Bis bald …
Sehr verehrte Frau Bundeskanzlerin, sehr geehrter Herr Herausforderer,
liebe Angela, lieber Peer,
der Sommer hat uns nun (na ja, mehr oder weniger) fest im Griff (irgendwie). Aber unabhängig vom Wetter treibt mir etwas ganz anderes die Schweißperlen aufs Gesicht: der Wahlkampf. Schließlich wird in nicht einmal 100 Tagen ein neuer Bundestag gewählt. Zumindest hier ist die heiße Phase also eingeläutet: Zeit, mit überzeugenden Wahlversprechen und -programmen um die Stimmen der Bürger zu werben. Ich bin schon sehr gespannt, wann Ihr anfangt, Euch politisch zu streiten und unter anderem bei den Fernseh-Duellen miteinander zu debattieren. Mindestlohn, Steuergerechtigkeit – einige wichtige und spannende Themen scheint es ja zu geben, bei denen parteipolitisches Konfliktpotential besteht.
Ein anderes Projekt hingegen scheint in trockenen Tüchern: Die Energiewende hin zu regenerativen Energien ist gesellschaftlicher Konsens und beschlossene Sache. Daran wird auch keiner mehr rütteln. Eine hitzige Diskussion zwischen Euch haben wir in diesem Punkt also nicht zu erwarten. Aber Hand aufs Herz: Das ist alles doch noch eine ganz schön harte Nuss, die Ihr da knacken müsst.
In ihren öffentlichen Äußerungen reden die zuständigen Minister für Wirtschaft und Umwelt von dem Zieledreieck aus Versorgungssicherheit, Umweltverträglichkeit und Bezahlbarkeit. Damit haben sie vollkommen Recht und fassen die wesentlichen Punkte unserer Energiewirtschaft treffend zusammen, steht genau das doch schon seit einiger Zeit in unserem Energiewirtschaftsgesetz (in § 1 EnWG). Allerdings benennen die beiden Minister damit eher die Probleme als dass sie Lösungen anbieten. Es fehlt nach wie vor an einem ganzheitlichen Konzept für die Wende. Das Ziel ist klar, allein der Weg liegt noch verschwommen im Dunst des sommerlichen Frühnebels (Herrje, Urlaubsreife befördert offenbar meine Neigung zu blumiger Wortwahl …).
Deshalb – frei nach Goethe – meine Frage an Euch Wahlkämpfer: „Nun sag‘, wie hast Du‘s mit der Energiepolitik?“
Im letzten halben Jahr habt Ihr ja so manches diskutiert. Die Netzstabilität war und ist ein großes Thema. Irgendwie müsst Ihr schließlich darauf reagieren, dass Strom aus Tausenden von EEG-Anlagen nun einmal komplizierter ins Netz einzuspeisen ist als der Output einer Handvoll Riesenreaktoren. Hierfür wurde die Abschaltbare-Lasten-Verordnung erlassen und die Winterreserve gesichert und Kraftwerksstilllegungen verboten … was kommt eigentlich noch alles?
Beim Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) wurde viel diskutiert. Dein Umweltminister, liebe Angela, möchte eine Strompreisbremse. Er nennt sie zwar zärtlich Strompreis-Sicherung, hat aber trotzdem viele Leute damit erschreckt und keine politische Zustimmung erreicht. Die Bundesländer, die von Deiner Partei, lieber Peer, regiert werden, haben einfach mal nicht mitgemacht. Das Thema wird uns aber so schnell nicht verlassen: Wie man die durch die Energiewende entstehenden Kosten gerecht verteilt, bleibt eine Frage, die nach Antwort verlangt. Eine komplexe Frage, und eine komplexe Antwort. Eignet sich das für simple wahlkampfkompatible Slogans?
Was ich mich auch frage. Wie wollt Ihr mit dem Druck umgehen, der aus Brüssel kommt? Die Kommission nimmt die Netzentgeltbefreiung der energieintensiven Industrie beihilferechtlich aufs Korn und beäugt auch die Härtefälle des EEG immer kritischer. Schafft Ihr es, die Angriffe auf das EEG zu parieren? Und Ihr werdet natürlich nicht umhin können, Euch mit den vielen Ideen und Modellen für den Energiemarkt (na ja, Strommarkt) auseinanderzusetzen. Viel Spaß beim Lesen; das sind mittlerweile viele Seiten mit vielen klugen Gedanken – und ein paar sehr grundlegenden Weichenstellungen für die deutsche energiewirtschaftliche Entwicklung der nächsten Jahrzehnte.
Wir sind uns wohl einig, dass die neue Regierung (egal, wer sie anführen wird) dringend Antworten finden muss: Sie muss das EEG reformieren und verhindern, dass der Handel mit Emissionszertifikaten weiter an Bedeutung verliert. Sie muss sich auf die Suche nach einem Endlager für den atomaren Müll begeben – immerhin hat man sich ja schon auf ein Endlagersuchgesetz geeinigt. Wie soll es mit dem Offshore-Wind weitergehen? Wie mit dem Netzausbau? Wie mit dem europäischen Binnenmarkt? …
Die Themenvielfalt zeigt einerseits, wie umfangreich und umfassend das Feld der Energiepolitik beackert werden muss, und andererseits, wie technisch die Probleme doch zum Teil sind. Deshalb bereitet es mir wirklich große Sorge, dass bei den derzeitigen Einzelproblemen Lösungen nicht ganzheitlich und gern auch vor allem unter dem finanziellen Aspekt diskutiert werden. Muss man hier dem Wähler nicht auch mal eine Wahrheit zumuten können? Ein Transformationsprozess hin zu mehr Erneuerbaren Energien kostet erst einmal Geld. Richtig viel.
Deshalb mein bescheidener Appell an Euch: Nehmt Euch des Themas an, aber ruiniert es nicht. Denkt auch über die nächste Wahlperiode hinweg. Die Energiewende hat das Zeug zum Generationenprojekt, zum politischen Vermächtnis. Eigentlich ist sie ein Projekt wie geschaffen für eine große Koalition. Vielleicht lässt Euch der Wähler am Ende ja auch keine Wahl, und Ihr müsst zusammenarbeiten. Ich jedenfalls werde mich jetzt zurücklehnen und den Sommer genießen. Wen schert im Urlaub schon die (Groß-)Wetterlage? Im August bin ich wieder da und seh‘ Euch dann im Wahlkampf.
Herzlich, Euer BBH-Blog
Mit dem BBH-Blog plauderten: Prof. Dr. Ines Zenke und Dr. Christian Dessau