Entscheidung des EuGH: Das Inbox-Advertising ist ohne vorherige Einwilligung unzulässig

Am 25.11.2021 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden (Rs. C-102/20): Das sog. Inbox-Advertising eines Stromlieferanten ist nur mit vorheriger Einwilligung der Empfänger zulässig, um nicht gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) zu verstoßen (vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 3 UWG).

Der Ausgangspunkt: Streit zweier Energielieferanten

Ein Stromlieferant hielt die Werbeeinblendungen seines Konkurrenten für wettbewerbswidrig. Diese erschienen in kostenlosen und werbefinanzierten Postfächern von Nutzern des E-Mail-Dienstes T-Online. Die Werbung wurde eingeblendet, sobald die Nutzer ihre Inbox öffneten, wobei sowohl die betroffenen Nutzer als auch die eingeblendete Werbung zufällig ausgewählt wurden (sog. Inbox Advertising). Die Werbeeinblendungen unterschieden sich optisch von der Liste der anderen E-Mails nur dadurch, dass das Datum durch die Angabe „Anzeige“ ersetzt war, kein Absender angegeben und der Text grau unterlegt war. Die Nutzer erhielten so innerhalb von ungefähr einem Monat drei Werbenachrichten, deren Betreff einen Text zur Bewerbung vorteilhafter Preise für Strom und Gas enthielt. Der klagende Stromlieferant vertrat die Ansicht, diese Werbepraxis verstoße u.a. gegen § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG, da Werbung mittels elektronischer Post stets eine vorherige Einwilligung der Nutzer voraussetze.

Streit bis zum EuGH

In der 1. Instanz obsiegte der klagende Stromlieferant, verlor jedoch im Berufungsverfahren. Gegen das Berufungsurteil legt er Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) ein, der im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens vom EuGH klären lassen wollte, ob solche Inbox-Werbung mit dem EU-Recht vereinbar ist.

Der EuGH bewertet die Inbox-Werbung als „Verwendung elektronischer Post für die Zwecke der Direktwerbung“ im Sinne der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation (E-Privacy-Richtlinie – RL 2002/58/EG). Denn schließlich sei die Werbeeinblendung mittels elektronischer Post verbreitet worden. Unerheblich sei, ob die einzelnen Nachrichten elektronische Post im Sinne der Richtlinie darstellten.

Zu Begründung führt der EuGH an: Die Werbenachricht werde aus der Sicht des Adressaten in einem normalerweise privaten E‑Mails vorbehaltenen Bereich angezeigt. Der Nutzer könne diesen Bereich erst nach Überprüfung des Inhalts der Werbenachricht und nur durch aktives Löschen derselben freimachen, um einen Überblick über seine ausschließlich privaten E‑Mails zu erhalten. Klicke der Nutzer auf eine Werbenachricht, werde er zu einer Website mit der betreffenden Werbung weitergeleitet, anstatt mit dem Lesen seiner privaten E‑Mails fortfahren zu können. Diese Werbeeinblendung behindere in der Liste der privaten E‑Mails des Nutzers somit den Zugang zu diesen E‑Mails in ähnlicher Weise, wie dies bei unerbetenen „Spam“-E‑Mails der Fall ist. Zudem bestehe aufgrund des Anzeigebereichs der Werbenachrichten und wegen ihrer Ähnlichkeit mit privaten E‑Mails die Gefahr einer Verwechslung zwischen diesen beiden Nachrichtenkategorien. Dies könne dazu führen, dass Nutzer, die auf die entsprechende Zeile klickten, gegen ihren Willen auf eine Internetseite mit der betreffenden Werbung weitergeleitet würden. Für die Einstufung als „Nachrichten für die Zwecke der Direktwerbung“ sei auch unerheblich, dass die Adressaten der Werbenachrichten nach dem Zufallsprinzip ausgewählt werden. Entscheidend sei, dass eine zu kommerziellen Zwecken vorgenommene Kommunikation vorliege, die mindestens einen Nutzer von E‑Mail-Diensten direkt und individuell erreicht, indem sie in der Inbox des E‑Mail-Kontos eingeblendet wird. Die Individualisierung liege darin, dass ein Nutzer erst Zugang zu seiner Inbox erhalte, nachdem er Anmeldedaten und Passwort eingegeben hat.

Wie geht es weiter?

Die Bewertung des EuGH führt mit Blick auf § 7 Abs. 1 Nr. 3 UWG dazu, dass Inbox-Werbung nur mit vorheriger Einwilligung der Empfänger zulässig ist. Der BGH muss nun also prüfen, ob der betroffene Nutzer, der sich für den kostenlosen und werbefinanzierten E-Mail-Dienst von T-Online entschieden hat, ordnungsgemäß über die genauen Modalitäten der Verbreitung einer solchen Werbung informiert wurde und tatsächlich eingewilligt hat, Werbenachrichten zu erhalten. Hierfür müssten Nutzer klar und präzise u.a. darüber informiert worden sein, dass Werbenachrichten in der Liste der empfangenen privaten E‑Mails angezeigt werden, und die Einwilligung, solche Werbenachrichten zu erhalten, muss für den konkreten Fall und in voller Kenntnis der Sachlage bekundet worden sein. Die Entscheidung des BGH bleibt abzuwarten.

Ansprechpartner*innen: Stefan Wollschläger

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