OLG Frankfurt kippt Praxis der einseitigen Änderung von Preisanpassungsregelungen im Wärmebereich

Wenn der Fernwärmeversorger einseitig seine Preisänderungsregelung ändert, ist das unwirksam. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main mit seinem Urteil (v. 21.3.2019, Az. 6 U 190/17) entschieden, ebenso wie zuvor (Urt. v. 5.10.2017, Az. 15 O 111/16) das Landgericht (LG) Darmstadt und in scharfem Kontrast zur bisherigen Praxis (vgl. auch Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth, Urteil v. 22.5.2013, Az. 3 O 4143/12).

Die Frage, ob einseitige Änderungen der Preisänderungsregelung wirksam sind, war dabei wettbewerbsrechtlich eingekleidet. Das Gericht hatte zu entscheiden, ob der beklagte Fernwärmeversorger seinen Kunden dadurch irregeführt hatte, dass er ihm die Änderung des Preissystems und der Preisänderungsregelung mitteilte und somit unwahre Angaben über Rechte des Verbrauchers machte. Der klagende Verbraucherschutzdachverband sah in dem Schreiben unlauteren Wettbewerb und beantragte die Unterlassung entsprechender Handlungen und das Versenden von Berichtigungsschreiben an die betroffenen Wärmekunden. Beiden Begehren hat das OLG Frankfurt am Main entsprochen.

Damit der Fernwärmeversorger den Vertrag einseitig ändern kann, bedarf es laut Gericht einer besonderen gesetzlichen oder übereinstimmenden vertraglichen Regelung, und die habe es in diesem Fall nicht gegeben – insbesondere nicht in § 4 Abs. 2 AVBFernwärmeV, da die Norm lediglich eine (zusätzliche) formelle Voraussetzung in Form der öffentlichen Bekanntgabe für das Wirksamwerden einer Änderung der Versorgungsbedingungen aufstelle. Andernfalls bedürfe es ja gar keiner Vereinbarung von Preisänderungsklauseln.

Frage der Praxistauglichkeit im Sinne der AVBFernwärmeV

Besteht damit innerhalb der Vertragslaufzeit keine Möglichkeit zur Änderung der Preisänderungsklausel? So sieht es jedenfalls das OLG und verwies darauf, dass die Beklagte nicht daran gehindert sei, überschaubare Kündigungsfristen zu vereinbaren. „Die Beklagte, der die Vorteile einer langfristigen Bindung zugutekommen, muss jedenfalls grundsätzlich auch die sich daraus ergebenden Nachteile in Kauf nehmen.“ Für Fälle besonderer Umstände stünde der Beklagten immer noch ein außerordentliches Kündigungsrecht zur Verfügung. Völlig unbeachtet lässt das OLG insoweit, dass der Gesetzgeber wegen der hohen Infrastrukturkosten für ein Wärmenetz nebst Erzeugungsanlage von dem sonst für Höchstvertragslaufzeiten in Allgemeinen Geschäftsbedingungen geltenden Leitbild abweicht und daher in § 32 Abs. 1 AVBFernwärmeV eine Erstvertragslaufzeit von zehn Jahren zulässt. Kurze Vertragslaufzeiten zu vereinbaren, um wirtschaftliche Risiken abzumildern – wie vom OLG Frankfurt als Lösung angeboten – werden dem Leitbild der AVBFernwärmeV mit einer Refinanzierung der Infrastrukturkosten über langfristige Wärmelieferungsverträge nicht gerecht.

Preisanpassungsklausel bleibt Streitpunkt

Beinahe zynisch muten die Ausführungen des OLG zum Umgang mit Änderungen der Kostenstruktur des Fernwärmeversorgers an: Ihnen könne nach Ansicht des OLG mit der vereinbarten Preisänderungsklausel hinreichend begegnet werden. Wenn sich die Kostenstruktur tiefgreifend ändert, dann müsse der Fernwärmeversorger eben auf das Mittel der Änderungskündigung zurückgreifen. Der Bundesgerichtshof (BGH) geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass eine Preisanpassungsklausel für die Zukunft nichtig wird, wenn sich die Kostenstruktur des Fernwärmeversorgers bei der Bereitstellung und Erzeugung der Wärme ändert. Vor diesem Hintergrund wird insbesondere der Anreiz zur Umstellung auf beispielsweise umweltfreundlichere Wärmeversorgungsmöglichkeiten komplett konterkariert, wenn der Fernwärmeversorger sodann gezwungen ist, im Wege der Änderungskündigung, bestehende Fernwärmeversorgungsverträge zu beenden und neu abzuschließen. Zwar lässt das OLG an dieser Stelle offen, ob eine unwirksam gewordene Preisanpassungsklausel ggf. im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 157133 BGB) ersetzt werden kann. Unberücksichtigt bleibt zudem, dass die Regelung in § 4 Abs. 2 AVBFernwärmeV nach ihrem Wortlaut gerade voraussetzt, dass Versorgungsbedingungen vom Fernwärmeversorger einseitig angepasst werden können.

Das OLG hat die Revision zum BGH zugelassen. Bei einer so umstrittenen Frage ist wohl mit einer höchstrichterlichen Entscheidung zu rechnen. Schon jetzt steht allerdings fest, dass die OLG-Entscheidung erhebliche Auswirkungen auf die Fernwärmeversorgung hat.

Ansprechpartner*innen BBH: Ulf Jacobshagen/Dr. Markus Kachel
Ansprechpartner*innen BBHC: Marcel Malcher/Roland Monjau/Felix Hoppe

Share
Weiterlesen

09 Oktober

Ein Meilenstein der Gasnetztransformation: die Festlegung KANU 2.0 der BNetzA

Zur Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens hat sich die Bundesrepublik Deutschland die Treibhausgasneutralität bis zum Jahr 2045 zum Ziel gesetzt. Damit muss dann auch die erdgasbasierte Wärmeversorgung ihr Ende gefunden haben. Da die bestehende Infrastruktur in den Gasverteilernetzen zukünftig voraussichtlich nur...

07 Oktober

Gasnetztransformation: Festlegung der Fahrpläne

Gasverteilernetzbetreiber können auf Basis der kommunalen Wärmeplanung einen Fahrplan zur Umstellung der Erdgasinfrastruktur auf Wasserstoff abschließen. Die Details legt die Bundesnetzagentur (BNetzA) nach § 71k Gebäudeenergiegesetz (GEG) mit dem laufenden Festlegungsverfahren „FAUNA“ fest („Fahrpläne für die Umstellung der Netzinfrastruktur auf...