LKW-Kartell: Wer kann Schadensersatz verlangen, und wie?
Für Käufer von LKWs ist das Jahr 2017 besonders wichtig: Voraussichtlich im Februar will die EU-Kommission ihre im letzten Sommer gefällte Bußgeldentscheidung zum LKW-Kartell veröffentlichen. Außerdem wird bis dahin die 9. GWB-Novelle in Kraft treten, die unter anderem der Umsetzung der EU-Kartellschadensersatzrichtlinie (RL 2014/104/EU) dient. Beides ist relevant für Kunden von LKW-Herstellern, die durch das Kartell möglicherweise Schäden erlitten haben und dafür Ersatz verlangen können.
Mit dem Rekordbußgeld von 2,93 Mrd. Euro hat die Kommission Jahrzehnte andauernde Kartellabsprachen der führenden LKW-Hersteller geahndet. Die Verfahren gegen Daimler, MAN, Volvo/Renault, DAF und Iveco wurden im Vergleichswege (sog. Settlement) beendet, das heißt die Unternehmen haben die Verstöße uneingeschränkt zugegeben. Die entsprechenden Entscheidungen sind inzwischen rechtskräftig und werden nach der Schwärzung von Geschäftsgeheimnissen voraussichtlich im 1. Quartal des Jahres 2017 veröffentlicht. Insoweit werden weitere Einzelheiten zum Kartell bekannt.
Das Verfahren gegen Scania konnte nicht im Vergleichswege beendet werden und wird nunmehr als reguläres Kartellverfahren weitergeführt. Mit einer Entscheidung rechnen wir ebenfalls in diesem Jahr.
Wo und wann fand das Kartell statt?
Das Kartell bestand im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) von mindestens Januar 1997 bis Januar 2011. Sämtliche Beteiligten sollen fortwährend und über den gesamten Zeitraum an den Absprachen beteiligt gewesen sein. Dem deutschen Markt kommt eine besondere Stellung zu, da ab 2004 die Kartellabsprachen über die deutschen Niederlassungen der Hersteller koordiniert worden sind. Bereits im Dezember 2013 hat zudem die koreanische Kartellbehörde vergleichbare Absprachen mit hohen Bußgeldern auch gegen die europäischen Hersteller geahndet.
Welche Kartellabsprachen sind geahndet worden?
Bekannt ist, dass von den Kartellabsprachen mittelschwere Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht zwischen 6 und 16 Tonnen und schwere Lastkraftwagen über 16 Tonnen betroffen waren. Zwischen den Beteiligten wurden die Herstellerbruttopreise koordiniert, in Reaktion auf die zunehmend strengeren europäischen Emissionsnormen (von Euro-III- bis zur derzeit gültigen Euro-VI-Emissionsklasse), der Zeitplan für die Einführung von Emissionssenkungstechnologien abgesprochen und die hiermit verbundenen Kosten an die Kunden weitergegeben.
Wer ist geschädigt?
Von den Absprachen sind unmittelbar sämtliche Unternehmen betroffen, die im Kartellzeitraum oder unmittelbar danach LKW der Kartellunternehmen erworben haben. Aufgrund der über 90 Prozent liegenden Marktabdeckung durch das Kartell vor allem in Deutschland, dürften 9 von 10 LKW-Verkäufen potentiell kartellbefangen sein. Aber auch mittelbar Geschädigte, zum Beispiel Leasingnehmer, verfügen über eigene Schadensersatzansprüche.
Wie geht es weiter?
Gegenwärtig prüfen viele Unternehmen, ob sie von dem Kartell betroffen sind. Großunternehmen wie Schenker oder die Deutsche Post verfolgen in der Regel ihre Ansprüche alleine und verfügen aufgrund ihrer Nachfragemacht über ein großes Verhandlungspotential. Teilweise sind die Kartellunternehmen auch schon von sich aus auf Geschädigte zugegangen, um eine außergerichtliche Einigung zu erzielen.
Ist mein Unternehmen betroffen?
Für die Prüfung, ob Ihr Haus betroffen gewesen ist, sollten möglichst alle Vorgänge im Zusammenhang mit dem Erwerb oder der Nutzung von LKWs zwischen Januar 1997 und Januar 2011 einbezogen und ggf. für die spätere Beweisführung detailliert aufgearbeitet werden.
Sind meine Ansprüche noch durchsetzbar?
Die Frage einer etwaigen Verjährung ist wichtig. Stets gilt dafür eine dreijährige Frist, die erst ab Kenntnis zu laufen beginnt und somit am 31.12.2019 ausläuft. Daneben greift aber auch eine zehnjährige Verjährungsfrist, für die es nicht auf die Kenntnis ankommt, und die je nach Anspruchsentstehung auch schon früher ablaufen kann. Für solche Ansprüche sind ggf. bereits vor dem Jahresende rechtzeitig verjährungshemmende Maßnahmen zu ergreifen.
Kann ich meine Ansprüche außergerichtlich durchsetzen?
Unsere Erfahrung zeigt, dass die Kartellanten in vielen Fällen zu Verhandlungen bereit sind, auf Einreden der Verjährung verzichten und sich außergerichtlich mit den Geschädigten einigen. In eher seltenen Fällen kommt es zu einem gerichtlichen Verfahren.
Wie sind die Erfolgsaussichten, falls ich klagen muss?
Durch die Entscheidungen der Kommission steht mit Bindungswirkung für jedes Gericht fest, dass die Kartellabsprachen zu Lasten der Kunden stattgefunden haben. Damit ist die erste Nachweishürde in einem Prozess genommen. Schwieriger ist die zweite Hürde: Man muss nachweisen, dass man vom Kartell konkret betroffen war und in welcher Höhe man dadurch geschädigt wurde. Ob hier ein ökonomisches Schadensgutachten erforderlich ist oder ein Indizienvortrag zum kartellbedingten Preisaufschlag ausreicht, hängt vom Einzelfall ab. In jedem Fall hat sich die Position von kartellgeschädigten Unternehmen in den letzten Jahren stetig verbessert. Ein weiterer wesentlicher Schritt ist das im 1. Quartal 2017 zu erwartende Inkrafttreten der bereits erwähnten 9. GWB-Novelle, die den Weg zum Schadensersatz deutlich erleichtert.
Soll ich alleine oder gemeinsam mit anderen handeln?
Gebündelt vorzugehen kann sinnvoll sein, um den Verhandlungsdruck zu vergrößern und auch, um eine ausreichende Datengrundlage für Preisvergleiche zu erhalten. Zudem können die Kosten und Risiken solidarisch getragen werden. Erforderlich sind nach unserer Erfahrung hierfür eine gemeinsame Interessenlage und eine recht homogene Gruppe von Geschädigten.
Ansprechpartner: Dr. Olaf Däuper/Dr. Holger Hoch/Anna Lesinska-Adamson
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