Systemwechsel in der Umsatzbesteuerung: § 2b UStG richtig anwenden
Die zwingende Umstellung auf die Regelungen des § 2b UStG und der damit verbundene Systemwechsel in der Umsatzbesteuerung juristischer Personen des öffentlichen Rechts (jPdöR) wird um zwei weitere Jahre verschoben (wir berichteten). Das Umsatzsteuergesetz drängt damit künftig auch in solche Bereiche, die bisher weniger im steuerlichen Fokus standen und deshalb ausschließlich von Sachbearbeitern ohne steuerliche Grundkenntnisse bearbeitet werden konnten. Das muss sich künftig – spätestens zum 1.1.2023 – ändern.
Neue Kriterien im Rahmen der Umsatzsteuer
Am 5.6.2020 hat der Bundesrat einem Gesetzesentwurf der Bundesregierung als Teil des sog. Corona-Steuerhilfegesetzes – wie erwartet – zugestimmt. Jetzt muss das Gesetz nur noch vom Bundespräsidenten unterzeichnet und im Bundesgesetzblatt verkündet werden. Reine Formsache.
Vielerorts dürfte diese Nachricht für Erleichterung sorgen. Trotz der zunächst vierjährigen Übergangsfrist ist es den meisten Betroffenen noch nicht gelungen, all diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die notwendig sind, um den Umstieg guten Gewissens umsetzen zu können. Die Gründe hierfür liegen nicht ausschließlich bei den Verantwortlichen der jPdöR, sondern auch an der Fülle der noch offenen Anwendungsfragen. Die Kriterien sind für alle Anwender vollkommen neu. Die Kontrollfrage, die sich die jPdöR künftig im Rahmen der umsatzsteuerlichen Bewertung stellen muss, ist die nach der Wettbewerbsrelevanz einer Tätigkeit. Das Kriterium wird dem Vergaberecht entlehnt, hat aber mit dem für jPdöR in der Umsatzsteuer bisher relevanten Rechtsrahmen nichts gemein: Die altbekannten Kriterien „hoheitliches Handeln“, „Vermögensverwaltung“ und „wirtschaftliche Tätigkeit“ werden jedenfalls im Rahmen der Umsatzsteuer der Vergangenheit angehören. Dies führt insbesondere bei Beistandsleistungen und der interkommunalen Zusammenarbeit dazu, dass die bisherige Praxis unter § 2b UStG nicht fortgeführt werden kann.
Folgen für die Praxis
Die Verantwortlichen der jPdöR müssen die Organisation der Steuerfunktion an die gestiegenen Erwartungen des Gesetzgebers anpassen. Egal an welcher Stelle der kommunalen Organisationsstruktur ein auch nur möglicherweise umsatzsteuerrelevanter Sachverhalt verwirklicht wird, er muss erkannt, aufgenommen und zur steuerlichen Würdigung an die Steuerabteilung weitergeleitet werden.
Das ist die Vorgabe und die Verantwortlichen der jPdöR müssen dafür sorgen, dass sie bis zur endgültigen Scharfstellung des § 2b UStG sorgfältig und gewissenhaft umgesetzt wird. Dazu gehört es, das Personal zu schulen und es über die neuen Vorschriften, Aufgaben und Anforderungen, die hieraus erwachsen, zu informieren. Schlussendlich muss jeder in der Verwaltung genau wissen, welchen Beitrag sie oder er zur Erfüllung der steuerlichen Pflichten leisten muss. Bei der Beschreibung der jeweiligen Tätigkeit eines Mitarbeiters muss der Verantwortliche der jPdöR auch die Vorbildung des jeweiligen Mitarbeiters berücksichtigen und darf ihn oder sie mit der neuen Aufgabe nicht überfordern.
Aber was ist, wenn trotz dieser Organisation dann doch ein Fehler bei Anwendung der Neuregelung passiert? Was ist, wenn die Finanzverwaltung die Wettbewerbsrelevanz anders einschätzt als der Steuerpflichtige? Nur wenn die für die Steuerfunktion Verantwortlichen ihre Aufgabe mit größter Sorgfalt erfüllt haben, ein System implementiert haben, das die Erfüllung der steuerlichen Pflichten sicherstellt und die Verantwortlichen selbst die Umsetzung der Aufgaben eines jeden Mitarbeiters in regelmäßigen Abständen kontrollieren, kann der persönliche Schuldvorwurf des Gesetzgebers entkräftet werden. Denn nur dann bleibt eine unzutreffende steuerliche Behandlung ein nach § 153 AO berichtigungsfähiger Fehler und verwandelt sich nicht in eine Ordnungswidrigkeit oder gar in eine Steuerstraftat, für die die Verantwortlichen höchstpersönlich einzustehen haben.
Verantwortlichkeiten verteilen
Doch wer ist zuständig? Wer ist verantwortlich? Die steuerlichen Pflichten treffen den gesetzlichen Vertreter, zum Beispiel Bürgermeister oder Landrat. Dieser kann sich seiner Gesamtverantwortung nicht entledigen. Auch wenn der gesetzliche Vertreter externe steuerliche Berater einbindet, bleibt die Gesamtverantwortung bei ihm. Durch gewissenhafte Delegation von Aufgaben wird nicht nur die tatsächliche Erfüllung steuerlicher Pflichten auf mehrere Sachbearbeiter verteilt, sondern auch die (strafrechtliche) Verantwortung für eine ordnungsgemäße Erfüllung dieser Aufgaben. Damit ist jeder, der durch seine Tätigkeit zur Erfüllung steuerlicher Pflichten beiträgt, verantwortlich.
Werden Steuern nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig abgeführt und beruht dies auf unrichtigen oder unvollständigen Angaben, trägt der gesetzliche Vertreter zunächst die Verantwortung hierfür und muss sich exkulpieren. Dies gelingt nur bei
- eindeutiger Zuständigkeitsverteilung,
- sorgfältiger Auswahl der jeweils zuständigen Sachbearbeiter,
- ausreichender Einweisung und Schulung dieser Sachbearbeiter für die jeweils zu erfüllende Aufgabe und
- der Überwachung der angemessenen Erfüllung der jeweiligen Aufgaben durch die zuständigen Sachbearbeiter.
All dies muss nicht nur so gelebt werden, sondern im Zweifel auch nachweisbar sein. In einem Rechtsgebiet, das einem ständigen Wandel unterliegt, ist dies ohne IT-seitige Unterstützung kaum vorstellbar. Ein Tax Compliance Management System (TCMS) könnte nicht nur dieses Problem lösen, sondern insgesamt den Umstieg auf § 2b UStG erleichtern. Insbesondere steuerlich nicht versierte Führungskräfte sollten sich für diese Aufgabe professionelle Unterstützung einholen, denn am Ende geht es auch um ihren Kopf.
Ansprechpartner*innen: Rudolf Böck/Meike Weichel/Hilda Faut