Das Wasser fließt weiter den Rhein hinunter oder die Kontrolle von Wasserpreisen und was ist

Wasser Fluß
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Die kartellrechtliche Kontrolle von Wasserpreisen verliert nicht an Aktualität. Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart hat seine zweite Entscheidung (v. 5.9.2013, Az. 201 Kart 1/12) in Sachen Energie Calw (wir berichteten) gefällt, das OLG Düsseldorf hat seine Entscheidung in Sachen Berliner Wasserbetriebe für Januar 2014 angekündigt, und in Brandenburg wurde gerade die zweite Sektorenuntersuchung der Wasserpreise abgeschlossen. Und die Neuigkeitenflut wird wohl so bald nicht versiegen: Die Kunden wehren sich zunehmend gegen Preiserhöhungen und suchen in Einzelfällen den Weg zu den Gerichten. Seit dem 30.6.2013 schließt zwar die 8. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) die kartellrechtliche Kontrolle auch von Wassergebühren aus (wir berichteten) – zumindest auf den ersten Blick. Ob dies allerdings in jedem Fall gilt und damit die Wasserversorger ungehindert die „Flucht in die Gebühren“ antreten können, ist allerdings noch lange nicht ausgemacht. Das Bundeskartellamt (BKartA) jedenfalls scheint daran zu zweifeln.

Wenn eine Kartellbehörde tätig wird, dann fängt sie zumeist mit einer so genannten Sektorenuntersuchung an und erhebt flächendeckend Daten zu den Wasserpreisen und den grundlegenden wirtschaftlichen, technischen und strukturellen Bedingungen im Versorgungsgebiet. Durchgeführt wurden solche Untersuchungen bisher – teilweise auch bereits wiederholt (bezogen auf unterschiedliche Jahre) – in Baden-Württemberg, Brandenburg, Hessen, Niedersachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Andere Länder setzen darauf, dass sich die Branche über einen Wasserpreisbenchmark selbst kontrolliert und führen demzufolge nicht systematisch kartellbehördliche Verfahren gegen Wasserpreise (so z.B. Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz).

Mit der Sektorenuntersuchung ermittelt die zuständige Kartellbehörde einen landesweiten Durchschnittspreis. Teurere Wasserversorgungsunternehmen müssen potentiell mit der Einleitung eines Missbrauchsverfahrens rechnen. Im Laufe eines solchen Verfahrens geht es dann vor allem darum, dass das betroffene Unternehmen seine Preise im Verhältnis zu den von der Behörde ausgewählten Vergleichsunternehmen rechtfertigen und vor allem die Kalkulation konkret und im Einzelnen vollständig darlegen muss. Häufig enden diese Verfahren sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene mit einer Art Vergleich. In diesem Fall verpflichtet sich der betroffenen Versorger, seine Wasserpreise „freiwillig“ über einen gewissen Zeitraum abzusenken, und im Gegenzug stellt die Behörde das Verfahren entweder ein oder erklärt die Verpflichtung für bindend, ohne weitere Maßnahmen zu ergreifen. Endet das Verfahren dagegen mit einer förmlichen Missbrauchs- und Preissenkungsverfügung, tendieren die Kartellbehörden darüber hinaus dazu, auch Rückzahlungen der vermeintlich überhöhten Preise für die Vergangenheit anzuordnen.

Sind nur bestimmte Bundesländer betroffen?

Aber auch in Bundesländern, die bisher keine Sektorenuntersuchung durchführen, können sich die Wasserversorger nicht völlig in Sicherheit wiegen. Denn zum einen kann auch eine Beschwerde von Kunden über die Preise ihres Versorgers ein Missbrauchsverfahren nach sich ziehen. Entsprechende Fälle sind uns beispielsweise aus Bayern und Nordrhein-Westfalen bekannt. Zum anderen kann ausnahmsweise statt der jeweiligen Landeskartellbehörde das BKartA tätig werden, z.B. wenn ein Versorger in mehreren Bundesländern tätig ist oder eine Landeskartellbehörde das Verfahren abgibt. So hat das BKartA beispielsweise die Wasserpreise in Berlin und Wuppertal untersucht. Noch für den Herbst dieses Jahres hat es einen Bericht über die großstädtische Wasserversorgung in Deutschland angekündigt. Dieser basiert auf den Daten der Wasserversorger in den 38 größten Städten, die die Behörde im Rahmen des Verfahrens gegen die Berliner Wasserbetriebe erhoben hat. Dem Bericht werden wohl weitere Missbrauchsverfahren folgen.

Kontrolle von Gebühren

Gegen Wasserversorger, die keine privatrechtlichen Entgelte, sondern öffentlich-rechtliche Gebühren erheben, dürfen die Kartellbehörden grundsätzlich keine Missbrauchsverfahren einleiten. Dies stellt die kürzlich in Kraft getretenen Novelle des GWB ausdrücklich klar (§ 130 Abs. 1 Satz 2 GWB). Zumindest ihrem Wortlaut nach schließt die Vorschrift die Missbrauchsaufsicht über Gebühren aber nicht vollständig aus, da sie nur bestimmte Normen (§§ 19, 20 und 31b Abs. 5 GWB) für unanwendbar erklärt. Denkbar wäre danach ein Missbrauchsverfahren insbesondere dann, wenn einem Gebühren erhebenden Wasserversorger ausschließliche Rechte eingeräumt wurden (z.B. bei Abschluss eines Konzessionsvertrages mit einer Anstalt des öffentlichen Rechts).

Weiterhin möglich bleibt jedenfalls die Abfrage von Daten auch von Gebühren erhebenden Versorgern. Zudem sind die Kartellbehörden nicht gehindert, für die Zeit, bevor ein Versorger von privatrechtlichen Entgelten auf Gebühren umgestellt hat, Verfahren durchzuführen und gegebenenfalls für die Vergangenheit Preissenkungen und entsprechende Rückerstattungen anzuordnen. Gerade wenn ein Versorger mit der Umstellung auf ein laufendes Missbrauchsverfahren reagiert (häufig bezeichnet als „Flucht in die Gebühren“), ist mit einem solchen Vorgehen zu rechnen. Das BKartA hat sich explizit dahingehend geäußert.

Aktuelle Sektorenuntersuchung in Brandenburg

In den letzten Monaten hat die Landeskartellbehörde Brandenburg ihre zweite Sektorenuntersuchung zur Wasserversorgung durchgeführt. Obwohl der am 7.10.2013 veröffentlichte Ergebnisbericht sehr knapp und allgemein gehalten ist, trifft er Aussagen, die einer kritischen Betrachtung bedürfen.

So geht die Behörde unter Berufung auf die Niederbarnim-Entscheidung des Bundegerichtshofes (BGH) davon aus, dass Gebühren erhebende Wasserversorger als Vergleichsunternehmen herangezogen werden können. Der BGH hatte jedoch nur zu entscheiden, ob Gebühren erhebende Versorger nach § 59 GWB gegenüber den Kartellbehörden zur Auskunft verpflichtet sind. Ob man sie auch als Vergleichsunternehmen heranziehen kann, ist damit noch nicht gesagt. Dies hängt nicht von der Auskunftspflicht ab, sondern von der Gleichartigkeit mit dem betroffenen Unternehmen, und die kann man gerade wegen der speziellen Vorgaben der Kommunalabgabengesetze für die Kalkulation von Gebühren jedenfalls nicht ohne weiteres annehmen.

Zu kurz gegriffen sind auch die Überlegungen der Behörde dazu, die Wasserpreise in teuren „Inselgebieten“ dadurch zu senken, dass diese von günstigeren Versorgern im Umfeld mitversorgt oder mit Wasser beliefert werden. Denn dies berücksichtigt nicht, dass die Kosten der Wasserversorgung größtenteils fixe Kosten sind, die durch den Bau und die Unterhaltung der vorhandenen Wasserversorgungsanlagen verursacht werden und daher nicht kurzfristig durch einen Wechsel des Zulieferers oder Versorgers verringert werden können.

Interessierte Dritte können noch bis zum 21.11.2013 zum Ergebnisbericht Stellung nehmen. Die Landeskartellbehörde hat bereits angekündigt, dass sie bei Versorgern mit vergleichsweise hohen Preisen näher prüfen wird, ob ein Missbrauchsverdacht besteht.

Aktuelles aus der Rechtsprechung

Zu Gerichtsverfahren kommt es nur dann, wenn ein kartellbehördliches Verfahren mit einer förmlichen Missbrauchsverfügung endet. Da deren Erlass sehr aufwendig ist, setzen die meisten Kartellbehörden vorrangig darauf, das Verfahren einvernehmlich zu beenden, weshalb es bisher speziell zum Wasserbereich nur wenig – und für Wasserversorger eher unerfreuliche – Rechtsprechung gibt.

Eine Ausnahme bildet hier das OLG Stuttgart, das nach Zurückverweisung vom BGH zum zweiten Mal über die Rechtmäßigkeit der Preissenkungsverfügung der Landeskartellbehörde Baden-Württemberg gegen die Energie Calw GmbH entscheiden musste (siehe oben). Das Gericht sieht die Verfügung überwiegend als rechtswidrig an. Es kritisiert insbesondere, dass die Behörde methodisch innerhalb des selbst gewählten Ansatzes nicht konsistent vorgegangen sei, den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt habe und plausible Kostenansätze des Versorgers ohne Darlegung von Fehlern durch eigene Ansätze ersetzt habe. Aus Versorgersicht sind dies erfreuliche Aussagen, die sich jedoch nur begrenzt auf andere Bundesländer übertragen lassen. Denn die Landeskartellbehörde Baden-Württemberg hat als bisher einzige Behörde das Konzept der Kostenkontrolle anwendet, bei dem nicht Preise bzw. Erlöse und Kosten des betroffenen Versorgers mit denen anderer Versorger verglichen werden (so genanntes Vergleichsmarktkonzept), sondern die Ansatzfähigkeit einzelner Kostenpositionen überprüft wird.

Im Beschwerdeverfahren der Berliner Wasserbetriebe gegen die Preissenkungsverfügung des BKartA hat das OLG Düsseldorf seine Entscheidung für den 22.1.2014 angekündigt (Az. VI – 2 Kart 4/12 (V)). Die mündliche Verhandlung lässt erwarten, dass es die Verfügung weitgehend bestätigen wird. Es ist zu befürchten, dass ähnlich wie schon durch die Entscheidung des BGH in Sachen Wetzlar (wir berichteten) Versorgern weiter erschwert wird, sich gegen den Missbrauchsvorwurf zu verteidigen. So hat das OLG zum Beispiel angedeutet, dass es den Metermengenwert für einen geeigneten Vergleichsmaßstab hält, obwohl dieser nur die Leitungslänge, nicht aber das Volumen berücksichtigt und zudem die historische Entwicklung, also den unterschiedlich starken Rückgang des Wasserbedarfs nicht abbilden kann. Bezüglich der Rechtfertigung der Preise wies das Gericht darauf hin, dass es einen punktuellen Vortrag des Versorgers zu einzelnen Kostenfaktoren nicht als ausreichend erachte, sondern der Versorger die strukturellen Vor- und Nachteile gegenüber den Vergleichsunternehmen umfassend würdigen müsse. Wie dies gelingen soll, ohne dass die Kartellbehörde die entsprechenden Vergleichsdaten zur Verfügung stellt, ließ das Gericht jedenfalls in der mündlichen Verhandlung aber offen.

Untersuchung von Abwasserpreisen

Die Abwasserpreise wurden von den Kartellbehörden bisher nicht untersucht. Rechtlich sind sie dazu bei privatrechtlichen Entgelten aber durchaus befugt. Daher ist nicht auszuschließen, dass es zukünftig auch im Abwasserbereich zu Sektorenuntersuchungen und Missbrauchsverfahren kommen kann. Da sich die technischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten der Abwasserbeseitigung jedoch von denjenigen der Wasserversorgung unterscheiden, müssten die Kartellbehörden hier zunächst ein eigenes Konzept zur Abfrage und Bewertung von Daten entwickeln. Die Position der Abwasserentsorger wäre im Falle eines Verfahrens insofern günstiger, als die Bestimmungen in § 31 ff. GWB zur verschärften Missbrauchsaufsicht mit ihrer Beweislastumkehr für den Abwasserbereich nicht gelten.

Unsere Empfehlung: Vorbeugen ist besser …

Wurde einmal ein Missbrauchsverfahren eingeleitet, so ist es nicht einfach, sich zu verteidigen. Daher sollten sich Wasserversorger frühzeitig wappnen und auf eine Untersuchung der Wasserpreise durch die Kartellbehörde vorbereitet sein. Wichtig ist dabei vor allem, die Kosten durch eine nachvollziehbare Kalkulation der Wasserpreise belegen zu können. Eine solche Kalkulation ist unabhängig vom Vorgehen der Kartellbehörden schon deshalb zu empfehlen, um sich erfolgreich gegen mögliche Klagen von Kunden gegen ihre Wasserrechnung zur Wehr setzen zu können. Sinnvoll erscheint es auch, sich bereits im Vorfeld damit vertraut zu machen, welche Daten von den Kartellbehörden üblicherweise abgefragt werden, und diese vorzuhalten. Zudem sollte jeder Versorger wissen, wo seine Wasserpreise im Vergleich zu denen anderer Versorger liegen, um abschätzen zu können, ob ein Missbrauchsverfahren droht. Gegebenenfalls kann man vorbeugend das Tarifsystem ändern. Nach unserer Erfahrung sind zumindest einzelne Kartellbehörden auch offen dafür, mit einem Wasserversorger im Vorfeld einer Preiserhöhung oder Tarifänderung mögliche kartellrechtliche Bedenken zu diskutieren. Ob eine „Flucht in die Gebühren“ ein tauglicher Weg ist, bedarf einer Prüfung im jeweiligen Einzelfall.

Ansprechpartner: Daniel Schiebold/Jana Siebeck

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