Subventionen für Erneuerbare: Fördern erlaubt, lokale Ausstattung fordern verboten

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Die Energiewende und der Umstieg auf Erneuerbare Energien ist kein rein europäisches Phänomen. Inzwischen haben rund 118 Länder der Erde Ziele für den Ausbau der Erneuerbaren definiert und auf die ein oder andere Art ein Fördersystem implementiert. Einspeisetarife sind dabei immer noch die populärste Methode, um einen steten Zuwachs der Erneuerbaren anzuregen. Rund 65 Länder und 27 Bundesstaaten bzw. Provinzen hatten zu Beginn 2012 ein solches System eingeführt. Dabei gehen aber die konkreten Ausgestaltungen sehr weit auseinander und sind jeweils den Voraussetzungen und Möglichkeiten des jeweiligen Landes angepasst. Und ähnlich wie in Europa das Beihilferecht müssen auch international bestimmte Regeln beachtet und bestimmte Grenzen bei der Förderung eingehalten werden, um den Welthandel nicht zu beeinträchtigen. Welche das sind, sprach im Dezember 2012 nun ein Panel der Welthandelsorganisation aus.

Konkret ging es um das Fördersystem der kanadischen Provinz Ontario. Dort hatte man für die existierenden Einspeisetarife so genannte „Local-Content“-Anforderungen eingeführt. Das bedeutet, dass nur noch Wind- und Photovoltaikanlagen, deren Ausstattung mindestens zu einem gewissen Teil in Ontario hergestellt wurde, gefördert werden können. Die Prozentsätze variieren, liegen aber bei mehr als 50 Prozent. Lokal in Kanada verrichtete Dienstleistungen allein reichen nicht aus, sondern es geht tatsächlich um Produkte. Nun sind diese inzwischen ein weltweites Geschäft, und so kam es dann, dass zunächst Japan und später auch die Europäische Union sich über diese Maßnahmen beschwerten.

Im Welthandelsrecht gilt prinzipiell nach Art. III GATT (General Agreement on Tariffs and Trade), dass ausländische Produkte wie heimische behandelt, also nicht diskriminiert werden dürfen. Art. 2.1 TRIMs (Agreement on Trade-Related Investment Measures) greift dieses Prinzip auch entsprechend auf. Eine illustrative Liste im Anhang nennt dabei ausdrücklich Local-Content-Anforderungen, die Unternehmen vorschreiben, lokale Produkte zu verwenden.

Kanada bestritt das Bestehen dieses Verbotes zunächst nicht, sondern berief sich auf Art. III(8) GATT: Die Verbote seien überhaupt nicht anwendbar, da es hier um Vergabe durch öffentliche Auftraggeber für Regierungsziele gehe und nicht um kommerziellen Wiederverkauf beziehungsweise die Herstellung von Produkten zum kommerziellen Verkauf. Japan und die EU waren anderer Meinung.

Das WTO Panel äußerte sich – zu Local-Content-Anforderungen ist die Rechtslage spätestens seit der Sache Indonesien/Autos ziemlich klar – auch nicht lange zu der Anforderung selbst, sondern behandelte zum ersten Mal die Reichweite der Ausnahme in Art. III(8). Dabei stellte es zunächst fest, dass  sich anders als die Beschwerdeführer meinen die Vergaberegeln nicht direkt auf das Produkt (in diesem Falle den Strom aus Erneuerbaren Quellen) beziehen müssen, sondern eine enge Verbindung ausreicht. Auch sei Vergabe durch öffentliche Auftraggeber weit zu interpretieren und schließe nicht nur den Fall des Eigengebrauchs ein. Kanadas Argument, Art. III(8) unterscheide mit den Regierungszwecken und dem Ziel des kommerziellen Verkaufs zwei getrennte Kriterien, folgte das Panel allerdings auch nicht. Es komme darauf an, ob ein kommerzieller Wiederverkauf vorgesehen wäre. Dies jedoch, so fand das Panel, sei in Ontario sehr wohl der Fall, weshalb die Ausnahme aus Art. III(8) GATT auch nicht greife. Immerhin werde der Strom in Kanada durch staatliche Unternehmen weiter verkauft, die obendrein eine positive Umsatzbilanz über die letzten Jahre vorweisen könnten. Auch herrsche Wettbewerb zwischen den Stromlieferanten. Dass der Markt stark reguliert sei, spiele keine Rolle. Entsprechend sei von einem kommerziellen Ziel auszugehen.

Folgerichtig erklärte das Panel die Local-Content-Anforderung dann auch unvereinbar mit Art. III(4) GATT und Art. 2.1 TRIMs.

Was den zweiten Punkt der Beschwerde anbelangt, so urteilte das Panel zu Kanadas Gunsten. Immerhin stünden die Einspeisetarife an sich nicht im Konflikt mit den Bestimmungen des „Agreement on Subsidies and Countervailing Measures“ (SCM). Hier gab es zwar Uneinigkeit, um welche Art der in Art. 1.1 SCM genannten Subventionen es sich bei den Einspeisetarifen handelte. Das Panel fand dies jedoch schlussendlich nicht relevant, denn für eine Subvention muss ein Vorteil vorliegen, und das konnten die Beschwerdeführer nicht beweisen. Der Energiemarkt in Ontario sei stark reguliert, so dass ein Vergleich – wie er für das Bestehen eines Vorteils nötig wäre – mit einem Markt mit freiem Wettbewerb ohnehin nicht möglich sei. Ein solcher Vergleich würde die Einspeisetarife zu Subventionen machen, auch wenn der Vergleichsmarkt weder wirklich besteht noch realistischerweise in Ontario umgesetzt werden könnte. Der Marktstandard, mit dem die Beschwerdeführer zu vergleichen suchten, sei wenn überhaupt, dann nur selten in der Lage ausreichend Erzeugungskapazität zu liefern, um eine verlässliche Energieversorgung zu sichern, und das nicht nur in Ontario, sondern auch außerhalb. Auch sei nicht auszuschließen, dass private Unternehmen, die verpflichtet sind, einen bestimmten Teil Erneuerbare Energien in ihrem Verkaufsportfolio vorzuweisen, das generell bestehende „missing money problem“ und den Mangel an Investitionen nicht zu ähnlichen Konditionen zu beheben versuchen würden. Immerhin sei nicht bewiesen, dass die Einspeisetarife deutlich zu hoch angesetzt seien, und somit zu einer Überkompensation führen würden.

Was also bleibt im Ergebnis?

  • Das Panel der Welthandelsorganisation sprach sich nicht gegen die Politik Ontarios aus, Erneuerbare Energien zu fördern. Im Gegenteil. Es betonte ausdrücklich, den Fall „nur“ rechtlich zu betrachten. Der unterstützenswerten politischen Motivation soll kein Abbruch getan werden.
  • Die Local-Content-Anforderungen müssen genau ins Auge gefasst werden. Dabei gilt: Erneuerbare zu fördern ist im Hinblick auf die mangelnden Investitionsanreize in Energiemärkten ohne echten Wettbewerb welthandelsrechtlich so lange unbedenklich, wie die Förderung sich darauf beschränkt, ein Marktversagen auszugleichen und nicht überzukompensieren.

Ansprechpartner: Dr. Dörte Fouquet/Dr. Martin Altrock

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