Kommunalpolitische Initiativen gegen den Stillstand im Straßenverkehrsrecht

Am 24.11.2023 haben neun Bundesländer die als Minimalkompromiss ausgehandelte Novelle des StVG und der StVO auf den letzten Metern gestoppt. Der Vermittlungsausschuss könnte die gescheiterte Reform noch retten – bislang gibt es allerdings noch keinerlei offizielle Verlautbarung, ob und wann er angerufen wird. Derweil mehren sich kommunalpolitische Initiativen, die die vorhandenen Spielräume im Straßenverkehrsrecht für mehr Flächengerechtigkeit nutzen. Zwei Initiativen in Bonn und Köln sind besonders interessant.

Pilotprojekt in Bonn: Eigene Wirtschaftsparkplätze

Die Stadt Bonn verkündete im März 2024, dass sie in einem Pilotprojekt spezielle einheitliche Wirtschaftsparkplätze einrichtet. Auf diesen Parkplätzen dürfen dann vorrangig nur Teilnehmende des Wirtschaftsverkehrs wie Handwerker*innen oder Mitarbeitende in der Pflege parken. Die spezielle Parkregelung gilt von 8:00 bis 18:00 Uhr, außerhalb dieser Zeiten stehen die Parkplätze allen offen.

Als essenzieller Bestandteil für die Mobilitätswende in Bonn soll diese Initiative nach Aussage der Stadt auch Platz für Verkehre schaffen, die derzeit nicht ohne Kraftfahrzeug funktionieren. Die Parkplätze sollen durch eine gut erkennbare Beschilderung und farbliche Bodenmarkierungen als Wirtschaftsparkplätze ausgewiesen werden.

Das soll insbesondere in Gebieten mit hohem Parkdruck die zeitaufwendige Parkplatzsuche verhindern. Auch müssen Firmenfahrzeuge nicht mehr ordnungswidrig auf Gehwegen, Fahrradschutzstreifen oder in Parkverboten abgestellt werden, um ihre Kund*innen zu erreichen. Das erhöhe insgesamt die Verkehrssicherheit aller Verkehrsteilnehmenden.

Die Stadt Köln nimmt ebenfalls an der Initiative teil, jedoch wird die Umsetzung dort nach eigener Aussage noch Zeit in Anspruch nehmen, sodass die Stadt Bonn mit ihrem Projekt vorangeht.

Eigenständige Wirtschaftsparkplätze sind in der StVO nicht ausdrücklich vorgesehen. Nach dem aktuellen Entwurf der Beschilderung ist ein eingeschränktes Halteverbot werktags von 8.00 bis 18.00 Uhr geplant. Ein zusätzliches Zeichen erlaubt dann jedoch das Parken für Handwerker*innen, Liefer- und Pflegedienste.

Mehr Sicherheit durch Schulstraßen in Köln

In Köln werden die Straßen vor mehreren Schulen für den Autoverkehr gesperrt. Die Kinder sollen zu Fuß in die Schule kommen, statt von den Eltern bis vor die Schule gefahren zu werden. So soll der Schulweg für die Schüler*innen, aber auch für die Eltern sicherer werden. Viele Elterntaxis und viel Durchgangsverkehr – das sorgte für ein Parken in zweiter und dritter Reihe und angespannte Verkehrsverhältnisse vor den Kölner Schulen.

Eine Schulstraße ist ein Straßenabschnitt oder eine Straße im Umfeld von Schulen, die ausschließlich dem Fuß- oder dem Fahrradverkehr gewidmet sind. Dies kann auch nur zu bestimmten Zeiten, etwa zu Schulbeginn und zu Schulende der Fall sein. Ausdrücklich geregelt ist die Schulstraße in der StVO nicht.

In Deutschland wird der Straßenverkehr von den beiden Rechtsbereichen Straßenverkehrsrecht und Straßenrecht geregelt. Das Straßenverkehrsrecht regelt, wie eine Straße genutzt werden darf, also etwa die Höchstgeschwindigkeit oder wer wen überholen darf. Für eine Maßnahme nach Straßenverkehrsrecht ist aber immer eine konkrete Gefahr im Verkehr nötig. Dies ist beim Straßenrecht nicht der Fall.

Das Straßenrecht ist im Gegensatz zum Straßenverkehrsrecht Sache der Länder. Es regelt, ob ein Teil der öffentlichen Flächen überhaupt eine Straße ist. Das ist dann der Fall, wenn sie dem öffentlichen Verkehr gewidmet ist. Dabei kann die Straße auch nur für bestimmte Verkehrsarten freigegeben werden wie zum Beispiel in einer Fußgängerzone. Das ist dann das Gegenstück zur Widmung – die sogenannte Teileinziehung.

Über dieses Instrument lassen sich Schulstraßen auch umsetzen, ohne dass eine konkrete Gefahr – etwa durch die Häufigkeit von Unfällen – nachgewiesen werden muss.

Das Projekt in Köln läuft für eine einjährige Testphase und soll danach ausgewertet werden.

Ansprechpartner*innen: Dr. Roman Ringwald/Sophia Weber/Jana Kutscher

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