Rückforderungen im Mehrerlöszeitraum: BGH stoppt Doppeltkassierer
Der BGH hatte im Prinzip bereits im Jahr 2008 in seinem vielbeachteten Vattenfall-Beschluss (Entscheidung vom 14.8.2008, Az. KVR 39/07) die Kernfrage beantwortet: Die Mehrerlöse, die ein Netzbetreiber dadurch erzielt hatte, dass er seine ursprünglichen, noch nicht genehmigten Netzentgelte bis zur Wirksamkeit der Genehmigung beibehalten hatte, sollten nach Ansicht des BGH periodenübergreifend im Rahmen der künftigen Genehmigungszeiträume saldiert werden. Die Ansage des BGH war und ist damit für alle Beteiligten, ob nun Regulierungsbehörden, Netzbetreiber oder Netznutzer, eindeutig: Die Netznutzer bekommen ihr zu viel gezahltes Geld durch die Mehrerlössaldierung zurück; damit braucht niemand mehr individuell zu klagen.
Umso erstaunlicher war, dass einige Netznutzer dies trotzdem probierten und damit quasi doppelt abkassieren wollten; einmal über die von den Regulierungsbehörden angeordneten Mehrerlössaldierungen und die damit zusammenhängenden Netzentgeltabsenkungen sowie zudem noch über eine individuelle Rückzahlung im Rahmen eines Zivilprozesses. Dabei darf man nicht vergessen, dass die jetzt zurückgeforderten Entgelten ohnehin schon von den Stromkunden an den Lieferanten bezahlt wurden.
Rechtliche Argumentation für die Rückforderung der Netznutzer war unter anderem, dass der Vattenfall-Beschluss in einem energieverwaltungsrechtlichen Verfahren zwischen einer Regulierungsbehörde und einem Netzbetreiber ergangen sei und demgemäß keinen Rückschluss auf ein zivilrechtliches Verfahren zwischen einem Netzbetreiber und einem Netznutzer zulasse.
Es kam, wie es kommen musste: Über zwei Berufungsurteile des OLG Celle, die entsprechend der BGH-Rechtsprechung im Vattenfall-Beschluss die Ansprüche der Netznutzer für den Mehrerlössaldierungszeitraum abgelehnt hatten, gelangte die Rechtsfrage erneut zum BGH; diesmal aber im Rahmen eines Zivilverfahrens. In zwei gleichlautenden Hinweisbeschlüssen vom 30.3.2011 (Az. KZR 70/10 und KZR 69/10) ließ der BGH sehr klar erkennen, dass er mit der Revision des Netznutzers kurzen Prozess machen werde. Es drohte dem revisionsführenden Netznutzer die Höchststrafe: Eine Zurückweisung der Revision im Beschlusswege wegen offenkundiger Erfolglosigkeit. Der Netznutzer zog daraus die einzig logische und richtige Konsequenz. Er nahm die Revision zurück.
Die Frage des (Nicht-)Bestehens von Rückforderungsansprüchen von Netznutzern im Mehrerlössaldierungszeitraum dürfte vor dem vorbezeichneten Hintergrund nun endgültig höchstrichterlich geklärt sein: Eine Rückabwicklung findet allein über die Absenkung der Erlösobergrenze statt; individuelle Rückforderungsansprüche Dritter sind ausgeschlossen.
Ansprechpartner: Stefan Wollschläger/Prof. Dr. Christian Theobald/Dr. Ines Zenke