Bürgerfinanzierung wird immer lukrativer

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Wenn Unternehmen investieren wollen und dafür Geld brauchen, gehen sie traditionellerweise zu ihrer Bank. Doch das ändert sich zunehmend. Nicht nur „Fintech“-Startups bieten zunehmend attraktive Alternativen zur Bankenfinanzierung an, sondern auch und vor allem Bürgerfinanzierungen bzw. (neudeutsch) „Crowdfunding“-Projekte. Beleuchtet haben wir diese Alternative schon vor gut sieben Jahren im 1. BBH-Blog am Beispiel der „Inhaberschuldverschreibung“. In der Zwischenzeit hat diese Finanzierungsoption insbesondere in der Praxis vieler Stadtwerke an Präsenz hinzugewonnen.

Mit der Bürgerfinanzierung ist ein Marketingeffekt verbunden, der sich sehr positiv auswirkt. Denn aktive Teilnahme und Teilhabe verschafft mehr Verbindung zu Ihrem Unternehmen als der positivste Artikel in der Lokalzeitung und der schönste Werbespot. Eine Bürgerfinanzierung bietet sich daher insbesondere für Unternehmen an, die bei einem Projekt auf die Akzeptanz von Bürgern in ihrer Umgebung angewiesen sind oder einfach als bürgernah, regional aktiv und fortschrittlich wahrgenommen werden wollen. Ein Beispiel für eine erfolgreich angelaufene (und noch aktive) Bürgerfinanzierung ist z.B. auf der Seite www.klimarendite.de zu finden.

Dem Bürger mehr Rendite zu gewähren als er bei einer Bank für sein Geld  bekommt, ist beim aktuellen Zinsniveau ein Kinderspiel, und so lässt sich ein solches Projekt auch finanziell als „win-win“-Situation für Unternehmen und Bürger darstellen. Ein schönes Instrument ist hier ein Zins- bzw. Renditebonus für aktuelle (z. B. Strom-, Gas-, Wärme, Internet) und werdende Kunden.

Noch schöner ist es aus Unternehmensperspektive freilich, wenn schon die Finanzierungskosten am Kapitalmarkt geringer sind als bei einer Bank. Neben dem Vergleich der (Bank-)Darlehenszinsen und Renditeerwartungen potentieller Investoren bzw. Anleger am Kapitalmarkt sind auch Finanzierungsnebenkosten einzukalkulieren. Die entstehen nicht nur durch die eigentliche Verkaufs- bzw. Zeichnungsabwicklung, sondern regelmäßig auch im Zusammenhang mit einer bestehenden Prospektpflicht für Erstellung, Billigung (durch BaFin) und Veröffentlichung des Prospekts und eventueller Prospektnachträge. Andererseits spart man natürlich auch Geld für Werbemaßnahmen. Dennoch sollte man prüfen, ob und wie man diese Kosten minimieren kann.

Neue Regeln für Emittenten von Wertpapieren

Künftig wird die Wahl der richtigen Wertpapiere bzw. Vermögensanlagen für die Finanzierung von Projekten über den Kapitalmarkt noch wichtiger. Wer finanzielle Mittel bis 2,5 Mio. Euro benötigt, kann Vermögensanlagen (§ 1 Abs. 2 VermAnlG) weiterhin unter bestimmten Voraussetzungen prospektfrei öffentlich anbieten. Mit Wertpapieren (§§ 1, 2 Nr. 1 WpPG) können künftig sogar bis zu 8 Mio. Euro prospektfrei eingeworben werden.

Diese Neuregelung hat einen europäischen Hintergrund: Die Bundesregierung macht in ihrem Entwurf eines Gesetzes zur Ausübung von Optionen der EU-Prospektverordnung und zur Anpassung weiterer Finanzmarktgesetze vom 1.6.2018 von zwei Optionen Gebrauch, die ihr die EU-Prospektverordnung (2017/1129/EU) einräumt.

Zunächst schöpfte die Bundesregierung erfreulicherweise den Spielraum, den die EU-Prospektverordnung den Mitgliedsstaaten für die Befreiung von der Prospektpflicht bei rein nationalen Emissionen bis 8 Mio. Euro Volumen belässt, voll aus. § 3a Abs. 1 WpPG (E) sieht vor, dass künftig bei öffentlichen Angeboten mit einem Gesamtgegenwert zwischen 100.000 und 8 Mio. Euro statt eines Prospekts (Ausnahme in § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 WpPG (E)) ein maximal dreiseitiges Wertpapier-Informationsblatt veröffentlicht werden muss.

Das Informationsblatt soll die wesentlichen Informationen über die Wertpapiere in kurzer und verständlicher Weise darstellen und den Anlegern so auch den Vergleich unterschiedlicher Wertpapiere ermöglichen. Es unterliegt einer formalen Überprüfung durch die BaFin und darf erst nach deren Zustimmung veröffentlicht werden. In der Rechtsanwendung kann auf Erfahrungen mit dem Vermögensanlagengesetz zurückgegriffen werden.

Obendrein plant die Bundesregierung aber – hier ist der Haken – Einzelanlageschwellen für nicht qualifizierte Anleger bei prospektfreien Wertpapierangeboten ab 1 Mio. Euro einzuführen. Sofern von einem solchen Anleger ein Betrag von über 1.000 Euro investiert werden soll, ist dies nur dann zulässig, wenn er entweder über ein frei verfügbares Vermögen in Form von Bankguthaben und Finanzinstrumenten von mindestens 100.000 Euro verfügt oder er maximal den zweifachen Betrag seines durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommens investiert. In jedem Fall ist die Einzelanlage auf 10.000 Euro begrenzt.

Auch diese Regelung ist nicht völlig neu, sondern entspricht regelungstechnisch weitgehend der oben erwähnten Befreiung für Vermögensanlagen mit einen Emissionsvolumen von bis zu 2,5 Mio. Euro (Schwarmfinanzierungen gem. § 2a VermAnlG).

Die Ausführungen zu den Prospektausnahmen sollen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Bürgerfinanzierungen auch ohne die Prospektausnahme eine sehr sinnvolle Finanzierungs- und Marketingoption sein können. Und dass angebotene Vermögensanlagen und Wertpapiere für nachhaltige Projekte weggehen wie die sprichwörtlichen warmen Semmeln, zeigen Beispiele aus der Praxis.

Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Christian Dessau

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