsunfähigkeit, offen gelegt – die Folge: Vorsatzanfechtung. Doch so einfach ist das nicht. Ein schlüssiges Sanierungskonzept kann das Anfechtungsrisiko unter Umständen sogar reduzieren.

Denn einem Schuldner, der im Kontext eines Sanierungsplans um Zahlungserleichterung bittet, kann nicht ohne weiteres ein Vorsatz unterstellt werden, andere Gläubiger benachteiligen zu wollen. Und wenn dieser Vorsatz beim Schuldner fehlt, dann kann ihn der Anfechtungsgegner auch nicht gekannt haben. Das gilt selbst dann, wenn dieser die (zumindest drohende) Zahlungsunfähigkeit tatsächlich erkannt hat, aber der Sanierungsplan gefasst wird, um sie zu beseitigen.

Entlastend wirkt der Sanierungsplan jedoch nur dann, wenn ein schlüssiges Sanierungskonzept vorliegt, dem die tatsächlichen Gegebenheiten zugrunde liegen und das zumindest in den Anfängen bereits umgesetzt ist und eine ernsthafte und begründete Aussicht auf Erfolg bietet. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einer Grundsatzentscheidung (Az. IX ZR 65/14) am 12.5.2016 entschieden. Der Plan, so die Richter, muss keinen bestimmten formellen Erfordernissen entsprechen. Erforderlich sei aber, dass die wirtschaftliche Lage des Schuldners im Rahmen seiner Branche analysiert und die Krisenursache sowie die Vermögensertrags- und Finanzlage umfassend erfasst und beleuchtet werden. Das Konzept müsse die Bereinigung sämtlicher Verbindlichkeiten des Schuldners sowie eine Sanierung seines Geschäftsbetriebs erkennbar und möglich machen.

Was aber bedeutet dies nun konkret für den Geschäftspartner, der sich bei Fortsetzung der Kundenbeziehung einem nicht zu unterschätzenden Anfechtungsrisiko aussetzt?

Der Anfechtungsgegner muss im Rahmen der Abwehr eines insolvenzrechtlichen Anfechtungsanspruchs regelmäßig konkrete Umstände darlegen und beweisen, die es als naheliegend erscheinen lassen, dass er von keinem Vorsatz des Schuldners, andere Gläubiger zu benachteiligen, wusste. Das ist schwierig, da man in der Regel nicht an der Ausarbeitung des Sanierungsplans mitgewirkt hat und damit letztlich auf Informationen angewiesen ist, die der Schuldner selbst zur Verfügung stellt.

Anders als sonst ist es also geboten, sich rechtzeitig prüf- und belastbare Informationen beim Schuldner einzuholen. Dies mutet zwar auf den ersten Blick widersinnig an, holt man sich die für eine erfolgreiche Anfechtung relevanten Informationen doch gerade ins Haus. Der BGH geht jedoch davon aus, dass ein Gläubiger in der Regel nicht darauf vertrauen darf, Zahlungen, die er von bekanntermaßen zahlungsunfähigen Schuldner erhält, im eröffneten Insolvenzverfahren behalten darf.

Mit anderen Worten: wer in dieser Konstellation ein Anfechtungsrisiko vermeiden will, sollte so viele Informationen erlangen (und ggf. verlangen), dass sich die Benachteiligung anderer Gläubiger nach dem Konzept des Schuldners einschätzen und ausschließen lässt. Daher sollte man darauf bestehen, dass der Schuldner derartige Tatsachen, die zur Beurteilung der Erfolgsaussichten des Sanierungsversuchs erforderlich und aussagekräftig sind, mitteilt.

Ansprechpartner: Oliver Eifertinger/Markus Ladenburger/Steffen Lux

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