Landgericht Stuttgart weist „Klimaklage“ gegen Mercedes-Benz ab
Am Dienstag hat das Landgericht (LG) Stuttgart die sog. Klimaklage gegen den Autohersteller Mercedes-Benz abgewiesen (Urt. v. 13.9.2022 – Az. 17 O 789/21). Der Fall reiht sich in eine Welle von Klimaklagen vor deutschen Gerichten ein, wurde in dieser Form aber bisher noch nicht entschieden.
Drei Einzelpersonen hatten gegenüber der Mercedes-Benz Group AG einen zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch geltend gemacht. Die drei Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH) wollten vor Gericht das Inverkehrbringen von Verbrennungsmotoren durch den Autohersteller nach dem 31.10.2030 unterbinden. Einen solchen Unterlassungsanspruch der Kläger hat das Gericht jedoch nicht angenommen und die Klage auch unter Verweis auf die Gewaltenteilung abgewiesen.
Das CO2-Budget neigt sich dem Ende
Der deutsche Gesetzgeber hat sich dazu verpflichtet, das Klimaschutzziel des Pariser Abkommens umzusetzen, das eine Begrenzung des Anstiegs der globalen Durchschnittstemperatur auf unter 2 Grad Celsius und möglichst auf 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau vorsieht.
Erst im letzten Jahr hatte das Bundesverfassungsgericht auf die unzureichenden nationalen Klimaschutzmaßgaben und die daraus für Zeiträume nach 2030 resultierenden unverhältnismäßigen Emissionsminderungslasten hingewiesen (Beschl. v. 24.3.2021 – Az. 1 BvR 2656/18, 1 BvR 288/20, 1 BvR 96/20, 1 BvR 78/20).
Dass auch private Unternehmen künftig größere Anstrengungen in Richtung Klimaneutralität unternehmen müssen, ist damit unvermeidlich. Nach Angaben der DUH soll allein der Autohersteller Mercedes-Benz durch die im Jahr 2021 verkauften Fahrzeuge weltweit 65,5 Mio. t CO2 zu verantworten haben – und damit mehr als Staaten wie Finnland, Norwegen oder Portugal. Das CO2-Restbudget, das dem Unternehmen zusteht, sei annähernd aufgebraucht.
Versuch der „Klimaklage“ vor dem Landgericht
In Anlehnung an die Bundesverfassungsgerichts-Entscheidung haben die Kläger vor dem Landgericht Stuttgart das Emissionsverhalten von Mercedes-Benz gerügt.
Ihrer Auffassung nach werde die Aufzehrung des CO2-Budgets durch den weiteren Vertrieb von Pkw mit Verbrennungsmotoren in naher Zukunft staatliche Eingriffe in Freiheitsrechte nach sich ziehen. Insofern drohten auch den Klägern durch die Beklagte bedingte Grundrechtsverletzungen. Der Grundsatz der mittelbaren Drittwirkung ermögliche ein direktes Vorgehen gegen das privatrechtlich organisierte Unternehmen.
Das Landgericht Stuttgart konnten sie damit jedoch nicht überzeugen. Es betonte, dass die von den Klägern bemühte zivilrechtliche Konstruktion über §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 823 Abs. 1 BGB analog eine Interessenabwägung zwischen den im Raum stehenden Grundrechtspositionen erfordere. Dafür müssten die aus dem gerügten Verhalten drohenden Konsequenzen zumindest absehbar sein. Welche grundrechtsrelevanten Einschränkungen durch den Staat künftig zu erwarten seien, sei allerdings ungewiss.
Außerdem sei es nicht Aufgabe der Gerichtsbarkeit, ohne entsprechende gesetzliche Vorgaben konkrete Emissionsminderungspflichten festzulegen. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Gewaltenteilung gebiete, dass die wesentlichen Entscheidungen über die Rahmenbedingungen des Klimaschutzes dem Gesetzgeber überlassen bleiben.
Der Ball liegt beim Gesetzgeber
Obwohl man über die rechtliche Konstruktion der zivilrechtlichen „Klimaklage“ streiten kann, zeigt die Entscheidung des LG Stuttgart einmal mehr, dass der Gesetzgeber tätig werden und selbst die gesetzlichen Voraussetzungen schaffen muss, damit Privatunternehmen in Sachen Klimaneutralität stärker in die Pflicht genommen werden können. Schon das Bundesverfassungsgericht hat im Klimabeschluss erkannt, dass es künftig mit hoher Wahrscheinlichkeit zu verstärkten Freiheitsbeschränkungen kommen wird, wenn sich der Staat nicht ambitionierte(re) und kurzfristig(er) greifende Klimaschutzvorgaben auferlegt, die auch privaten Akteuren wirkungsvolle(re) Anstrengungen abverlangen.
Doch auch gerichtlich ist die konkrete Frage danach, was Mercedes-Benz konkret als Beitrag zum Klimaschutz (nicht) leisten muss, noch nicht abschließend vom Tisch: Die DUH hat unmittelbar nach der Urteilsbekanntgabe angekündigt, gegen die Entscheidung vor das Oberlandesgericht Stuttgart zu ziehen. Bleibt abzuwarten, ob sich auch dort der Grundsatz der Gewaltenteilung durchsetzt.
Ansprechpartner*innen: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Tigran Heymann/Carsten Telschow