Netzverpachtung: Wer haftet für Schäden Dritter?

(c) BBH
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Netzbetreiber sind nicht immer auch Eigentümer ihres Netzes. Aufgrund eines Konzessionsvertrages mit der Kommune hat der Netzverpächter bzw. die Netzeigentumsgesellschaft das Netz übernommen und dieses an einen Pächter bzw. eine Netzbetriebsgesellschaft als Netzbetreiber verpachtet. Doch was passiert, wenn es zu Schäden Dritter kommt? Wer haftet dann – der Eigentümer, der Pächter oder beide?

Relativ einfach ist die Situation, wenn es eine vertragliche Regelung dazu gibt. Pachtverträge sehen häufig vor, dass der Netzbetreiber eine Betriebshaftpflichtversicherung abzuschließen hat. Unter Umständen ist der Netzbetreiber auch in einen bestehenden Versicherungsvertrag eines „übergeordneten“ Mutterkonzerns eingeschlossen. Ferner können Netzverpächter und Pächter vereinbaren, dass der Pächter den Netzverpächter von bestimmten Haftungsansprüchen freistellt. Soweit der Schaden von keiner vertraglichen Regelung erfasst ist, greifen die im Folgenden dargestellten gesetzlichen Haftungsregeln.

Energiewirtschaftsrecht

Die Regelungen des § 49 EnWG richten sich an den „Betreiber“ einer Energieanlage. Betreiber und damit Anspruchsgegner ist, wer das Netz vollkommen eigenständig, eigenverantwortlich und auf eigene Rechnung betreibt und auch im Rechtsverkehr nach außen als „Netzbetreiber“ auftritt. Der Netzverpächter ist dagegen als Eigentümer lediglich mittelbarer Besitzer der Anlagen, üblicherweise ohne auf diese während der Laufzeit des Pachtvertrages zugreifen zu können. Erst mit Beendigung des Pachtvertrages hat der Eigentümer wieder unmittelbare Zugriffsrechte und Pflichten. Der Pächter als Netzbetreiber ist daher gemäß § 3 Nr. 27 i.V.m. Nr. 2 bis 7 EnWG zur Erfüllung aller Anforderungen an Netzbetreiber sowie an Energieanlagen aus § 49 EnWG verpflichtet. Sind die allgemein anerkannten Regeln der Technik beachtet und die Anforderungen aus § 49 EnWG erfüllt worden, kann dem Netzbetreiber weder ein Fahrlässigkeits- noch ein Verschuldensvorwurf gemacht werden.

Spezielle Haftungsregelungen gibt es für den Fall, dass im Niederdruck-Gasnetz bzw. Niedrigspannung-Stromnetz Unterbrechungen auftreten und Schäden verursachen (§ 18 NDAV bzw. § 18 NAV).

Haftpflichtrecht

Die zentrale Haftungsnorm für Schadensereignisse aufgrund des Betriebs eines Energienetzes ist § 2 Abs. 1 Haftpflichtgesetz (HPflG). Diese stellt für die gesamte verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung auf den Inhaber einer Energieanlage ab. „Inhaber“ im Sinne des HPflG ist, wer die tatsächliche und eigenverantwortliche Verfügungsgewalt über den Betrieb der Anlage besitzt und “Herr der Gefahr“ ist.

Der Netzbetreiber haftet gemäß § 2 Abs. 1 HPflG für die Wirkungen von Gasen oder Elektrizität, die von einer Leitungsanlage ausgehen sowie für den Eintritt eines Schadens, der, ohne auf den Wirkungen des Mediums zu beruhen, auf das Vorhandensein einer solchen Anlage zurückzuführen ist. Die Haftung für bloße technische Fehler an den Leitungen, die nichts mit der Gefährlichkeit des Mediums zu tun haben, ist dem Netzbetreiber allerdings erlassen, wenn die Anlagen dem aktuellen Stand der Technik entsprechen. Eine Haftung aus Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) ist bei Elektrizität (und wohl auch Gas) ebenso möglich.

Deliktsrecht

Eine Haftung des Netzbetreibers kann sich auch aus den Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zur Haftung von Gebäude- und Grundstücksbesitzern bzw. -unterhaltspflichtigen ergeben (§§ 838, 837, 836 BGB), da auch (unterirdische) Rohrleitungen als (Bau-)Werk im Sinne der genannten Paragraphen gelten. Derjenige, der für den Besitzer die Unterhaltung eines (Bau-)Werks auf einem fremden Grundstück übernimmt, haftet für Personen- oder Sachschäden. Hierzu ist jedoch erforderlich, dass er durch einen (Pacht-)Vertrag die Zuständigkeit dafür übernommen hat, dass keine Schäden durch den Einsturz des Gebäudes oder die Ablösung von Gebäudeteilen entstehen.

Eine Haftung des Netzbetreibers für Personen- und/oder Sachschäden kann sich schließlich auch aus § 823 Abs. 1 BGB ergeben, wenn dieser Maßnahmen, die zur Verhinderung von Personen- und/oder Sachschäden erforderlich sind, nicht oder nicht ausreichend durchgeführt hat.

Haftung des Netzverpächters

Eine unmittelbare Haftung des Netzverpächters aus § 49 EnWG droht nicht, da diese immer nur den Netzbetreiber trifft. Auch aus § 2 HPflG haftet er nicht, da er nicht „Inhaber“ der Gefahr i.S.d. HPflG ist, ebenso wenig aus § 2 ProdHaftG, da „Hersteller“ i.S.d. § 2 ProdHaftG der Netzbetreiber ist.

Der Netzverpächter als Eigenbesitzer eines (Bau-)Werks auf einem fremden Grundstück haftet für Personen- oder Sachschäden, die durch den Einsturz oder die Ablösung von Teilen seines Werks herbeigeführt werden. Er ist jedoch von der Haftung befreit, wenn er sich auf die Erfüllung von Überprüfungs- und Unterhaltungspflicht durch den Netzbetreiber verlassen durfte. Da der Netzeigentümer die Nutzung des Wegerechts und damit auch die originär ihm obliegende Verantwortung für die Errichtung und Unterhaltung des Netzes vollumfänglich dem Netzbetreiber zur Ausübung übertragen hat, haftet grundsätzlich ausschließlich der Netzbetreiber. Eine Haftung des Netzverpächters für Personen- und/oder Sachschäden kann sich auch aus § 823 Abs. 1 BGB ergeben, wenn er den Netzbetreiber nicht oder nicht ausreichend auf die Einhaltung der Überwachungs- und Sorgfaltspflichten kontrolliert hat.

Gemeinsame Haftung

Sollte es trotz sorgfältigem Netzbetrieb und ordnungsgemäßer Überwachung zum Eintritt eines Schadens bei Dritten kommen, haften Pächter und Verpächter mit beidseitig zurechenbarem Verschulden als Gesamtschuldner gemäß § 840 Abs. 1 BGB, da in diesen Fällen die Haftung des Unterhaltspflichtigen neben die Haftung des Verantwortlichen tritt.

Fazit

Für Personen- und Sachschäden bei Dritten haftet grundsätzlich der Netzbetreiber bzw. Inhaber des Netzes. Darüber hinaus haftet dieser als Pächter und (Gebäude-)Unterhaltungspflichtiger für Schäden, deren Ursache in diesen Anlagen begründet ist. Eine Haftung des Netzverpächters ergibt sich grundsätzlich nur dann, wenn dieser den ihm obliegenden Kontrollpflichten über den Pächter nicht ausreichend nachkommt und dadurch Schäden eintreten. Die Haftung erstreckt sich dann gemeinschaftlich auf Netzverpächter und Pächter.

Ansprechpartner: Oliver Eifertinger/Stefan Missling/Axel Kafka

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