Geheim oder transparent? Der Schutz von Betriebs- & Geschäftsgeheimnissen bei gesetzlichen Veröffentlichungspflichten

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Bei den Veröffentlichungen von Entscheidungen der Regulierungsbehörden stellt sich immer wieder die Frage, ob und inwieweit Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse von betroffenen Unternehmen geschützt und von Veröffentlichungen ausgenommen sind, wenn gesetzliche oder behördliche Anordnungen umfassende Transparenz bei Veröffentlichungen vorsehen.

Was sagen die Gesetze?

Nach § 74 Satz 1 EnWG sind Entscheidungen der Regulierungsbehörde nach Teil 3 des EnWG im Internet und im Amtsblatt der Regulierungsbehörde zu veröffentlichen. § 71 Satz 1 EnWG stellt im Grundsatz klar, dass Unternehmen zur Sicherung ihrer Rechte in Verwaltungsverfahren dazu verpflichtet sind, die Informationen zu kennzeichnen, die Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse enthalten. Sind Informationen als Geheimnisse gekennzeichnet, dürfen sie nicht ohne behördliche Anhörung veröffentlicht werden (§ 71 Satz 4 EnWG). Die Anreizregulierungsverordnung (ARegV) enthält mit § 31 ARegV eine Vorschrift, die es der Regulierungsbehörde ermöglicht, bestimmte Daten bzw. Informationen von Netzbetreibern zu deren Kosten- und Netzstrukturen in nicht anonymisierter Form zu veröffentlichen.

Wie werden die Geheimnisse geschützt?

Über diesen und anderen Veröffentlichungsvorschriften steht der grundrechtlich, einfachgesetzlich und unionsrechtlich verankerte Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen.

So unterfallen betriebliche und geschäftliche Informationen dem Schutzbereich der Berufs- und Eigentumsfreiheit (Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG). Da auch im Unionsrecht Vorschriften zum Geheimnisschutz existieren, wird zudem von einem unionsrechtlichen Grundsatz des Geheimnisschutzes gesprochen. In § 30 VwVfG wird den Beteiligten am Verwaltungsverfahren ein subjektiv öffentlicher Anspruch auf den Schutz ihrer Geheimnisse vor unbefugter Offenbarung durch Behörden eingeräumt. Auch das am 26.4.2019 in Kraft getretene sog. Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG) schützt Geschäftsgeheimnisse umfassend (wir berichteten).

Der BGH schafft Klarheit

In seiner Rechtsprechung zu § 31 ARegV bekennt der Bundesgerichtshof (BGH) sich zu einem weiten Verständnis des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen.

Bereits am 11.12.2018 hatte er erstmals entschieden (Az. EnVR 21/18), dass der Geheimnisschutz weit auszulegen ist. Die Veröffentlichung unternehmensbezogener Daten in nicht anonymisierter Form sei daher zum Großteil rechtswidrig und die rechtswidrigen Regelungen in § 31 Abs. 1 ARegV als nichtig einzustufen.

Mit Beschluss (Az. EnVR 12/18) vom 8.10.2019 hat der BGH die Vorgaben für die Prüfung, ob ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis vorliegt, fortentwickelt und präzisiert: Zu § 31 Abs. 1 ARegV stellt der BGH fest, dass dieser eine uneingeschränkte Veröffentlichung unternehmensbezogener, nicht allgemein bekannter Daten von Unternehmen nicht ermöglicht. Hat der Verordnungsgeber bei Schaffung einer Norm zur Veröffentlichung von Informationen – wie § 31 Abs. 1 ARegV – keine Interessenabwägung vorgenommen und ist diese auch bei Anwendung dieser Norm nicht durchzuführen, greift der Geheimnisschutz, soweit das Schutzinteresse bei abstrakt genereller Betrachtung nicht ausgeschlossen werden kann. Sonst würde der grundrechtlich gebotene, einfachgesetzlich in § 30 VwVfG und den §§ 1, 2 GeschGehG sowie der sog. Know-how-Richtlinie angestrebte Geheimnisschutz entwertet. An das Geheimhaltungsinteresse (Annahme eines Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses) sind daher keine hohen Anforderungen zu stellen. Das berechtigte Geheimhaltungsinteresse darf nicht auf eine Weise interpretiert werden, welche die Voraussetzungen des Geheimnisschutzes mit der nachgelagerten Frage vermengt, ob andere Interessen (z.B. Transparenz) trotz berechtigtem Geheimhaltungsinteresse die Offenlegung der Information ausnahmsweise rechtfertigen können.

Ausblick

Mit dem BGH ist der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen im Grundsatz weit zu verstehen und ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse auch ohne Abwägung mit anderen Interessen grundsätzlich anzunehmen. Nur bei der nachgelagerten Frage, ob eine Information trotz Geheimhaltungsinteresse offenzulegen ist, kann eine Abwägung des Geheimhaltungsinteresses mit anderen (z.B. öffentlichen) Interessen eine Offenlegung in Ausnahmefällen rechtfertigen, insbesondere bei Abwägungsentscheidungen außerhalb des Anwendungsbereiches von § 31 ARegV. Um Geschäftsgeheimnisse vor einer Veröffentlichung oder unbefugten Verwendung durch Dritte zu schützen, ist die Kennzeichnung einer Information als Geheimnis allein nicht (mehr) ausreichend. Nach dem GeschGehG müssen Unternehmen vielmehr nachweisen können, dass sie angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen zum Schutz relevanter Informationen ergriffen haben.

Um den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen bei gesetzlichen Veröffentlichungspflichten auch weiterhin zu gewährleisten, sollten Unternehmen bei der Prüfung relevanter Informationen daher den Geheimnisschutz mit der Rechtsprechung des BGH zu § 31 ARegV grundsätzlich weit verstehen und den Moment als Anlass für eine Bestandsaufnahme sowie die Ergreifung von nach dem GeschGehG notwendigen Umsetzungsmaßnahmen zum Schutz ihrer Informationen nutzen. Einige Unternehmen stehen deshalb vor der Herausforderung, das eigene Informationsmanagement vor dem Hintergrund des GeschGehG und der Rechtsprechung des BGH zum Geheimnisschutz zu überdenken.

Ansprechpartner: Dr. Jost Eder/Stefan Wollschläger/Stefan Missling/Thomas Schmeding

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