Das Bundeskartellamt und das duale System – eine gemischte Bilanz

(c) BBH
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Der Markt für die Rücknahme und Verwertung von Verpackungen aus privaten Abfällen ist geöffnet – wie wirkt sich das auf den Wettbewerb aus? Dies analysiert der Abschlussbericht zu der im Juli 2012 eingeleiteten Sektoruntersuchung „duale Systeme“, den das Bundeskartellamt (BKartA) am 3.12.2012 veröffentlicht hat. Das Ergebnis ist laut Andreas Mundt, Präsident des BKartA, mehr als erfreulich. So habe die zunehmende Konkurrenz der inzwischen neun Anbieter auf dem Markt zu erheblichen Kosteneinsparungen und Qualitätsverbesserungen beim Recycling geführt, die einen vierköpfigen Haushalt um ca. 50 Euro im Jahr entlasten würden.

Andere teilen die Begeisterung der Wettbewerbshüter nicht. So wird teilweise kritisiert, dass die vom Bundeskartellamt so gepriesenen Einsparungen zu Lasten der Mitarbeiter und der Umwelt gingen. Beispielsweise sei im Bereich der Verpackungsentsorgung die Tarifbindung für die Beschäftigten im Vergleich zu anderen Bereichen am geringsten.

Auch die Umwelt profitiere nicht von der Marktöffnung, da bei den Leichtverpackungen nur die gesetzlich vorgeschriebene Recyclingquote erfüllt werde, während zwei Drittel dieser Fraktion weiterhin verbrannt würden. Das eigentliche Ziel der Verpackungsverordnung, dass weniger Verpackungen im Umlauf sind und mehr recycelt wird, habe demnach kaum erreicht werden können. Durch die Wettbewerbsöffnung sei weder den Mitarbeitern noch der Umwelt gedient. Was die Kosten anginge, so habe die Wettbewerbsöffnung eher noch zu größerer Intransparenz und höheren Transaktionskosten geführt, so dass die Verwaltungskosten des überaus komplexen Systems nach wie vor enorm hoch seien – und das zu Lasten der Verbraucher, die diese Kosten beim Einkauf von Produkten mitbezahlen. Darüber hinaus sei unverständlich, warum das BKartA als Hüterin des Wettbewerbsrechts den Umstand unkommentiert lasse, dass einige der dualen Systembetreiber in der Hand großer Entsorgungskonzerne sind: „Wenn die Konzerntochter eine Ausschreibung macht, an der sich auch die Konzernmutter beteiligt, sollte zumindest der Frage nachgegangen werden, ob diese Konstellation einen echten Wettbewerb zulässt“, heißt es von Seiten eines unter anderem auch im Entsorgungsbereich aktiven Verbandes.

Eric Rehbock, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Sekundärrohstoffe und Entsorgung (bvse) fasst die Situation wie folgt zusammen: „Wir recyceln zu wenig. Wir haben keinen fairen Wettbewerb. Das gegenwärtige System ist nicht verbraucherfreundlich und außerdem unterfinanziert. So kann und so wird es nicht weitergehen.“ Der bvse schlägt daher vor, die Rolle der dualen Systeme wieder auf ihre Gewährleistungsfunktion für die Erfassung und Verwertung der Verpackungsmaterialien zu beschränken. Die Verpackungsentsorgung könne auf diese Weise beispielsweise im
Rahmen des geplanten Wertstoffgesetzes aber auch auf andere Art und Weise neu geordnet werden.

Auch kommunale Entsorger und Teile der Privatwirtschaft fordern eine Abschaffung des Wettbewerbs der dualen Systeme. Die Verantwortung für die Vergabe der Entsorgungsleistungen solle von den dualen Systemen auf eine „zentrale Stelle“ oder die Kommunen übergehen. Bundeskartellsamtspräsident Mundt hält allerdings gegen diesen Vorschlag: Die Konkurrenz privater Entsorgungsunternehmen müsse im Interesse der Bürgerinnen und Bürger erhalten werden. Eine erneute Monopolisierung hätte nicht nur höhere Entsorgungskosten sondern auch den Verlust von Innovationen zur Folge. Erst im Wettbewerb hätten sich beispielsweise moderne Sortieranlagen durchgesetzt, die die Voraussetzung des heutzutage hochwertigen Recyclings seien.

Wenn sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen, wie von der Bundesregierung geplant, durch ein neues Wertstoffgesetz ändern, wird es also darauf ankommen, ein die Interessen der Bürgerinnen und Bürger an einem kostengünstigen und transparenten Entsorgungssystem und das öffentliche Interesse an einem funktionierenden, ehrgeizigen und innovativen Recyclingprozess miteinander zum Ausgleich zu bringen. Ob dies durch eine Auftragsvergabe durch die Kommunen im Rahmen öffentlicher Ausschreibungen oder weiterhin im Wettbewerb geschehen wird, liegt nun in den Händen der Regierung.

Ansprechpartner: Dr. Dörte Fouquet/Axel Kafka/Dr. Christian Jung/Folkert Kiepe

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