Problemfall Redispatch 2.0: Von der Übergangslösung zum Zielmodell

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Seit 1.10.2021 gelten mit dem Redispatch 2.0 neue gesetzliche Vorgaben für die Bewirtschaftung von Netzengpässen. Für den bilanziellen Ausgleich als Kern der Neuregelungen hatte eine von der Bundesnetzagentur (BNetzA) akzeptierte Übergangslösung den Betroffenen bis Mitte 2022 zusätzlich Zeit verschafft. Aufgrund des Umsetzungsstands in der Branche hatte sich allerdings in den letzten Tagen und Wochen schon abgezeichnet, dass ein vollautomatisierter Redispatch mit bilanziellem Ausgleich auch ab dem 1.6.2022 noch nicht wird stattfinden könne. Erwartungsgemäß hat nun auch die BNetzA noch einmal reagiert und mit ihrer Mitteilung Nr. 9 einige Erläuterungen im Zusammenhang mit der Beendigung der Übergangslösung zum Redispatch 2.0 veröffentlicht.

Lageeinschätzung zum Redispatch 2.0

Die BNetzA erkennt die Anstrengungen der Netzbetreiber bei der Umsetzung des Redispatch 2.0 an. Fortschritte seien durchaus erkennbar, allerdings sähen sich noch nicht alle Netzbetreiber in der Lage, die Bereitschaft zum bilanziellen Ausgleich zu melden. Problematisch ist aus Sicht der Behörde, dass „die Erfassung der Stammdaten der betroffenen Anlagen sowie die elektronische Kommunikation mit den Einsatzverantwortlichen (EIV) und Lieferanten nicht den Abdeckungsgrad erreichen, der für einen reibungslosen Start des bilanziellen Ausgleichs durch den Netzbetreiber erforderlich“ sei. Die BNetzA befürchtet dadurch Risiken für die Systembilanz, die aus einem ggf. doppelt durchgeführten bilanziellen sowie energetischen Ausgleich (Ausgleich sowohl durch den anfordernden Netzbetreiber als auch durch den Bilanzkreisverantwortlichen (BKV)) folgen könnten.

Dennoch soll es im Grundsatz dabei bleiben, dass die Übergangslösung für den gesicherten Einstieg in den Redispatch 2.0 am 31.5.2022 endet. Ist ein Netzbetreiber jedoch zum 1.6.2022 nicht in der Lage, den bilanziellen Ausgleich durchzuführen, hat der BKV ihn nach Auffassung der Behörde weiterhin selbst vorzunehmen. Zahlungen an den BKV zur finanziellen Kompensation könnten allerdings nur noch dann in die Netzentgelte gewälzt werden, wenn der Netzbetreiber nachweist, dass ihn kein Verschulden trifft. Wie dieser Nachweis erfolgen soll, bleibt offen. Hier ist auf weitere Erläuterungen zu hoffen. Bis dahin gilt es, Umsetzungsbemühungen möglichst umfassend intern zu dokumentieren.

Bewertung von Risiken für Systemsicherheit 

Sollte ein Netzbetreiber den operativen Test gemäß BNetzA-Mitteilung Nr. 8 zwar erfolgreich umgesetzt haben, der Übertragungsnetzbetreiber allerdings Risiken für die Systemsicherheit sehen, die gegen einen Start des bilanziellen Ausgleichs durch den Netzbetreiber sprechen, sollen die Übertragungs- und Verteilernetzbetreiber dies auf ihren Internetseiten veröffentlichen und der BNetzA ergänzend mitteilen. Inhaltliche Vorgaben gibt es nicht. Diese Möglichkeit komme etwa dann in Betracht, wenn aufgrund des voraussichtlichen Redispatch-Volumens und des geringen Abdeckungsgrads Risiken für die Systembilanz drohen. Im Hinblick auf die Kostenanerkennung gelte dann: Sobald Risiken für die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems nicht mehr vorliegen, habe der Netzbetreiber den bilanziellen Ausgleich entsprechend Mitteilung Nr. 8 zu beginnen. Soweit dem Netzbetreiber Kosten durch Zahlungen an den BKV für Aufwendungsersatz entstehen, könnten diese entsprechend der Mitteilung Nr. 6 längstens bis zum veröffentlichten Startdatum in die Netzentgelte gewälzt werden.

Übergangslösung als Ziellösung?

In zeitlicher Hinsicht wirft das die Frage auf, ob der Netzbetreiber – entgegen der Aussage, dass die Übergangslösung zum 31.5.2022 ende – den Start des bilanziellen Ausgleichs auch noch nach dem 1.6.2022 vornehmen und eine finanzielle Kompensation gegenüber dem BKV in die Netzentgelte wälzen kann. Dies wäre dann der Fall, wenn er gegenüber dem BDEW den Start der Aufnahme des bilanziellen Ausgleichs für einen nach dem 1.6.2022 liegenden Zeitpunkt  melden würde. Hierfür spricht, dass die BNetzA implizit von einer Verlängerung der Übergangslösung dann ausgeht, wenn der Übertragungsnetzbetreiber aufgrund von Risiken der Systemsicherheit einen Start des bilanziellen Ausgleichs bereits zum 1.6.2022 ablehnt. Die Umsetzung der Redispatch-2.0-Zielprozesse sollte zum frühestmöglichen Zeitpunkt angestrebt werden, so die Vorgabe. Frühestmöglich könnte im Falle einiger Netzbetreiber auch langfristig bedeuten.

Ansprechpartner*innen: Dr. Thies Christian Hartmann/Jens Vollprecht/Dr. Florian Wagner/Hannes Sauter

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