Dialogmarketing im Energiesektor: Was geht und was nicht? (Teil 2)

Im Wettbewerb um Kunden treten Strom- und Gasversorger oft direkt mit potenziellen Kunden in Kontakt, um sie zum Vertragsabschluss zu bewegen. In Teil 1 unserer Serie haben wir berichtet, wo die Grenzen zwischen zulässigem und unzulässigem Dialogmarketing verlaufen. In Teil 2 beleuchten wir, wie man sich gegen Übergriffe der Konkurrenz zur Wehr setzen kann – und was zu tun ist, wenn man selber Ärger wegen angeblich unlauterem Wettbewerb bekommt.

Dazu ein Beispiel: Ein konkurrierender Energieversorger verschickt Werbe-Briefe mit der Behauptung, erheblich billiger zu sein als Ihr Stromtarif. Dabei bezieht er sich aber auf einen veralteten Tarifpreis – der aktuelle Tarif ist wesentlich günstiger.

Dies ist unlauterer Wettbewerb: Die Angaben zum Preisvergleich sind objektiv unwahr, da veraltet. Und der suggerierte Preisvorteil existiert in Wahrheit überhaupt nicht.

Unterlassung und Schadenersatz

Das muss man sich nicht gefallen lassen. Als erstes geht es darum, dafür zu sorgen, dass der Konkurrent seine unlautere Werbung sofort einstellt. Dazu gibt es § 8 des Gesetzes gegen Unlauteren Wettbewerb (UWG), der einen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch gegen den unlauter werbenden Konkurrenten gewährt und außerdem das Recht, Auskunft über den Umfang der beanstandeten Werbemaßnahme zu verlangen – im Beispiel also Anzahl und Adressaten der versandten Briefe.

Schwieriger ist es, Schadensersatz zu erlangen. § 9 UWG sieht zwar Schadensersatz vor, aber typischerweise lassen sich damit nur die Kosten des Verfahrens geltend machen. Um den tatsächlich entstandenen Schaden ersetzt zu bekommen, müsste man nachweisen können, wie viele Kunden tatsächlich aufgrund des Schreibens zur Konkurrenz gewechselt sind – was nur schwer möglich sein wird. Und selbst wenn doch: Dann müsste man gegenüber dem Mitbewerber offenlegen, wie viel man an den verlorenen Kunden verdient hat. Was man oft nicht will.

Abmahnung

Auf einem anderen Blatt steht, in welchem Verfahren man seine Ansprüche durchzusetzen versucht. Sich vor Gericht zu streiten, ist für beide Seiten nervenaufreibend, langwierig und teuer. Daher empfiehlt es sich oft, zunächst außerhalb des Gerichtssaals einen Weg zu suchen, die Sache aus der Welt zu schaffen.

Dazu gibt es die Abmahnung: Man schreibt dem Störer und fordert ihn auf, das unlautere Verhalten einzustellen. Lässt sich der Störer darauf ein, dann übernimmt er die Kosten und gibt eine Unterlassenserklärung ab, an die eine Vertragsstrafe geknüpft ist: Bricht er dann sein Versprechen und wirbt trotzdem auf die gleiche unlautere Weise weiter, dann wird eine empfindliche Geldstrafe fällig, die direkt an den Abmahner zu zahlen ist.

Man kann aber auch gleich klagen. Das kann sinnvoll sein, wenn der Störer beispielsweise dafür bekannt ist, zur außergerichtlichen Beilegung solcher Streitigkeiten nicht bereit zu sein. Die Abmahnung ist nicht zwingend vorgeschrieben. Das einzige Risiko ist, dass man die gesamten Verfahrenskosten aufgebrummt bekommt, wenn der Gegner überraschend den Anspruch vor Gericht sofort anerkennt.

Ist man selbst Adressat einer Abmahnung, sollte man nichts Unüberlegtes tun. Bevor man eine strafbewehrte Unterlassenserklärung unterschreibt, sollte man diese erst nach Art und Umfang genau überprüfen lassen. Denn ist sie einmal abgegeben, kann man sie nicht mehr widerrufen.

Wenn man die Abmahnung für unberechtigt hält, sollte man bei Gericht eine so genannte Schutzschrift hinterlegen: Die kann nötig werden, wenn der Gegner als nächstes eine einstweilige Verfügung beantragt. In der Schutzschrift kann man vorsorglich zu den Vorwürfen Stellung nehmen und sie zu entkräften versuchen. Damit ist im Regelfall zumindest gewährleistet, dass das Gericht die einstweilige Verfügung nicht ohne vorherige mündliche Verhandlung erlässt.

Klageverfahren

Wenn man klagt, muss man Zeit und Geduld mitbringen: Bis es zur Entscheidung kommt, können Monate vergehen – während derer der Konkurrent sein unlauteres Verhalten fortsetzen kann.

Um das zu verhindern, empfiehlt es sich, eine einstweilige Verfügung zu beantragen, wenn seit Kenntniserlangung von dem Wettbewerbsverstoß noch nicht mehr als vier Wochen vergangen sind. Zuständig ist das Landgericht, in dessen Bezirk der Wettbewerbsverstoß begangen wurde. Das Gericht wird dabei aber keine Beweise aufnehmen. Ein einstweiliges Verbot der Werbemaßnahmen wird es nur aussprechen, wenn es gelingt, den Wettbewerbsverstoß glaubhaft zu machen: Dem Antrag müssen Nachweise der beanstandeten Werbung, Preisblätter und in der Regel eidesstattliche Versicherungen von Mitarbeitern und Kunden beigefügt sein, aus denen der gerügte Verstoß klar erkennbar wird. Dies ist in der Praxis der schwierigste Part, da die Verbraucher nur ungern eidesstattliche Erklärungen abgeben oder sich nur bruchstückhaft an die beanstandeten Vorfälle erinnern.

Ist die einstweilige Verfügung einmal erlangt, empfiehlt es sich, nicht auf das Urteil zu warten. In der Praxis ist es üblich, den Gegner zu einer Abschlusserklärung aufzufordern: Er soll das Ergebnis des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens als endgültig anerkennen. Dazu wird er nicht selten bereit sein, schließlich hat er vor dem Gericht schon einmal verloren, und das Verfahren weiterzuführen, schafft nur neue Kosten.

Im Hauptsacheverfahren kommt es darauf an, ob der Kläger beweisen kann, dass ein Verstoß gegen den lauteren Wettbeweb vorlag. Dazu werden in der Regel Zeugenvernehmungen, aber auch Sachverständigengutachten nötig sein – und die sind teuer. Die Kosten, einschließlich der Rechtsanwaltsgebühren, trägt am Ende derjenige, der verliert. Kann sich der Kläger nur teilweise durchsetzen, werden auch die Kosten entsprechend der Gewinnquote geteilt.

Ausblick

Das Recht des unlauteren Wettbewerbs steckt voller Fallstricke. Um zu erkennen, was erlaubt ist und was nicht, reicht ein Blick ins Gesetz kaum aus. Die Grenzen werden im Detail erst durch die Rechtsprechung gezogen. Sie sind von vielen, oft technischen Details abhängig und obendrein in Bewegung: Das Leitbild dessen, wovor der mündige Verbraucher geschützt werden muss, hat sich in den letzten Jahren drastisch geändert.

Die Risiken sind dennoch beherrschbar: Mit genügend Fachkenntnis und Erfahrung lässt sich ganz gut abschätzen, wie weit die eigenen rechtlichen Spielräume bei Werbemaßnahmen und die der Konkurrenz reichen. Und wer das weiß, ist auch im Wettbewerb im Vorteil.

Ansprechpartner: Stefan Wollschläger/Nils Langeloh

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