Nachhaltigkeitsberichterstattung ESRS 1: General Requirements

Nach Inkrafttreten der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) Anfang 2023 werden in den nächsten Monaten die delegierten Rechtsakte der ESRS-Standards erscheinen. In Blogbeiträgen geben wir Ihnen einen Überblick über die zwölf vorläufigen Standards der EU-Kommission. Da die finalen Versionen der Standards noch nicht existieren, können wir nur den jetzigen Stand abbilden.

Allgemeiner Bezugspunkt

Der allgemeine Standard ESRS 1 bildet das grundlegende Rahmenwerk der Nachhaltigkeitsberichterstattung, speziell im Hinblick auf die Methodik. Die konkreten Standards ESRS 2 sowie eine Reihe von thematischen ESRS-Standards beziehen sich darauf. In Zukunft soll der Umfang noch um sektorspezifische Standards erweitert werden. Die CSRD verlangt diese Erweiterung bis Juni 2024 von der EU-Kommission. Generell ist die Idee, eine sehr umfangreiche Nachhaltigkeitsberichterstattung zu kreieren, die auch Teil des Lageberichts des Unternehmens wird und aufgrund der zwölf existierenden ESRS-Standards eine hohe Vergleichbarkeit zwischen den Unternehmen zulässt. Nichtsdestotrotz liegt der Fokus auf wesentlichen Einflüssen, sodass zum einen die Unternehmen vernachlässigbare Aspekte nicht zeitaufwendig erheben müssen und zum anderen keine relevanten Auswirkungen auf die Umwelt unterschlagen werden können.

Wesentlichkeitsanalyse als Basis

Um diesen Balanceakt zu schaffen, muss jedes Unternehmen, das nach CSRD berichtspflichtig ist, eine Wesentlichkeitsanalyse offenlegen, die sich mit Auswirkungen, Risiken und Chancen (IRO – impacts, risks, opportunities) beschäftigt. Auf dieser Basis erfolgt dann die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Für einige Informationen gilt eine Veröffentlichungspflicht (DR) unabhängig vom Ergebnis der Wesentlichkeitsanalyse. Darunter fallen alle DRs und Datenpunkte des Standards ESRS 2.

Die thematischen ESRS-Standards sowie gegebenenfalls weiterführende Aspekte müssen nun auf ihre unternehmensspezifische Wesentlichkeit geprüft werden. Diese ist gegeben, wenn eine potenzielle oder tatsächliche Auswirkung Menschen oder die Umwelt über einen beliebigen Zeitraum positiv oder negativ beeinträchtigt, unabhängig davon, ob das Unternehmen direkt oder über die Wertschöpfungskette indirekt dazu beigetragen hat. Zusätzlich wird berücksichtigt, welchen Schweregrad die Auswirkung hat, wie weitreichend sie ist und ob sie irreversibel ist. Bei potenziellen Auswirkungen werden zudem die Eintrittswahrscheinlichkeiten berücksichtigt.

Dialog mit Stakeholdern und Experten und finanzielle Effekte

Grundsätzlich ist ein Dialog mit betroffenen Stakeholdern bzw. deren Repräsentanten sowie mit thematischen Experten erwünscht. Explizit wird die Natur als stiller Stakeholder aufgeführt, weshalb ökologische Daten in die Analyse einbezogen werden müssen. Wichtig für Unternehmen ist zudem, dass die Liste an Aspekten aus den vorliegenden Standards lediglich als Hilfestellung zu verstehen ist und das Unternehmen nicht davon befreit, selbstständig zu analysieren, ob darüber hinaus gehende Aspekte als wesentlich einzustufen sind. In Appendix A des ESRS 1 befindet sich eine Kurzübersicht aller thematischer Standards, die zur Hilfe herangezogen werden können.

Darüber hinaus spricht man von Wesentlichkeit, falls eine nachhaltigkeitsbezogene Angelegenheit mit tatsächlichen oder realistisch erwartbaren finanziellen Effekten des Unternehmens einhergeht. Die finanzielle Perspektive ist hierbei hauptsächlich im Risikomanagement angesiedelt. Somit wird untersucht, inwieweit selbstverwendete Ressourcen oder notwendige Geschäftspartner Risiken unterliegen, die zu Ausfällen, Qualitätsminderungen oder Preissteigerungen aufseiten des Unternehmens führen können unter Berücksichtigung des daraus resultierenden finanziellen Schadens. Beide Dimensionen („Impact“ & Finanzen) werden als voneinander abhängig betrachtet. In der Regel ist der Startpunkt der Ursache-Wirkung-Relation eine Auswirkung auf die Nachhaltigkeit, die bei wesentlichem Schweregrad eine Reaktion von Investoren zur Folge hat und somit im zweiten Schritt auch die finanzielle Dimension betrifft.

Einbeziehung und Aufbereitung der Daten

Neben den grundsätzlichen Dimensionen sollte mindestens einer der drei folgenden Punkte erfüllt sein, um einen Datenpunkt in die Nachhaltigkeitsberichterstattung zu inkludieren:

  1. Signifikanz der Information steht in Relation zum Aufwand der Erfassung und Erklärung;
  2. Art und Umfang der Information genügt den Anforderungen der Entscheidungsfindung von Nutzern des Berichts;
  3. wenn Nutzer, deren Hauptinteresse darin besteht, Informationen über die Auswirkungen des Unternehmens zu erhalten, diese benötigen

Bei Berücksichtigung einzelner Punkte muss zudem die Vorgehensweise sowohl zur Identifikation als auch zur quantitativen Erhebung erkennbar sein. Beispielsweise sollen für berichtete Kennzahlen geeignete Schwellenwerte ergänzt werden, um diese einzuordnen. Sollte das Unternehmen ein Thema wiederum als nicht wesentlich begreifen und folglich die Veröffentlichung nach dem thematischen ESRS unterlassen, kann eine kurze Erläuterung samt Schlussfolgerung der Wesentlichkeitsanalyse beigefügt werden.

Der Umfang der Nachhaltigkeitsberichterstattung soll zudem um die vor- und nachgelagerte Wertschöpfungskette erweitert werden, falls dadurch IROs für das Unternehmen verbunden sind. Auch hierbei gilt nicht der Anspruch, jeden Aspekt der Wertschöpfungskette zu veröffentlichen, sondern sich auf die Wesentlichen zu fokussieren. Als wesentlich zählt auch, falls die IROs zum Verständnis des Nachhaltigkeitsberichts notwendig sind. Sollte die Informationsbereitstellung entlang der Wertschöpfungskette unpraktikabel sein, besteht die Möglichkeit, die Aspekte basierend auf geeigneten internen und externen Daten zu schätzen. Dazu zählen beispielsweise Durchschnittsdaten des Sektors oder Stichprobenanalysen.

Abschließend werden noch eine Reihe von Qualitätsmerkmalen genannt, die für die Berichterstattung erfüllt sein sollten. Ein Kriterium hierbei ist die Vergleichbarkeit. Zum einen intern, also mit Berichten aus vorherigen Perioden (Konsistenz), und zum anderen extern mit anderen Unternehmen aus dem eigenen Sektor oder mit ähnlichen Aktivitäten. Darüber hinaus müssen die Informationen verifizierbar sein, sodass unterschiedliche unabhängige Beobachter zu einem Konsens kommen würden, dass der Bericht glaubhaft ist. Dafür müssen die veröffentlichten Informationen vollständig, neutral und akkurat sein. Auch die Verständlichkeit muss gegeben sein. Hiermit ist gemeint, dass der Bericht klar und übersichtlich gestaltet ist und somit beispielsweise keine Redundanzen (auch nicht zum Finanzbericht) auftreten. Ziel ist es, dass alle Leser mit angemessener Kenntnis den Bericht auf Anhieb verstehen können. Der Berichtszeitraum sollte falls möglich konsistent mit der Finanzberichterstattung sein.

Ansprechpartner*innen: Tobias Sengenberger/Christoph Lamy/Anna-Marlena Miedl/Carolin Mießen

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