Telefonwerbung und Abmahnmissbrauch: Der Gesetzgeber weckt hohe Erwartungen

Lange hatten Initiativen einzelner Gruppen schärfere Regeln gegen belästigende Telefonwerbung gefordert, insbesondere dass dabei abgeschlossene Verträge nachträglich schriftlich bestätigt werden müssen (wir berichteten). Jetzt hat die Bundesregierung einen großen Wurf getan und einen Entwurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken am 15.04.2013 in den Bundestag eingebracht. Das Gesetz wird unter anderem das Wettbewerbsrecht weitreichend verändern mit dem Ziel, Abmahnmissbräuche zu unterbinden.

Eine wesentliche Änderung ist der Wegfall des so genannten fliegenden Gerichtsstandes in § 14 Abs. 2 UWG. Bislang konnten Unternehmen, die sich beispielsweise gegen unseriöse Drückerkolonnen zur Wehr setzen wollten, wählen, ob sie am Gerichtsstandort der unlauteren Handlung – also in der Regel innerhalb ihres eigenen Versorgungsgebietes – klagen wollten oder aber am oft weit entfernten Geschäftssitz des Mitbewerbers. Diese Regel war insofern von Vorteil, als Zeugen in der Regel ohne größeren Aufwand zum Gericht anreisen konnten und eher bereit waren, überhaupt auszusagen. Der Gesetzgeber sieht aber die Gefahr, dass gerade bei unlauteren Handlungen im Internet theoretisch an jedem Gerichtsstandort in Deutschland geklagt werden könne und daher oftmals die vermeintlich wohlgesonnensten Gerichte ausgewählt werden. In Zukunft ist der Gerichtsstand immer der Ort, an dem der Beklagte seinen Geschäftssitz hat, es sei denn, dieser liegt außerhalb Deutschlands. Dies ist zumindest in der Energiewirtschaft eher nicht der Fall.

Wer rechtsmissbräuchlich abgemahnt wird, soll zukünftig seine eigenen Anwaltskosten, die zur Verteidigung gegen die Abmahnung nötig geworden sind, auf den Abmahner abwälzen können. Mit dieser Neuregelung in § 8 Abs. 4 UWG n. F. konnte Waffengleichheit zwischen Abmahnendem und Abgemahntem hergestellt werden. Rechtsmissbräuchlich ist die Abmahnung wohl immer dann, wenn sie vorwiegend dazu dient, einen Aufwendungsersatzanspruch gegen den Abgemahnten entstehen zu lassen. Man muss allerdings im Einzelfall nachweisen, dass objektiv nur ein geringfügiger Wettbewerbsverstoß vorliegt, und ob das immer gelingt, erscheint in höchstem Maß zweifelhaft.

Außerdem schließt der Entwurf die Gesetzeslücke bei Anrufen durch automatische Anrufmaschinen. Bisher konnte nämlich Telefonwerbung im Sinne des § 7 UWG nur bei Anrufen von Menschen, nicht aber durch Automaten, mit einer Geldbuße geahndet werden. Das ist künftig nicht mehr so. Obendrein wird das Bußgeld zukünftig wohl deutlich drastischer ausfallen können: Das Höchstmaß für ein Bußgeld bei unerlaubten Werbeanrufen wird auf bis zu 300.000 Euro angehoben und damit versechsfacht.

Ähnliche Ansätze verfolgen auch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die durch einen eigenen Gesetzentwurf exzessive wettbewerbsrechtliche Massenabmahnungen eindämmen möchten.

Der Ansatz des Gesetzgebers, bestimmte Missbräuche des Abmahnwesens durch Verringerung finanzieller Anreize einzudämmen, ist zwar zu begrüßen. Aber darf dabei nicht außer Acht gelassen werden, dass in der Regel keine Bagatellverstöße wettbewerbsrechtlich verfolgt werden und der fliegende Gerichtsstand stets von Vorteil für die betroffenen Unternehmen war, um bestmöglichen Schutz durch die Gerichte zu erhalten. Die Kritik an dem Gesetzentwurf von Lobbyverbänden ist bemerkenswert groß und es bleibt abzuwarten, ob hier am Ende doch nur wieder ein Elefant „eine Maus erzeugt.“

Ansprechpartner: Stefan Wollschläger/Nils Langeloh

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