COP 27: Dekarbonisierung des Verkehrssektors als Randthema
Wie erwartet waren die Verhandlungen der COP 27 zäh, und erst nach dem offiziellen Ende der Konferenz konnten sich die Staaten auf eine Abschlusserklärung einigen. Das Bekenntnis der Industriestaaten zur Haftung für Verluste und Schäden, die der Klimawandel in den Entwicklungsländern verursacht, drängte andere dringende Themen wie die Dekarbonisierung des Verkehrssektors in den Hintergrund. Dabei sind Fragen nachhaltiger Kraftstoffe unmittelbar mit dem klimaschutzpolitischen Vorsatz verbunden, aus dem Einsatz fossiler Energieträger auszusteigen. Doch wie steht es um die Dekarbonisierung des Verkehrssektors?
Weg zu klimaneutralem, technologieoffenen Verkehrssektor ist schon abgesteckt
Auf der COP 27 wurde Verkehr nur als eine Frage der urbanen Mobilität mit mehr Elektrofahrzeugen sowie nachhaltigen und widerstandsfähigen Verkehrswegen in Afrika und dem globalen Süden betrachtet. Insgesamt ist klimaneutraler Luft-, Schifffahrt- und Automobilverkehr eher ein Thema der „Industriestaaten“. Diese sind stärker in der Pflicht, zu dekarbonisieren und entsprechende Innovationen wie etwa Electric Fuels (E-Fuels), Elektroantriebe und ähnliches marktfähig zu machen.
Der Pfad für die Dekarbonisierung des Verkehrssektors ist auf allen relevanten Entscheidungsebenen (international, europäisch und national) vorgezeichnet. Man ist sich in der internationalen Staatengemeinschaft grundsätzlich einig, dass im Automobilverkehr eine rasche Elektrifizierung der Straßenfahrzeuge erforderlich ist, die mit Energieeffizienzmaßnahmen einhergehen muss. Zusätzlich müssen CO2-arme Kraftstoffe – wie etwa E-Fuels – verstärkt eingesetzt und kommerzialisiert werden. Dies wird insbesondere im See- und im Luftverkehr für erforderlich gehalten, weil diese kaum direkt elektrifiziert werden können. Das Ganze muss aus Sicht der Protagonisten mit entsprechender Bepreisung von CO2-Emissionen einhergehen sowie regulatorisch durch kluge Verkehrsplanung und insbesondere mit Anreizen für einen Umstieg auf den Öffentlichen Personennahverkehr flankiert werden.
Warum geht es nur schleppend voran?
Wie in anderen Sektoren auch wird die Transformation im Verkehrssektor dadurch erschwert, dass die Emissionsreduktion mit einer Umstellung auf Erneuerbare Energien einhergeht, sodass zum Beispiel im Verhältnis zum Industriesektor Verteilungs- und Nutzungskonflikte bestehen.
Ein Beispiel dafür ist die Diskussion um den Einsatz alternativer Kraftstoffe im Verkehrssektor, wie etwa der synthetisch hergestellten E-Fuels. E-Fuels sind Kraftstoffe, die in sogenannten Power-to-Liquid-Verfahren (PtL) hergestellt werden. Produziert werden etwa synthetisches Kerosin für den Flugverkehr, synthetischer Dieselkraftstoff für Schiffe und Straßenfahrzeuge sowie synthetisches Benzin.
Klimaneutral ist dieser Kraftstoff, weil durch seine Verbrennung kein zusätzliches CO2 emittiert wird, da es entweder der Atmosphäre oder einer Industrieanlage entnommen wurde.
Da jedoch für die Herstellung sowohl Kapazitäten aus Erneuerbarer Energie wie auch Wasserstoff gebraucht werden und da diese Energieträger in anderen Sektoren unmittelbar eingesetzt werden, kommt es zu dem oben angesprochenen „Nutzungskonflikt“ zwischen dem Verkehrs- und Industriesektor. Zudem ist auch der Bau der benötigten Anlagen, die etwa die Elektrolyse mit der Industrieanlage verknüpfen müssen, teuer: Die Produktionskosten synthetischer Flugkraftstoffe etwa werden derzeit auf das 3- bis 6-fache des aktuellen Marktpreises von fossilem Flugbenzin geschätzt. Insgesamt ist also die Herstellung von synthetischen nachhaltigen Flugkraftstoffen (Sustainable Aviation Fuel, SAF) oder E-Fuels noch nicht zu wettbewerbsfähigen Preisen möglich.
Spezielle Herausforderungen der Dekarbonisierung des Flugverkehrs
Vor allem für den Flugverkehr wird es auf absehbare Zeit nur beschränkt möglich sein, auf elektrischen Antrieb umzustellen, weswegen Experten alternative Kraftstoffe für unerlässlich halten. Eine Lösung wird dabei in den schon erwähnten SAFs, gesehen, d.h. in synthetisch hergestelltem Kerosin oder Kraftstoffen, die aus nachhaltiger Biomasse hergestellt werden. Um deren Markthochlauf zu fördern, hat die EU-Kommission in der vorgeschlagenen ReFuel EU Aviation-Verordnung vorgesehen, dass in der EU betankte Flugzeuge mit SAFs zu tanken sind. Zugleich sollen Kraftstofflieferanten ihrem Kerosin nach verpflichtenden Quoten SAFs beimischen. So gilt etwa für die Beimischung von aus Biomasse hergestellten SAFs eine Mindestbeimischungsquote von 2 Prozent ab 2025, die bis 2050 auf 63 Prozent ansteigen soll. Für synthetische SAFs gelten Beimischungsquoten von 0,7 Prozent in 2030 bis 28 Prozent in 2050. Ob es bei diesen Mengen bleiben wird, ist noch offen, da der Gesetzgebungsprozess in Brüssel noch nicht abgeschlossen ist. Auch die Bundesregierung (PtL-Roadmap) spricht sich für ambitionierte Beimischungsquoten vor allem von synthetischen SAFs und eine entsprechende Förderung ihres Markthochlaufs aus, auch wenn ihr Einsatz wegen der hohen Produktionskosten voraussichtlich erst nach 2030 realistisch sein wird.
Und die internationale Dimension all dessen?
Damit es nicht zu Verlagerungseffekten kommt, z.B. im Luftverkehr durch beim Betanken außerhalb der EU, wird es am Ende auch eines internationalen Lösungsansatzes brauchen. Wann und worauf sich die internationale Staatengemeinschaft hierzu am Ende tatsächlich verständigen wird (kann), ist noch offen. Damit sollten aber innerhalb der EU und in Deutschland die eigenen Ambitionen nicht zurückgestellt werden. Auch hier gilt: Auf dem Weg zur notwendigen Transformation des Verkehrssektors in ein CO2-neutrales Zeitalter gilt es, keine technologische Option aus dem Blick zu verlieren und das Tempo hochzuhalten.
Ansprechpartner*innen: Dr. Tigran Heymann/Carsten Telschow/Vera Grebe